"Heilen die Krebs?", fragt ein Reddit-Nutzer ironisch. "Kinder-Kaviar", urteilt ein anderer. "Wer das kauft, schubst auch kleine Kinder vom Nachttopf" - schreibt ein weiterer Nutzer. Und dennoch erleben die "Kinder Schoko-Bons Crispy" derzeit einen kleinen Hype im Netz. Immer wieder sind die speziellen Süßigkeiten bei TikTok, Instagram oder Reddit ein Thema.
Und ja, es stimmt. Bei den Preisen, die für die "knusprigen" Schoko-Bons teilweise aufgerufen werden, fällt so mancher Ottonormalverbraucher vom Glauben ab. Kilopreise von weit über 100 Euro sind da keine Seltenheit, wenn man die Preisschilder der Posts vergleicht, die bei Reddit kursieren. In einem Fall sprengt der Kilopreis sogar die 200-Euro-Marke. Die 67,2-Gramm-Packung zu 14,99 Euro wurde angeblich in einer Edeka-Filiale gesichtet. Darin befinden sich - Achtung - ganze zwölf Schoko-Bons, ein solches Bonbon kostet also mehr als einen Euro. Warum sind diese Schoko-Bons eigentlich so absurd teuer?
Kinder Schoko-Bons Crispy - warum sind sie so teuer?
Die Antwort klingt zunächst simpel: Weil es sie in Deutschland eigentlich gar nicht gibt. Wie Hersteller Ferrero auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt, würden die Schoko-Bons "nicht für den deutschen Markt angeboten". Sie seien daher auch "kein Bestandteil des für den hiesigen Markt bestimmten Sortiments von Kinder Schoko-Bons". Was aber nicht heißt, dass Verbraucher die Süßigkeit hier in Deutschland nicht bekommen können.
In speziellen Süßigkeiten-Shops, ausländischen Supermärkten, Automaten-Geschäften, und sogar in einigen Rewe oder - wie das Beispiel oben zeigt - Edeka-Filialen wurden Schoko-Bons Crispy bereits gesichtet. Kaufland bot sie kürzlich online an und natürlich gibt es die Dinger auch im Internet bei Amazon & Co. zu kaufen. Die Globalisierung lässt grüßen. Doch ganz egal, wo man sie kaufen möchte, teuer sind sie eigentlich überall, mal mehr, mal weniger. Erklärt wird das damit, dass es sich bei den Schoko-Bons Crispy um Import-Ware handelt. Die Transportkosten müssen vom Verbraucher mitgezahlt werden, denn in Deutschland lässt Ferrero das Produkt eben nicht produzieren.
Eine Erklärung, die die Verbraucherzentrale Bayern nicht gelten lässt. "Alleine durch den Import sind diese Preise nicht zu rechtfertigen", stellt Daniela Krehl, stellvertretende Leiterin des Referats Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale, fest. Derartige Hypes um Lebensmittel beschäftigen die Verbraucherzentrale immer wieder und sie sind nicht unkritisch. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: die "Hot Chip Challenge". Wochenlang sorgten die Chips, die so scharf sind, dass sie teils tagelange Magenschmerzen oder Atemprobleme verursachten, vor allem unter Jugendlichen für einen Hype. Die Chips zu essen, galt als eine Art Mutprobe. Etliche Videos davon landeten auf Social-Media-Plattformen. Nach mehreren Vorfällen mit verletzten Kindern und Jugendlichen wurde der Verkauf in Deutschland gestoppt.
Verbraucherzentrale Bayern sieht Lebensmittel-Hypes kritisch
Zurück zu den Schoko-Bons: Schaut man auf die Verpackungen der Nascherei, liest man Herkunftsländer wie Dubai, Indien oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Die online für einige Zeit (aber jetzt nicht mehr) bei Kaufland verfügbaren Schoko-Bons kamen per Luftfracht aus Saudi-Arabien. Warum gibt es sie eigentlich nicht regulär im deutschen Handel und wird sich das irgendwann ändern? Ferrero liefert darauf keine wirklich befriedigenden Antworten: "Grundsätzlich orientieren wir uns bei der Ausgestaltung unseres Sortiments an den Wünschen und Bedürfnissen unserer Fans und Konsumenten – daher wird das Sortiment in regelmäßigen Abständen überprüft und angepasst." So komme es auch dazu, dass unterschiedliche Länder unterschiedliche Produkte oder Geschmacksvarianten anböten.
Dass die Crispy Schoko-Bons in Deutschland so teuer sind, liegt also auf gut Deutsch daran, dass die Verkäufer damit Geld machen wollen. Für viele Menschen sind die Preise zwar nicht nachvollziehbar - "Sind die mit Koks gefüllt, oder wieso sind die so teuer?" (Frage bei Reddit). Es gibt auch Beiträge, die sich kritisch mit den Schoko-Bons und dem Preis für selbige auseinandersetzen. In einem Video ist etwa von der "teuersten Süßigkeit, die ich jemals gekauft habe" die Rede. "Wenn mir nach dem Probieren nicht Gold aus dem Hintern fällt, dann hat sich der Kauf nicht gelohnt", urteilt der TikToker, der für seine vier Schoko-Bons satte fünf Euro hingelegt hat. Gekauft werden sie aber scheinbar trotzdem, sonst würden nicht immer mehr Einzelhändler auf den Hype aufspringen.
Ein Reddit-Kommentator trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt: "Nächste Woche wirds von irgendeinem Influencer auf tiktok gehyped und dann sind die Regale ratzfatz leer! Ich sags euch!" Dass das nicht einfach so dahergeschrieben, sondern ein reales Problem ist, bestätigt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale. Da sogenannte Influencer direkt mit Kindern und Jugendlichen kommunizieren, umgehen sie die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelindustrie, die eigentlich ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel vorsehen, besonders wenn sie sich an Kinder richten. Die "Internet-Stars" sind daran aber nicht gebunden und halten sich auch nicht daran. Viele bewerben ohnehin alles - wenn das Geld stimmt. "Das, was hier passiert, ist unverantwortlich", bringt es Krehl auf den Punkt.
Warum Influencer-Marketing ein Problem ist
Die Verbraucherschützer von Foodwatch kritisieren dieses Vorgehen seit Jahren. Man dürfe nicht auf "die Selbstheilungskräfte der Werbeindustrie hoffen, sondern muss das an Kinder gerichtete Junkfood-Marketing gesetzlich verbieten", appellierte Foodwatch schon im Mai 2021 an die Politik. Dass auch Ferrero mit Influencern zusammenarbeitet, ist kein Geheimnis. "Für viele unserer in Deutschland erhältlichen Produkte arbeiten wir, je nach Bedarf, in unregelmäßigen Abständen auch mit Influencern zusammen", bestätigt die Pressestelle der Redaktion. Auch bei den Schoko-Bons Crispy? Diese Frage bleibt leider unbeantwortet. Es ist jedoch zu beobachten, dass sich die Bons immer mal wieder in die Süßigkeiten-Bestellungen von Influencern mischen, die dann via "Unboxing"-Video ihren Weg in die Feeds der Zielgruppe finden. "Kinder auf TikTok sehen es, kaufen es", wird auf Reddit kommentiert.
Vielleicht steckt hinter alldem ja auch ein ausgetüftelter Marketing-Plan? Auf die berechtigte Frage, warum die Schoko-Bons Crispy nicht "einfach ganz normal in Europa rausgebracht werden", heißt es bei Reddit: "Vielleicht ist das tatsächlich auch der Plan. PR funktioniert ja. Erst überteuert als Importware anbieten, dann eben genau durch diesen Preis schocken und dann wird es regulär auf den Markt gebracht, kostet dann immer noch recht viel, wirkt aber günstiger, weil es eben nicht mehr völlig überteuert ist und hat schon durch Posts wie diesen hier eine Bekanntheit. In Zeiten des Internets würde mich Ragebait-Marketing nicht mehr wundern. Funktioniert wahrscheinlich genauso gut wie Influencer-Marketing, ist aber günstiger."