- Dyskalkulie: Keine Frage der Intelligenz
- Dyskalkulie bei Erwachsenen: Diese Hilfsmittel können dich unterstützen
- Handlungsbedarf und Fördermöglichkeiten
Eine Dyskalkulie oder auch Rechenstörung wirkt sich nicht nur auf die Schule und das Erlernen von Rechnen aus. Das arithmetische Denken ist gestört, was allgemein Auswirkungen auf das Mengenverständnis, den Zahlenbegriff, die Grundrechenarten und das Dezimalsystem hat und somit auch auf viele alltags- und berufsspezifische Bereiche. Erwachsene mit Dyskalkulie können auf Hilfsmittel zurückgreifen oder nach Möglichkeit eine Lerntherapie machen.
Dyskalkulie: Keine Frage der Intelligenz
Die Dyskalkulie oder auch Rechenstörung steht für umfassende Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens. Meist gibt es für eine Dyskalkulie bereits Anzeichen in der Grundschule. Betroffenen Kindern fehlt oft ein Mengenverständnis, was sich auf Zählfähigkeiten und das Erlernen der Grundrechenarten auswirkt. Zahlen sind nichts weiter als Symbole, die damit verbundene Menge ist nicht greifbar. Doch Vorsicht: Dyskalkulie ist nicht gleichzusetzen mit einer verminderten Intelligenz.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Dyskalkulie im Klassifikationsschema ICD-10 wie folgt: "Diese Störung bezeichnet eine Beeinträchtigung der Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist."
Liegt eine Dyskalkulie vor, können Zahlen nicht als Mengenangaben eingeordnet werden, wie beispielsweise, dass die Zahl "5" eine größere Menge beschriebt als die Zahl "37". Dieses mangelnde Mengenverständnis führt unter anderem dazu, dass Rechenarten verwechselt werden und wenig Verständnis für mathematische Logik ausgebildet wird. Es treten somit Probleme beim numerischen Mengenverständnis und dem Verständnis von Zahlenräumen auf. Ähnlich wie bei der Legasthenie ist davon auszugehen, dass Dyskalkulie vererbbar ist und somit genetisch bedingt auftritt.
Dyskalkulie bei Erwachsenen: Diese Hilfsmittel können dich unterstützen
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. empfiehlt auch Erwachsenen mit Dyskalkulie zu einer qualifizierten Therapiemaßnahme. Denn auch im Erwachsenenalter sind Lernfortschritte möglich, die den beruflichen oder privaten Alltag erleichtern können. Zusätzlich gibt es Hilfsmittel, wie Apps und Programme, die genutzt werden können. Sie können dabei helfen, schneller Aufgaben zu bewältigen, selbstständiger zu agieren und unter Umständen einen Beitrag zu einem angstfreien Umgang mit Zahlen leisten. Denn gerade durch die negativen Lernerfahrungen und Misserfolge in der Schulzeit kann es zu einem Gefühl von Hilflosigkeit, Scham oder genereller Abneigung kommen, wenn es um mathematische Angelegenheiten geht. Ein Vermeidungsverhalten kann die Folge sein. Doch mathematische Probleme begegnen uns im Alltag überall: an der Supermarktkasse, beim Bezahlen mit Bargeld, beim Einschätzen und Einhalten von Zeitplänen, bei einfachen Rechnungen oder beim Messen und Abwiegen.
Für rechentechnische Probleme können ein Taschenrechner, Tabellen sowie vorgeschriebene schematische Lösungswege genutzt werden. Es gibt viele Mathe-Apps, wie zum Beispiel WolframAlpha, die Ableitungen lösen und Lösungswege mit anzeigen. Im Umgang mit Zeit können Uhren mit speziellen Ziffern helfen oder solche, die die Zeit ansagen. Wenn Barzahlen stressig und anstrengen ist, kannst du in den meisten Fällen mit der EC- oder Kreditkarte zahlen. In vielen Ländern ist üblich, bereits Centbeträge mit Karte zu zahlen.
Im beruflichen Alltag gibt es unterschiedliche Programme, mit deren Hilfe du mathematische Aufgaben elektronisch ausrechnen kannst. Auch geometrische Aufgaben können digital dargestellt und gelöst werden. In vielen handwerklichen Berufen ist genaues Vermessen und Messen notwendig, auch hierfür gibt es Apps und digitale Tools, die den Arbeitsalltag erleichtern können. Unabhängig von Hilfsmitteln können Kolleginnen und Kollegen sowie Menschen aus der Familie oder dem Freundeskreis Hilfe leisten.
Handlungsbedarf und Fördermöglichkeiten
Stefan Haberstroh und Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne sehen großen Forschungs- und Handlungsbedarf. In ihrem Artikel "Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung", der 2019 im Deutschen Arztblatt erschien, merken sie an, dass es insbesondere für die Diagnose und Förderung von Erwachsenen an "qualitativ hochwertigen und standardisierten Tests sowie evidenzbasierten Förderprogrammen" mangelt. Auch im Vor- und Grundschulbereich seien noch nicht genügend Studien durchgeführt worden, um langfristige Fördereffekte zu ermitteln.
3 bis 7 % aller Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen haben eine Dyskalkulie. Eine Förderung oder ein Nachteilsausgleich sind in der Regel nur im Grundschulalter vorgesehen und variieren je nach Bundesland stark. Die Dyskalkulie wird demnach bundesweit nicht wie eine Legasthenie behandelt.
Kosten für Förderung und zusätzliche Lerntherapien werden nicht von der Krankenkasse übernommen. Das hat zur Folge, dass eine adäquate Förderung in vielen Fällen nicht stattfindet, weil sie nicht finanziert werden kann. Die Verfasser von "Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung" rufen die Bildungs- und Gesundheitspolitik dazu auf, "eine allgemein zugängliche, evidenzbasierte schulische Förderung sowie finanzielle Unterstützung bei Therapiekosten zu gewährleisten".