- Einführung: Was ist Trauer und wie wirkt sie sich aus?
- Die verschiedenen Phasen des Trauerprozesses
- Wie man Trauernde unterstützen kann
- Praxisnahe Tipps zur Trauerbewältigung
Verlierst du einen geliebten Menschen oder ein geliebtes Tier, ist das oft eine einschneidende Erfahrung in deinem Leben. Mit der anschließenden Trauer umzugehen, kann eine Herausforderung darstellen. Doch welche Phasen des Trauerprozesses gibt es überhaupt? Und wie kann man Trauernde, vielleicht auch Kinder und Jugendliche, unterstützen? Zu dem Thema hat unsere Autorin mit Frau Prof. Dr. Kneginja Richter gesprochen. Sie ist Chefärztin an der CuraMed Tagesklinik Nürnberg GmbH und Professorin an der Technischen Hochschule Nürnberg.
Einführung: Was ist Trauer und wie wirkt sie sich aus?
Das International Center for Well-Being (ICWB) definiert Trauer als eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Dabei ist es ganz egal, ob die Trauer nach einer Trennung, dem Verlust eines Arbeitsplatzes, dem Ende einer Lebensphase oder nach dem Tod eines geliebten Menschen oder Tieres auftritt. Jede*r von uns trauert irgendwann einmal in seinem oder ihrem Leben. Die Gründe dafür können genauso divers sein wie wir Menschen selbst. Ebenso sind die Sichtweisen und Empfindungen in Bezug auf das Gefühl "Trauer" sehr persönlich und vielfältig. Trauerreaktionen und -symptome können beispielsweise Freudlosigkeit, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen oder Mutlosigkeit sein. Prof. Kneginja Richter erwähnt im Trauerprozess eine Phase der "Depression", in welcher man sich machtlos fühlt. Es handelt sich dabei nicht um die Erkrankung der Depression, sondern um eine vergleichbare Stimmungslage. Die empfundene Machtlosigkeit nach einem Verlust kann sich laut Richter beispielsweise in Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit, sozialem Rückzug und dem Verlust von Freude und Interesse zeigen. Typische Bewältigungsstrategien der Trauer sind unter anderem ein neuer Freundeskreis, sozialer Rückzug oder Hyperaktivität.
Von Geburt an besitzt jeder Mensch die Fähigkeit zum Trauern. Die ersten Verlusterfahrungen machen oft schon Kinder. Dies kann vorkommen, wenn beispielsweise die Großeltern sterben oder ein geliebtes Tier. Kinder und Jugendliche sehen, dass ihre Eltern und andere Familienmitglieder nach dem Tod trauern. Damit sie lernen, mit der Trauer umzugehen, solltest du sie als Elternteil am Trauerprozess teilhaben lassen. Kinder lernen durch die Bewältigung der Trauer und des Schmerzes, dass es nur ein temporärer Zustand ist.
In der Trauerpsychologie hingegen teilt man den Trauerprozess in verschiedene Phasen ein. Diese sollen Betroffenen und Angehörigen dabei helfen, die Trauer besser zu verstehen. Zwar werden die Phasen oft durchlaufen, sie bedeuten aber nicht, dass auch du sie alle durchlaufen musst. Denn: Jeder Mensch trauert individuell. Wie lange die verschiedenen Phasen andauern, ist ebenso von Person zu Person unterschiedlich. Das 4-Phasen-Modell nach der Psychologin Verena Kast kann also nur als grobe Orientierung angesehen werden.
Die verschiedenen Phasen des Trauerprozesses
Schock und Leugnung
Die erste Phase wird als das "Nicht-Wahrhaben-Wollen" beschrieben. Das anfängliche Ablehnen der Realität kann einige Stunden bis hin zu mehreren Wochen andauern. Ein Verlust oder Todesfall löst in der Regel Schock und Schmerzen aus; selbst dann, wenn er vorherzusehen war. So kann beispielsweise das Leben ohne die geliebte Person unvorstellbar erscheinen, es herrscht oft eine Art Starre oder Apathie vor. Körperliche Reaktionen wie motorische Unruhe, Schweißausbrüche, ein schnellerer Puls, Übelkeit oder Erbrechen sind mögliche Begleiterscheinungen.
Emotionale Achterbahn der Gefühle
Nach der ersten Phase folgt das "Aufbrechen der Emotionen". Die anfängliche Starre weicht einer Vielfalt an Gefühlen. Das Spektrum kann hier von Wut, Schmerz und Angst bis hin zu Traurigkeit oder sogar Freude reichen. Die Intensität der Emotionen hängt meist davon ab, wie nahe man der verstorbenen Person war. Es ist wichtig, alle Gefühle zuzulassen und emotionale Ausbrüche als möglichen Teil des Heilungsprozesses anzusehen. Auch Fragen nach dem Warum und mögliche Schuldgefühle können auftreten. Diese sollten allerdings nicht bekräftigt, sondern einfach nur anerkannt werden. Es hilft Trauernden oft, über Probleme zu sprechen und Erlebnisse zu teilen.
Suche nach Sinn und Realität des Verlusts
Die dritte Phase wird als "Suchen und Sich-Trennen" zusammengefasst. Sie kann Wochen, Monate oder auch Jahre andauern. Wenn du etwas verlierst, beginnst du in der Regel automatisch damit, danach zu suchen. In der Trauer bezieht sich diese Suche auf den verstorbenen Menschen, auf das gemeinsame Leben und geteilte Erinnerungen. Oft übernehmen Trauernde die Gewohnheiten der Verstorbenen und klammern sich an Erinnerungen. Positive Erinnerungen können die Trauer erleichtern. Setzt du dich intensiv mit der verstorbenen Person auseinander, kann es zu schmerzhaften, aber auch schönen Begegnungsgefühlen kommen. Es kann sogar vorkommen, dass du noch mit der Person sprichst, da du ihre Präsenz spürst. Der Prozess des Suchens und Findens ist wichtig, damit du die Trauer bewältigen und dich wieder dem Leben zuwenden kannst. Hier ist die Auseinandersetzung mit dem Tod eine zentrale Aufgabe. Wie in der zweiten Phase solltest du dich nicht scheuen, deine Gedanken und Erinnerungen zu teilen. Dies kann beim Loslassen helfen.
Anpassung und Akzeptanz
Die letzte Phase beschreibt den Weg zu einem "Neuen Selbst- und Weltbezug". Sie ist nach Kasts Phasenmodell der Abschluss der Trauerarbeit. Begonnen werden kann der Schritt erst, nachdem du alle aufkommenden Gefühle durchlebt und ausgedrückt hast. Es ist wichtig, dass du dich von der verstorbenen Person oder dem Verlust anderer Art verabschiedet hast. So kannst du nun innerlich Ruhe und Frieden finden. Die Erinnerungen an die Verstorbenen leben weiter, aber auch dein Leben geht weiter. Mit der Zeit wird es dir einfacher fallen, wieder eigene Pläne zu schmieden und deinen Weg weiterzugehen.
Wie man Trauernde unterstützen kann
Einfühlungsvermögen und Zuhören
Möchtest du jemanden in der Trauer unterstützen, solltest du versuchen, möglichst präsent zu sein. Frage nach, ob und wie du helfen kannst. Höre der trauernden Person zu und zeige ihr, dass alle Gefühle in Ordnung sind. Erzählt er oder sie von vergangenen Erlebnissen, ist es auch hier wichtig, einfach zuzuhören und da zu sein. Gesten sagen oft mehr als Worte. Biete der trauernden Person an, sie in den Arm zu nehmen, bringe einen Kuchen vorbei oder lade sie zum Kaffee ein. Weist dich die trauernde Person zurück, solltest du dies nicht persönlich nehmen. Mache deutlich, dass es vollkommen in Ordnung ist, wenn die Person gerade nicht mit dir reden möchte. Dieses Verständnis macht es für Trauernde oft leichter. Prof. Richter verrät uns zu der Frage: Als Angehörige*r kannst du Trauernde besonders dadurch unterstützen, dass du selbst verstehst, welche Phasen ein Mensch nach einem Verlust psychisch durchlaufen muss. Jede Person benötigt unterschiedlich lange für die Phasen, weshalb du niemals jemanden unter Druck setzen solltest.
Praktische Hilfe im Alltag
Du kannst zudem häufig damit helfen, alltägliche Erledigungen oder organisatorische Dinge für die Person zu übernehmen. Besonders die Aufgaben, die sonst der oder die Verstorbene übernommen haben, fallen Trauernden in der Regel schwer. Frage ruhig konkret nach, ob du beispielsweise etwas aus dem Supermarkt mitbringen kannst oder den Müll herausbringen sollst. Gibt es eine Beerdigung zu planen, kannst du auch hier deine Hilfe anbieten. Insbesondere in der letzten Trauerphase kannst du die trauernde Person dazu ermutigen, mit etwas zu beginnen, das ihm oder ihr langfristig im Alltag hilft. Das kann beispielsweise das Führen eines Tagebuchs, Malen, Spazierengehen, Yoga oder Meditation sein.
Umgang mit trauernden Kindern und Jugendlichen
Ebenso wie Erwachsene können auch Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Gründen trauern. Jede und jeder trauert auf seine eigene Weise. So gibt es einige Kinder und Jugendliche, die ihre Trauer verstecken, und andere, die offen darüber sprechen. Als Elternteil ist es wichtig, Kinder ihrem Alter entsprechend in den Trauerprozess einzubinden und sie zu informieren. Nur auf diese Weise wird es Kindern und Jugendlichen möglich gemacht, ihr Umfeld und sich zu verstehen und zu lernen, wie man mit solchen Herausforderungen umgeht. Prof. Richter weist darauf hin, dass Kinder keinesfalls angelogen oder verschont werden sollten. Es ist wichtig, immer die Wahrheit zu sagen. Abhängig vom Alter solltest du dein Kind also aufklären und ihm einen erlebbaren Abschied ermöglichen. Dieser könnte beispielsweise so aussehen, dass das Kind ein Bild zum Abschied malt oder einen Brief schreibt. Das Bild oder den Brief kann es dann bei dem oder der Verstorbenen mit ins Grab legen. Erlaube deinem Kind alle Gefühle und gib Erinnerungen Raum. Wichtig ist allerdings auch, Rituale und gewohnte Routinen beizubehalten. Diese geben Orientierung, Stabilität und Kontinuität. Einen geschützten Raum für ihre Trauer können Kinder und Jugendliche bei verschiedenen Angeboten der Malteser finden. Angebote wie "Trau dich Trauern" oder "Café Achterbahn" werden von ehrenamtlichen Helfer*innen der Malteser geleitet. Welche Trauerbegleitungsangebote es in deiner Nähe gibt, kannst du über die Postleitzahlensuche auf malteser.de erfahren. Auf youngwings.de wird eine Online-Beratung angeboten mit verschiedenen Foren für trauernde Kinder und Jugendliche. Auch dieses Angebot kann hilfreich sein.
Praxisnahe Tipps zur Trauerbewältigung
Den eigenen Weg durch die Trauer finden
Du solltest dich nicht zwanghaft an den Phasen festhalten. Andernfalls kann es zu einer Enttäuschung kommen, wenn du die eine oder andere Phase nicht genauso durchlebst. Offene Gespräche mit Vertrauenspersonen können dir dabei helfen, die Trauer zu bewältigen. Final ist es wichtig zu verstehen, dass jede und jeder anders trauert. Es gibt diverse Formen der Trauer, die ganz anders als das Phasenmodell ablaufen. So kann es sein, dass du beispielsweise eher in Wellen oder auf eine ganz andere Art und Weise trauerst. Jede Art der Trauer ist in Ordnung und sollte akzeptiert werden. So gibt es auch keine eindeutige Definition dafür, wie lange Trauer anhalten darf. Nimm dir die Zeit, die du persönlich benötigst. Prof. Richter erwähnt in diesem Kontext die Religion. In vielen Religionen gibt es die symbolische Zahl 6 - demzufolge wird davon ausgegangen, dass der schlimmste Teil der Trauer nach 6 Wochen beziehungsweise 42 Tagen vorbei ist.
Es ist allerdings auch hier wichtig, dass du dich nicht auf den vom religiösen Brauch gegebenen Zeitrahmen fixierst. Nicht immer ist die schlimmste Reaktion nach 6 Wochen bereits vorbei. Als groben Rahmen nennt Prof. Richter etwa ein Jahr. Sie weist allerdings explizit darauf hin, dass der Trauerprozess individuell länger andauern kann. Beispielsweise dann, wenn die verstorbene Person dir sehr nah stand. Angebote wie Trauer- und Selbsthilfegruppen können dich in deinem Trauerprozess unterstützen. In der Regel finden diese Treffen regelmäßig über mehrere Monate hinweg statt. Wo es in deiner Nähe Trauergruppen gibt, kannst du beispielsweise auf den Seiten trauergruppe.de, selbsthilfenetz.de oder verwitwet-info.de herausfinden. Es gibt zudem spezielle Angebote, wie beispielsweise Trauergruppen für Eltern, die ihr Kind vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben. Eines dieser Angebote kommt von der initiative-regenbogen.de. Trauergruppen für Suizidtrauernde kannst du unter anderem unter agus-selbsthilfe.de finden. Der Trauerprozess sollte nach Prof. Richter mit einem Gefühl der Akzeptanz enden. Das meint, dass die Situation so ist, so wie sie ist, und das muss akzeptiert werden. Du solltest versuchen, das Beste daraus zu machen. Erst mit Ruhe und Akzeptanz gibt es laut Prof. Richter wieder Boden für neues Leben.
Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Um besser mit der Trauer klarzukommen, kann es helfen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trauerbegleiter*innen sind darauf spezialisiert, dich im Trauerprozess zu begleiten und unterstützen. Trauerbegleitungen kannst du beispielsweise über den Bundesverband Trauerbegleitung e. V. finden. Merkst du, dass du mit der Trauer abgeschlossen hast, kann es helfen, auch hier eine Schlusslinie zu ziehen. Danke deinem Trauerbegleiter oder deiner Trauerbegleiterin für die Zeit und teile ihm oder ihr mit, dass du nun bereit bist, den nächsten Schritt alleine zu gehen. Lasse dir mit dieser Entscheidung genügend Zeit.
In der Regel ist es auch möglich, eine langsame Beendigung der Trauerbegleitung auszumachen. Teilweise lässt sich die Trauerbegleitung umgestalten, sodass du langfristig eine Möglichkeit für einen offenen Austausch hast. Erlaube dir Rückfälle und sei nicht hart zu dir selbst, wenn sie auftauchen. Versuche, sie als solche zu erkennen und gegebenenfalls erneut Hilfe in Anspruch zu nehmen. Akute Hilfe kannst du rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge erhalten. Die kostenfreien Telefonnummern lauten 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Zudem bietet die Telefonseelsorge anonyme und vertrauliche Beratungen per E-Mail, im Chat oder vor Ort an. Alle Informationen kannst du auf der Webseite der Telefonseelsorge finden.
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