- Wie äußert sich das Couvade-Syndrom?
- Welche Rolle spielen die Hormone?
- Tipps, um in die Vaterrolle hineinzufinden
Das Glück eines Paares soll mit Nachwuchs gekrönt werden – doch während der Schwangerschaft der Frau kann es passieren, dass die Veränderungen von Körper und Emotionen nicht nur sie betreffen. Fühlen sich Männer mit schwanger, sprechen Ärzt*innen von dem sogenannten Couvade-Syndrom. Doch was steckt dahinter? Und muss es behandelt werden?
Symptome des Couvade-Syndroms
Ist die Frau schwanger, kann es passieren, dass auch der Mann körperliche und emotionale Veränderungen bemerkt. Diese Veränderungen werden von Ärzt*innen unter dem Couvade-Syndrom zusammengefasst. Der Begriff "Couvade-Syndrom" hat seinen Ursprung in dem französischen Wort "couver". Dies bedeutet so viel wie "brüten" oder "umhegen". Die emotionalen und körperlichen Veränderungen, die Männer mit dem Couvade-Syndrom erleben, ähneln denen der Frau während der Schwangerschaft stark. Männer machen sich die Beschwerden allerdings kaum bewusst. Typische Beschwerden sind beispielsweise:
- morgendliche Übelkeit
- Erbrechen
- Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme
- Gewichtszunahme
- Schlafstörungen
- Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit
- Rückenschmerzen
- Muskelverspannungen
- emotionale Belastungen, wie beispielsweise depressive Verstimmungen
Ein erstes, häufiges Anzeichen des Couvade-Syndroms ist die Gewichtszunahme. Bei Frauen ist eine deutliche Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ganz natürlich. In der Regel bringen normal gewichtige Frauen am Ende der Schwangerschaft etwa 10 bis 16 kg mehr auf die Waage. Männer nehmen im Schnitt vier Kilo zu. Wolf Lütje, Frauenarzt und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) e. V., sagt gegenüber der Barmer, dass der Mann seiner Partnerin durch die Gewichtszunahme zu verstehen gebe, dass er mit im Boot ist. Welche Symptome auftreten und wie stark sie sich äußern, ist von Mann zu Mann unterschiedlich.
Die Rolle der Hormone
Das Phänomen des "schwangeren" Mannes kann insbesondere im ersten und im letzten Schwangerschaftsdrittel auftreten. Wird das Baby geboren, verschwinden in der Regel alle Beschwerden. Ärzt*innen gingen lange davon aus, dass das Couvade-Syndrom ein rein psychologisches Phänomen sei. Allerdings konnte eine kanadische Studie zu hormonellen Veränderungen bei werdenden und frisch gebackenen Vätern aufzeigen, dass auch biologische Veränderungen eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler*innen untersuchten bei insgesamt 34 Eltern den Hormonspiegel von Testosteron, Prolaktin und Kortisol. Der Hormonspiegel wurde vor und nach der Geburt beobachtet. Hier ein kurzer Überblick über die Hormone und die beobachteten Ergebnisse:
- Testosteron: Bei Testosteron handelt es sich um das wichtigste männliche Sexualhormon. Das Hormon wird laut der Barmer mit Attributen wie Aggression, Stärke und Potenz verbunden. In der Studie konnte beobachtet werden, dass der Testosteronspiegel eher abfiel. Der Befund könnte so interpretiert werden, dass ein niedriger Testosteronspiegel die fürsorglichen Verhaltensweisen stärkt. Ein größeres Engagement bei der Kinderbetreuung könnte hiermit ebenfalls einhergehen.
- Prolaktin: Prolaktin sorgt für das Brustwachstum und die Milchproduktion bei Frauen. Zudem wird dem Hormon nachgesagt, dass es Bindungen und zwischenmenschliche Annäherungen fördert sowie dem Abbau von Stress und Angst hilft. Im Blutspiegel der Männer stieg Prolaktin in der Studie an. Männer, die einen höheren Prolaktinspiegel hatten, kümmerten sich lieber um ihre Kinder.
- Kortisol: Bei Kortisol handelt es sich um ein Stresshormon. Darüber hinaus regelt es den Schlaf und den Fettstoffwechsel. In der Studie stieg der Kortisolspiegel der untersuchten Männer an. Männer, die einen höheren Kortisolspiegel vor der Geburt hatten, waren engagierter bei der Betreuung ihrer Kinder. Ähnliches ließ sich bei Männern beobachten, deren Kortisol bei Interaktion mit ihrem Baby anstieg.
Hormonelle Veränderungen könnten demzufolge dafür sorgen, dass Männer besser auf ihre Rolle als werdende Väter vorbereitet werden. Insgesamt ist das Couvade-Syndrom nur wenig erforscht. Ein möglicher Grund dafür ist, dass die psychischen und körperlichen Symptome in der Regel harmlos sind. Zudem verschwinden sie meist direkt nach der Geburt. Eine Behandlung des Syndroms ist demzufolge ebenfalls in der Regel nicht notwendig.
In die Vaterrolle hineinfinden und psychologische Ursachen
Ist das Ausmaß der Beschwerden bei einem Mann sehr groß, kann sich eine kurzzeitige Therapie anbieten. Dazu gehören beispielsweise eine Gesprächstherapie oder eine Verhaltenstherapie. Auch Meditation oder Entspannungskurse können eine effektive Methode sein, um die Symptome des Couvade-Syndroms zu behandeln. Sodbrennen oder Übelkeit können Betroffene mit Medikamenten behandeln. Barmer gibt Männern 8 Tipps, wie sie möglicherweise besser in ihre Vaterrolle hineinfinden und ihre Partnerin unterstützen können:
- Präsent sein und die Partnerin beispielsweise bei Arztterminen und Ultraschalluntersuchungen begleiten.
- Sich informieren, zum Beispiel in Büchern, Kursen oder online. Auch Gespräche mit Verwandten oder Freunden könnten helfen.
- Die Partnerin bei alltäglichen Aufgaben unterstützen. Besprecht gemeinsam als Paar, wie ihr die Dinge regeln wollt, sobald das Baby da ist.
- Sich auf die Geburt vorbereiten, beispielsweise durch einen Geburtsvorbereitungskurs.
- Elternzeit in Anspruch nehmen, um mehr Zeit mit dem Baby verbringen zu können.
- Geduldig sein, da besonders die ersten Wochen mit einem Neugeborenen sehr stressig sein können.
- Viel Zeit mit dem Baby verbringen.
- Ein Team mit der Partnerin bilden und immer gemeinsam überlegen, welche Schritte in Bezug auf die Erziehung und Pflege gegangen werden sollen.
Wissenschaftler*innen sehen das Couvade-Syndrom oft als Zeichen der emotionalen Bindung zwischen dem werdendem Vater und dem ungeborenen Kind. Die Männer setzen. Setzt er sich intensiv damit auseinander, was es bedeutet, Vater zu werden – und wie die Zeit nach der Geburt wird. Versetzt er sich ein Stück weit in die Rolle der Partnerin hinein und identifiziert sich mit ihr, kann das Syndrom als Zeichen von Empathie auftreten. Daneben gibt es weitere mögliche Erklärungen. Eine davon ist, dass der Mann neidisch auf die Frau ist, welche ein Kind austragen kann. Folglich treten die Beschwerden auf. Eine andere Theorie nimmt einen Identifikationskonflikt als Ausgangspunkt. Der Mann kann sich noch nicht mit seiner Vaterrolle identifizieren. Der Konflikt wird in Form der körperlichen und psychischen Symptome deutlich. Welcher der Ansätze "der richtige" ist, kann allerdings nicht gesagt werden.
Fazit: Erweiterung des Blickwinkels ist nötig
Bei Männern mit dem Couvade-Syndrom zeigt sich häufig ein veränderter Hormonspiegel. Wissenschaftler*innen vermuten, dass das Syndrom ein Anzeichen dafür ist, dass sich der Körper des Mannes auf die neue Vaterrolle einstellt. Daneben gibt es weitere mögliche psychologische Ursachen. Ebenso wie es diverse Ursachen gibt, gibt es auch diverse Symptome. In der Regel verschwinden körperliche und psychische Symptome nach der Geburt des Kindes. Davor können eine Kurzzeittherapie, Meditation oder eine medikamentöse Behandlung bei starken Beschwerden helfen.
Anmerkung: In diesem Artikel haben wir uns vorwiegend auf die klassische Paarkonstellation von Mann und Frau konzentriert. Allerdings ist es notwendig, das Couvade-Syndrom weiterzudenken. Mit Blick auf Regenbogen-Beziehungen, Eizellspenden, Leihmutterschaft und so weiter wird deutlich, dass es zahlreiche weitere Konstellationen geben kann, die ein Couvade-Syndrom hervorrufen könnten.