- Was passiert mit dem Erbgut?
- Welche Erbkrankheiten gibt es und welche sind die häufigsten?
- Spielen Erbkrankheiten eine Rolle beim Kinderwunsch?
Erbkrankheiten können über das genetische Material an die nächste Generation weitergegeben werden. Doch was genau sind das für Krankheiten? Welche kommen häufig vor und welche Auswirkungen haben sie? Und wie geht man damit um?
Ein Blick auf unser Erbgut: Das sind Erbkrankheiten
Das Erbgut von jedem Menschen besteht in der Regel aus 46 Chromosomen; und dennoch ist jede Person einzigartig und besitzt eine individuelle genetische Varietät. Es ist allerdings möglich, dass Unregelmäßigkeiten, auch Anomalien genannt, im Erbgut auftreten. Diese bleiben oft unbemerkt. Einige davon können jedoch zu Erbkrankheiten führen, deren Auswirkungen von Person zu Person variieren.
Erbkrankheiten entstehen durch Veränderungen im Erbgut, sogenannte Mutationen. Manchmal wird diese Mutation von den Eltern an die nächste Generation weitergegeben, ohne dass die Eltern selbst betroffen sind. Wenn beide Eltern an der gleichen Stelle im Erbgut eine Veränderung haben, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung in der nächsten Generation.
Zu den Erbkrankheiten gehören auch genetisch bedingte Krankheiten, die durch sogenannte "Spontanmutationen" oder "Neumutationen" entstehen. Hier ändert sich das Erbgut in einer elterlichen Keimzelle, ohne dass eine Anomalie bei den Eltern vorliegt. Unter den elterlichen Keimzellen versteht man die Eizellen und die Spermien. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass nur in dieser einen Zelle der Mutter oder des Vaters eine Veränderung aufgetreten ist, die dann an das Kind weitergegeben wird. Mutationen können auch nach der Befruchtung einer Eizelle, also während der folgenden Zellteilung, auftreten. Eine genetisch bedingte Krankheit kann also auch dann entstehen, wenn es bei der Zellteilung zu einer Mutation kommt.
Erbkrankheiten: Ihre Einteilung in Gruppen
Die Erbkrankheiten können in drei verschiedene Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe sind die chromosomalen Anomalien. Darunter fällt beispielsweise Trisomie 21. Weitere chromosomale Anomalien sind das Ullrich-Turner-Syndrom oder das Klinefelter-Syndrom. Chromosomale Anomalien resultieren aus einer fehlerhaften Weitergabe des elterlichen Erbguts. Das führt wiederum zu einer Veränderung der Chromosomenzahl oder -struktur beim Kind. Das Risiko dafür steigt mit dem Alter der Mutter. Bei einer 20-jährigen Mutter beträgt das Risiko für eine chromosomale Anomalie 1 von 2.000 Geburten, bei einer 35-Jährigen 1 von 365 und bei einer 40-Jährigen 1 von 100. Die Rolle des Vaters in diesem Zusammenhang ist umstritten. Allerdings gibt es Studien, die darauf hinweisen, dass eine späte Vaterschaft das Mutationsrisiko ebenfalls erhöht. So beispielsweise eine Studie aus dem Jahr 2012 von Forschern aus Island, Dänemark und Großbritannien. Sie konnte herausfinden, dass ein 40-jähriger Vater etwa 65 Mutationen an sein Kind überträgt. Bei einem 20-jährigen Vater sind es durchschnittlich etwa 25 neue Mutationen.
Die zweite Gruppe sind die monogenen Krankheiten. Sie sind im Vergleich zu chromosomalen Anomalien selten. So ist durchschnittlich nur eines von 10.000 Neugeborenen betroffen. Hier ist nur ein Gen defekt, entweder aufgrund erblicher Ursachen oder einer Spontanmutation. Beispiele sind Mukoviszidose, Phenylketonurie und Hämophilie.
Zuletzt sind die multifaktoriellen Krankheiten zu nennen. Sie treten häufiger als die anderen beiden Gruppen auf und entwickeln sich im Laufe des Lebens. Etwa eines von 100 Kindern ist betroffen, was meint, dass sich die Krankheit bei ihnen im Laufe des Lebens entwickeln kann. Dies kann auch erst im Erwachsenenalter geschehen. Ursachen können genetische Veränderungen oder eine Kombination mehrerer genetischer Faktoren sein. Beeinflusst werden diese durch äußere Einflüsse wie Röntgenstrahlen, Medikamente oder Chemikalien während der Schwangerschaft. Weiter kann der Lebensstil der betroffenen Person eine erhebliche Rolle spielen, wie Rauchen oder eine ungesunde Ernährung. Beispiele für multifaktorielle Krankheiten sind Diabetes mellitus, Epilepsie, Hüftgelenksdysplasie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Neuralrohrdefekte.
Die häufigsten genetischen Erkrankungen und Tipps bei Kinderwunsch
Zu den häufigsten genetischen Erkrankungen gehören:
- Trisomie 21 (Down-Syndrom): Dabei handelt es sich streng genommen um keine Krankheit, sondern um eine Chromosomenanomalie. Das Chromosom 21 liegt bei Betroffenen nicht zweimal, sondern dreimal vor. Statt 46 Chromosomen haben diese Personen also 47. Die angeborene Besonderheit passiert rein zufällig. Wie die AOK erklärt, gehen mit dem Down-Syndrom unterschiedlich starke körperliche Fehlbildungen sowie geistige Einschränkungen einher. Allerdings können Menschen mit Trisomie 21 je nach Einzelfall und individueller Förderung ein weitgehend normales Leben führen.
- Mukoviszidose: Hier führt ein defektes Gen dazu, dass die schleimbildenden Drüsen ein zähes Sekret produzieren. Das wiederum beeinträchtigt die Organfunktionen, insbesondere die der Lunge. Die Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose ist schwer zu diagnostizieren und wird oft mit Asthma oder Bronchitis verwechselt. Das defekte Gen kann bereits vor der Geburt identifiziert werden, um festzustellen, ob das Kind erkranken wird. Seit 2016 ist die Mukoviszidose-Testung Teil des Neugeborenen-Screenings und wird von der Krankenkasse übernommen. Die Krankheit selbst lässt sich nicht heilen. Medikamente und begleitende Therapiemaßnahmen führen jedoch meist zu einer Linderung der Krankheit.
- Hämophilie: Die Hämophilie gehört zu den monogenen Erkrankungen. In etwa der Hälfte der Fälle erfolgt die Vererbung des Gens, während die andere Hälfte auf Spontanmutationen zurückzuführen ist. Menschen mit Hämophilie neigen zu vermehrten Blutungen, die schwerer zu stoppen sind. Aufgrund der Vererbungsweise sind Männer häufiger betroffen als Frauen. Ein risikoarmer Lebensstil gilt als beste präventive Maßnahme. Obwohl die Krankheit nicht heilbar ist, lässt sie sich durch die Injektion von Gerinnungsfaktoren behandeln.
- Lippen-Kiefer-Gaumenspalte: Es kann passieren, dass die Gesichtshälften des Embryos nicht vollständig zusammen wachsen. So entsteht eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Laut der AOK ist die Ursache dieser Fehlbildung umstritten. Medizinische Fachleute vermuten einen genetischen Einfluss, jedoch werden auch äußere Einflüsse während der Schwangerschaft für die Entstehung der Spalte verantwortlich gemacht. Die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kann in der Regel durch einen chirurgischen Eingriff geschlossen werden. Eine verbesserte Aussprache kann mithilfe sprachtherapeutischer Unterstützung gelingen.
- Zystenniere: Bilden sich zahlreiche Zysten in und um die Niere, spricht man von einer Zystenniere. Die Nierenfunktion wird durch die hohe Anzahl der Zysten beeinträchtigt. Im schlimmsten Fall kann das zu Nierenversagen führen. Liegen nur einzelne Zysten vor, die keine Behandlung erfordern, bleibt die Erkrankung zunächst oft unbemerkt. Wachsen die Zysten weiter, können zur Linderung Schmerzmittel eingesetzt oder die Zysten punktiert oder entfernt werden. In einigen Fällen ist dann eine Dialyse (Blutreinigung) für die Patientinnen und Patienten erforderlich.
Genetische Anomalien könnten zu einer Unfruchtbarkeit führen. Bei bis zu 30 % der Fälle von Unfruchtbarkeit kann die Ursache genetisch bedingt sein. Allerdings spielen in der Regel sowohl genetische als auch Umweltfaktoren eine Rolle. Es ist also oft schwer, die Ursache einer Unfruchtbarkeit genau zu bestimmen. Wie der Name "Erbkrankheit" bereits verrät, können Mutationen am Erbgut an die Nachkommen weitergegeben werden. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Eltern selbst an keiner Krankheit erkrankt sind. Vererbte Krankheiten können verborgen bleiben oder sichtbar werden. Das bedeutet, dass nicht jede krankhafte Veränderung des Erbguts beim Nachkommen in Erscheinung tritt. Viele Eltern wünschen sich, dass ihr Kind gesund zur Welt kommt. Da Erbkrankheiten oft unbemerkt bleiben, kommt während einer Schwangerschaft bei Eltern häufig die Frage auf, ob sie genetisch bedingte Krankheiten in sich tragen. Wie Professor Frank Tüttelmann, Direktor des Instituts für Reproduktionsgenetik der Universität Münster, gegenüber der Apotheken-Umschau verrät, liegt das Risiko, dass ein Kind mit einer angeborenen Erkrankung zur Welt kommt, bei drei bis vier Prozent.
Hast du den Verdacht oder das Wissen um eine erblich bedingte Krankheit in der Familie, kann eine sogenannte genetische Beratung sinnvoll sein. Anlaufstellen findest du beispielsweise auf der Webseite des Berufsverbands deutscher Humangenetiker e.V. (BVDH). Hier erhältst du konkrete Informationen zur Vererbung einzelner Erbkrankheiten. So beispielsweise bei Trisomie 21: Auch Menschen mit Down-Syndrom können Kinder kriegen. Da Trisomie 21 zufällig entsteht, ist es in den allermeisten Fällen auch nicht erblich. Eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hingegen wird in bis zu 40 % der Fälle vererbt. Bei Kinderwunsch gibt es auch hier die Möglichkeiten, Gentests durchführen zu lassen. Ungezielte Bluttests musst du allerdings in der Regel selbst bezahlen. Tüttelmann erklärt in der Apotheken-Umschau, dass selbst festgestellte Änderungen in einem Gen nicht immer aussagekräftig sind. Es sollte also sorgfältig überlegt werden, ob ein Gentest notwendig und sinnvoll ist oder nicht.
Fazit: Erbkrankheiten können nicht ausgeschlossen werden
Jeder Mensch ist in seiner genetischen Zusammensetzung individuell. Es kann jedoch passieren, dass Anomalien auftreten, die wiederum eine Erbkrankheit verursachen können. Erbkrankheiten werden von den Eltern an die nächste Generation weitergegeben. Es gibt viele verschiedene Arten der Erbkrankheiten, darunter Trisomie 21 und Zystennieren. Allerdings können auch Spontanmutationen auftreten, weshalb Erbkrankheiten kaum ausgeschlossen werden können. Insgesamt treten sie eher selten auf, sodass eine genetische Beratung oder entsprechende Tests nur in Einzelfällen sinnvoll sein können.