Viele Leute kennen den Begriff “Gaslighting”, haben ihn schon einmal im Internet gelesen oder im Vorbeigehen gehört. Was genau sich hinter diesem Begriff versteckt, ist den meisten oftmals nicht klar. Wir erklären was Gaslighting ist, wie man dahinterkommt und was man tun kann, wenn der Partner zur Manipulation greift.
Josua Leibrich ist Psychologe und nebenberuflicher Autor. Als Einzel- und Paartherapeut arbeitet er mit verhaltens- und schematherapeutischen Methoden in Würzburg. Es ist ihm ein Privileg, Menschen zu einem positiven Selbstverständnis zu führen und gemeinsam innovative Wege zu einzuschlagen. Homepage.
Was ist Gaslighting?
In der Psychologie ist Gaslighting eine Form der psychischen Gewalt beziehungsweise des psychischen Missbrauchs. Man spricht auch von invalidierender Kommunikation. Wenn ein Mensch versucht einen anderen Menschen zu verunsichern und zu manipulieren, um so dessen Realitätsbewusstsein zu schädigen und er oder sie an seiner Wahrnehmung zweifelt, dann ist das Gaslighting. Die Opfer werden häufig bis zum völligen Zusammenbruch getrieben und verlieren meist komplett ihr Selbstvertrauen. Wie macht man das? Durch Lügen, verdrehte Wahrheiten und Unterstellungen.
Gaslighting ist eine Form psychologischer/emotionaler Manipulation, bei jener der Gasligther wiederholt die Realitätswahrnehmung des Gasligthees anzweifelt. Gaslighting bewirkt, am eigenen Verstand, den Erinnerungen sowie dem eigenen Urteilsvermögen zu zweifeln.
Ein Beispiel des Gaslightings
Man legt seinen Schlüssel jeden Tag immer an die gleiche Stelle: Auf das Regal neben der Eingangstür. In letzter Zeit ist er da aber nicht mehr aufzufinden. Erst denkt man sich nichts dabei, aber mit der Zeit wird man misstrauisch. Man fragt seinen Partner, ob er oder sie den Schlüssel immer woanders hinlegt und bekommt ein “Nein” zu hören. Es passiert aber immer wieder und mit der Zeit zweifelt man immer mehr an sich selbst, bis man irgendwann zu dem Beschluss kommt, dass man den Schlüssel wohl doch neuerdings immer woanders hinlegt. Tatsächlich aber war es der Partner, der den Schlüssel verlegt und andauernd gelogen hat.
Woher kommt der Begriff “Gaslighting”?
“Gaslighting” wird aufgrund des fast gleichnamigen Theaterstücks von 1938 – Patrick Hamiltons “Gas Light” - als solches bezeichnet. In dem Stück versucht ein manipulativer Ehemann durch Lügen und Unterstellungen seine Frau in den Wahnsinn und die Nervenheilanstalt zu treiben, damit er an ihr Erbe gelangt. Nachdem das Stück 1944 verfilmt wurde und an Popularität gewann, schaffte es “Gaslighting” von Hollywood in die Psychologie.
Häufig ist das bewusste oder auch unbewusste Motiv des Gaslighters, Kontrolle und Macht in der Beziehung zu erhalten oder den Partner zu einem gewünschten Vorhaben zu manipulieren. Dabei beeinträchtigt es das Selbstvertrauen sowie psychische Gesundheit des Gaslightees, kann bei intensiver Form sogar das Leben in verheerendes Ausmaß beeinflussen, wie es auch im Begriffsursprung des Theaterstücks von Patrick Hamilton aus dem Jahr 1938 skizziert wird.
Gaslighting erkennen
Nun da wir wissen, was man unter Gaslighting versteht, wie kann man es erkennen? Nicht jede Lüge ist gleich manipulativ, nicht jeder Streitpunkt oder vergessene Schlüssel fällt sofort unters Gaslighting. Um zu verstehen, wie man diese Art Manipulation am besten erkennt, müssen wir noch einen anderen Begriff erklären: Narzissmus. Der Narzisst geht gerne Hand in Hand mit Gaslighting und obwohl nicht jeder Mensch, der manipuliert, gleich psychisch krank ist, ist Gaslighting des Narzissten liebste Methode.
Gaslighting kann man an einem Großteil an Verhaltensmustern erkennen, die in der Beziehung zum Gaslighter auftreten: Zweifel an der eigenen Wahrnehmung, Verwirrung, Abwertung sowie Invalidierung und Schuldzuweisung vom Gasligther ausgehend, Isolation von anderen durch den Gaslighter, als Gaslightee das offensichtlich schädlichen Verhalten eines Gaslighters zu rechtfertigen z.B. weil man nach großer Anerkennung des Gaslighters anstrebt, Verlust von Selbstvertrauen, Verlust der Kontrolle über eigene Gedanken und Gefühle.
Was versteht man unter Narzissmus?
Genau wie Gaslighting ist Narzissmus ein Begriff, den man manchmal hört, aber oft nicht weiß, was genau gemeint ist. Psychologisch gesehen gehört Narzissmus zu unseren Persönlichkeitsmerkmalen, genauso wie die Augenfarbe oder die Größe. Die meisten Menschen haben ein gesundes Mittelmaß an Narzissmus und Selbstbewusstsein. Wer jedoch darüber hinausschießt, könnte es mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung zu tun haben. Diese drückt sich durch einen krankhaften Wunsch nach Anerkennung und Bewunderung aus. Das führt dazu, dass Narzissten ihre Mitmenschen schamlos ausnutzten und sie kleinmachen, um sich groß zu fühlen. Empathie verspüren sie oftmals nicht, denn die Gefühle des anderen sind nicht so wichtig. Das soll nur eine vereinfachte Erklärung darstellen, denn Narzissmus ist ein komplexes und vielschichtiges Krankheitsbild.
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Gaslighting ist ein breitgefächertes Gebiet, das sich unterschiedlich ausdrückt. Wie erkennt man dann, ob man manipuliert wird? Wir haben 5 Merkmale und Anzeichen für Gaslighting gesammelt:
- Wahrnehmung wird in Frage gestellt: Sätze, wie “Du bist verrückt” oder “Das bildest du dir nur ein” werden hier benutzt, um Unsicherheit zu schaffen.
- Unterstellungen: Um jegliche Schuld von sich wegzunehmen, verwenden “Gaslighter” gerne Phrasen wie: “Du hast doch damit angefangen” oder “Das ist alles deine Schuld!”
- Isolation: Oftmals behaupten manipulative Menschen, dass das Verhalten des Partners unnormal ist. “Das findet sonst niemand schlimm.” oder “Du bist gerade so peinlich.” werden hier gerne verwendet. So werden die Opfer von dem Rest der Gesellschaft isoliert und sind immer mehr vom Partner abhängig.
- Unwahrheiten: Gerne erzählen Gaslighter falsche Geschichten, um ihre Partner so in ein negatives Licht zu stellen. So werden sie auch von der Außenwelt nicht mehr ernst genommen und Freunde und Familie trauen dem Gaslighter mehr als dem Opfer.
- Kontrolle und Drohungen: Diese manipulativen Menschen wollen nur eins: Komplette Kontrolle über ihren Partner. Auch vor direkten Drohungen scheuen sie sich nicht: “Dir glaubt ja eh keiner, wenn du es erzählst” oder “Wenn du dich an jemanden wendest, wird es Konsequenzen geben!”.
Kann man zwischen unterschiedlichen Formen an Gaslightern unterscheiden, mag Gaslighting nicht immer offensichtlich sein oder sich erst später entwickeln. U.a. ist das „Love-Bombing“ eine Strategie, durch starkes und positives Umwerben des Gaslightees einen engen Vertrauensbezug zu sich aufzubauen. Der Gaslightee versteht den Gaslighter als wohlwollenden und liebenden Partner mit guter Absicht. Wenn dann Gaslighting auftritt, wird es häufig als eine berechtigte Kritik oder gut gemeintes Feedback verstanden.
Gaslighting und Online-Dating
Auch beim Online-Dating kann Gaslighting vorkommen. Gerade weil Du die andere Person zunächst nur digital kennst, fällt es oft schwer, Manipulation sofort zu erkennen. Jemand kann zum Beispiel widersprüchliche Aussagen machen oder deine Wahrnehmung infrage stellen, um Kontrolle zu gewinnen. Bleib wachsam und setze klare Grenzen – deine Sicherheit steht an erster Stelle.
Was kann man gegen Gaslighting tun?
Der wichtigste Schritt wurde schon gemacht: Man hat erkannt, dass man Opfer von Gaslighting ist. Nur wie kommt man wieder davon weg? Wir haben noch 3 weitere Schritte zusammengestellt:
- Hilfe suchen: Man sollte noch verbliebenen Freunden oder Familienmitgliedern erzählen, was los ist. Sie können einen beraten und unterstützen, sodass man aus dem Teufelskreis der Manipulation herauskommt.
- Kontaktabbruch: Das klingt einfacher, als es in Wirklichkeit ist. Je nach Länge der Beziehung kann die Isolation von Freunden und Familienmitglieder schon sehr ausgeprägt sein. Jedoch ist der Kontaktabbruch essentiell, um wieder ein normales Leben führen zu können.
- Professionelle Hilfe: Opfer von Gaslighting haben oft schwere psychische Manipulation durchgemacht. Damit man diese richtig verarbeiten und hinter sich bringen kann, bedarf es meist therapeutischer Unterstützung.
Wer starken Verdacht schöpft, betroffen zu sein, sollte nicht alleine damit bleiben. Am besten dokumentiert man potenzielle Gaslighting-Situationen sachlich und reflektiert, ob man sich seit der Partnerschaft zugunsten des Gaslightings verändert hat. In einem wertefreien Raum sollte man mit Außenstehenden und anderen Vertrauenspersonen als dem Gaslighter solche Situationen oder Veränderungen besprechen. In schwerer Betroffenheit empfiehlt es sich sogar, professionelle Behandler aufzusuchen und Gaslighting als Einflussfaktor in Betracht zu ziehen. Denn sogar unter dem Augenschein einer Depression kann Gaslighting als Ursache übersehen werden, und Gaslightees zweifeln natürlicherweise als Betroffene, das Problem dem Gaslighter zuzuordnen.
Auch temporärer Abstand oder sogar eine Trennung kommt infrage, wenn sich über längere Zeit keine Veränderung oder Klärung bieten lässt und man selbst negativ beeinflusst wird. Vor allem Grenzen zu ziehen und zumindest für eine Zeit Abstand zu nehmen kann helfen, die Beziehung besser und nüchterner einzuordnen und bei tatsächlichem Gaslighting sich dem schädlichen Einfluss zu entziehen.