"Physisch präsent, aber emotional distanziert" – so beschreibt die Sozialwissenschaftlerin Edith Sánchez vom Online-Magazin gedankenwelt.de emotional abwesende Eltern. Das Gravierende ist: Kinder sind aus vielerlei Gründen auf die emotionale Bindung zu ihren Eltern angewiesen. Welche Anzeichen zeigen, dass Eltern emotional nicht verfügbar sind, welche Folgen das für Kinder haben kann und wie die späteren Erwachsenen damit umgehen können, erfährst du hier.

5 Anzeichen dafür, dass Eltern emotional abwesend sind

Emotional abwesend bedeutet, dass keine emotionale Beziehung zum Gegenüber aufgebaut wird - in diesem Fall zwischen Eltern und Kindern. Die Eltern zeigen selbst keine Emotionen, auch wenig Liebe und Anerkennung, reagieren nicht emphatisch auf die Äußerungen und Gefühle des Kindes und bauen so keine Verbindung zu ihrem Kind auf, die für das Kind jedoch notwendig ist für eine gesunde Entwicklung.

Edith Sánchez nennt die folgenden fünf Anzeichen für emotionale Unverfügbarkeit:

  • Autoritarismus, also das Aufbauen von Hierarchien und Einfordern pauschalen Gehorsams
  • Unerreichbarkeit
  • Verantwortungslosigkeit
  • Gleichgültigkeit
  • übermäßige Kontrolle

Im Psychologie-Magazin erwähnt die Psychologin Juliane Vogler weitere Anzeichen wie wenig Interesse für das Leben ihres Kindes, wenig Zuspruch und Unwohlsein mit den offen gezeigten Emotionen anderer. Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig. Dazu schreibt Vogler, dass viele aus der Kriegs- und Nachkriegszeit stammenden Eltern mit anderen Erziehungsformen, eventuell traumatischen Erfahrungen und mit einem geringen Kontakt zu den eigenen Emotionen aufgewachsen seien. Sie hätten eine emotionale Verbindung zu sich und anderen also selbst nicht gelernt oder würden bewusst nicht in die Verbindung gehen, weil es zu schmerzhaft sei.

5 Folgen für Kinder emotional abwesender Eltern

Die Kinder emotional abwesender Eltern erlernen selbst keinen gesunden Umgang mit den eigenen Emotionen und haben oft das Gefühl, allein zu sein mit ihren Problemen. Die Unfähigkeit der Eltern wird von ihren Kindern meistens als Ablehnung interpretiert. Dadurch können Juliane Vogler zufolge Glaubenssätze entstehen wie "Ich bin nicht wichtig", "Meine Gedanken und Gefühle spielen keine Rolle", "Ich muss allein zurechtkommen" oder "Ich kann niemandem vertrauen". Mit diesen verankerten Gedanken entwickeln sich Kinder zu Erwachsenen, die glauben, dass etwas mit ihnen nicht stimmt und sie nicht genug sind.

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Die Heilpraktikerin Stefanie Heinlein erklärt auf ihrem Blog daraus resultierende Folgen:

  • Geringes Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein
  • Kein Zugang zu den eigenen Emotionen
  • Unsicherheit im Umgang mit anderen
  • Fokus auf das, was andere von ihnen denken
  • Gefühl, abgelehnt, "falsch" oder verloren zu sein

Auf diesen Gedanken und Gefühlen basierend entwickeln Kinder emotional nicht verfügbarer Eltern verschiedene Strategien, um den schmerzhaften Mangel zu kompensieren. Dazu gehören laut Heinlein Süchte (um die innere Leere zu füllen), Perfektionismus, Zwänge, Unterwürfigkeit oder im Gegenteil dazu das Ausüben von Macht und Kontrolle, Schüchternheit, Aggression, Beziehungsunfähigkeit oder auch ein Helfersyndrom (um sich Liebe zu "erarbeiten").

So können Erwachsene mit emotional abwesenden Eltern umgehen

Juliane Vogler rät Erwachsenen, die als Kinder mit emotional distanzierten Eltern aufgewachsen sind, dazu, sich bewusst darüber zu werden, dass die Distanz der Eltern nichts mit ihnen zu tun hatte. Genauso auch, dass ihr Verhalten nichts mit ihrer Wertigkeit als Mensch zu tun hatte, sondern mit ihrer eigenen Geschichte und ihren eigenen Wunden. Dieses Bewusstsein helfe bei zwei Dingen: zum einen dabei, aufzuhören, bei den Eltern nach Anerkennung und Liebe zu suchen, die sie nicht geben können, und zum anderen dabei, sich abzugrenzen und einen selbstfürsorglichen Umgang zu erlernen.

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Selbstliebe praktizieren zu lernen, empfiehlt auch die Heilpraktikerin Stefanie Heinlein. Sie schreibt: "Wenn du dich selbst liebst, bist du emotional unabhängig von Liebesbeweisen und Liebesbezeugungen deines Umfeldes." Das ist es, was ein gesundes Selbstwertgefühl ausmacht. Außerdem erklärt auch sie, dass es wichtig sei, emotional nicht verfügbaren Menschen gegenüber verständnisvoll und geduldig zu sein. Sie tragen emotionale Wunden und Schmerzen in sich, die nur sie selbst aus eigenem Willen heilen können - mit der richtigen Unterstützung. Es kann schwer sein, Verständnis zu zeigen, wenn man selbst Wunden davon getragen hat. Aber Vergebung dient vor allem einem selbst: Sie schafft Leichtigkeit und Platz für Neues.

Um sich selbst neu ausrichten und auf die Gegenwart konzentrieren zu können, rät Stefanie Heinlein dazu, sich von emotionalen Verletzungen und limitierenden Glaubenssätzen, die man seit der Kindheit in sich trägt, zu befreien. Dabei können Therapie und Coaching helfen.

Fazit: Niemand muss ein Leben lang leiden

Mit emotional abwesenden Eltern aufzuwachsen, kann Folgen für Kinder haben, die sich auch auf das Erwachsenenleben noch auswirken können. Nicht selten eignen sich Kinder Denk- und Verhaltensmuster sowie Strategien an, um mit dem Mangel an Empathie, Zuneigung und Unterstützung im eigenen Elternhaus umgehen zu können. Doch mit dem Bewusstwerden darüber und professioneller Unterstützung können diese Denk- und Verhaltensmuster sowie Strategien verändert und aufgelöst werden. Kinder emotional nicht verfügbarer Eltern müssen nicht ihr Leben lang darunter leiden. Es gibt Möglichkeiten und Wege, mit der Vergangenheit und ihren Wunden abzuschließen.

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