• Jährlich erleiden in Deutschland 65.000 Menschen einen Herzstillstand
  • Das passiert, wenn das Gehirn keinen Sauerstoff bekommt
  • Streudepolarisation überflutet den Körper
  • Vorgang nach Tierversuchen erstmals beim Menschen nachgewiesen

Laut Deutscher Gesellschaft für Kardiologie (DGK) erleiden in Deutschland jährlich etwa 65.000 Menschen einen Herzstillstand, bei rund 60.000 verläuft er tödlich. Wenn der Blutkreislauf zum Erliegen kommt, wird das Hirn nicht mehr mit dem so notwendigen Sauerstoff versorgt. Dass sich dabei eine sogenannte Streudepolarisation wie ein Tsunami im Körper ausbreitet und die Nerven angreift, haben Wissenschaftler*innen bis zu der von der Berliner Charité und der US-Universität in Cincinnati vorgelegten Studie nur vermutet. Die Erkenntnisse beruhten bis zu der Veröffentlichung nur auf Tierversuchen. Die Berliner und US-amerikanischen Forscher*innen konnten diesen Vorgang an Menschen nachweisen.

Sauerstoffentzug und Streudepolarisation: "Tsunami" bis dato nur bei Tieren nachgewiesen

Anhand von Tierversuchen haben Forscher*innen schon im Laufe der vergangenen Jahrzehnte festgestellt, was bei Sauerstoffentzug im Gehirn passiert.

  • Nach 20 bis 40 Sekunden stellt das Gehirn auf eine Art Energiesparmodus um.
  • Es stellt die elektrischen Aktivitäten ein.
  • Die Kommunikation der Nervenzellen stoppt vollständig.
  • Nach dem Aufbrauchen der Energiereserven bricht das Ionen- und Spannungsgefälle zwischen den Nervenzellen und der Umgebung zusammen.
  • Diesen Vorgang bezeichnen Wissenschaftler*innen als Spreading Depolarization oder Streudepolarisation, das sie mit einem Tsunami vergleichen, der durch die Hirnrinde und andere Hirnstrukturen durchbricht.
  • Dabei stößt diese Welle sogenannte Schadenskaskaden an, welche die Nervenzellen vergiften, was letztendlich zum Tod führt.

Allerdings ist die Welle bis zu einem gewissen Zeitpunkt vollständig reversibel, wenn die Durchblutung rechtzeitig wieder einsetzt. Das kann durch frühzeitige Reanimation in die Wege geleitet werden. Wenn das gelingt, erholen sich die Nervenzellen vollständig.

Streudepolarisation beim Menschen nachgewiesen

Dass ein Herzstillstand auch beim Menschen eine Streudepolarisation auslösen kann, war bis zum Zeitpunkt der Studie nicht bekannt. Es war nicht möglich, entsprechende Messungen am menschlichen Gehirn in den ersten Minuten nach einem Herzstillstand durchzuführen. 

Den Berliner Wissenschaftler*innen ist es zusammen mit den US-Kolleg*innen gelungen, die Vorgänge im Gehirn ohne Tierversuche zu untersuchen. Sie nutzten Neuromonitoring. Mit diesem Verfahren können Aktivitäten von Nerven optisch und akustisch dargestellt werden.

Die Forscher*innen konnten nachweisen, dass die Streudepolarisierung bei Mensch und Tier vergleichbar ist. Vorher waren Mediziner*innen der Meinung, dass dieser Prozess im menschlichen Nervensystem nicht auftritt. Während aufgrund der althergebrachten Erkenntnisse die rasche Wiederherstellung des Blutkreislaufes als wichtigste Therapie angesehen wurde, erhoffen sich die Wissenschaftler*innen von der Studie nun die Entwicklung ergänzender Behandlungsmethoden zur Verlängerung der Überlebenszeit.

Fazit

Wissenschaftler*innen der Berliner Charité haben nachgewiesen, was bisher nur von Tierversuchen bekannt war: Wenn das Gehirn aufgrund eines Herzstillstandes nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, kommt es zu einem Schwall, der die Hirnrinde und andere Hirnbereiche durchbricht. Sogenannte Schadenskaskaden vergiften die Nervenzellen. Nachweisen konnten die Forscher*innen den Vorgang anhand eines Neuromonitorings.

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