- Wildunfälle machen fünf Prozent aller Straßenverkehrsunfälle aus
- Wildtiere können Geschwindigkeiten nicht einschätzen
- Fotos nach dem Wildunfall sind wichtig
- Auf jeden Fall die Polizei informieren
- In zehn Jahren keine Wildunfälle mehr?
In den Abend- und frühen Morgenstunden, im Frühjahr, Herbst und Winter ist höchste Konzentration beim Autofahren auf Landstraßen gefordert, um unfallfrei ans Ziel zu gelangen. Grund ist der verstärkte Wildwechsel zu diesen Zeiten. Eine Zahl vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt die Dramatik: Alle zwei Minuten kollidiert ein Auto mit einem Tier. Meistens überstehen die Fahrenden den Unfall unverletzt. Dabei müssen Wildunfälle überhaupt nicht sein, wie Unfallforscher Siegfried Brockmann feststellt.
Wildunfälle machen fünf Prozent aller Straßenverkehrsunfälle aus
Wildunfälle, also Kollisionen, bei denen am Fahrzeug Schäden durch Ausweichen oder den Zusammenstoß mit einem Tier (Haarwild) entstehen, machen etwa fünf Prozent aller Straßenverkehrsunfälle aus.
Alle zwei Minuten kollidiert ein Auto mit einem Tier: Jedes Jahr meldet der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) rund 265.000 Wildunfälle. Allerdings ist die Gefahr eines Wildunfalls übers Jahr ungleich verteilt: Besonders hoch ist das Risiko in den Monaten April und Mai und von Oktober bis Dezember. Vor allem zwischen 6 und 8 Uhr morgens. Im Jahr 2020 kamen dabei über 2.600 Menschen zu Schaden, sieben Fahrzeuginsassen verunglückten tödlich.
Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) kommen jedes Jahr mehr als eine Million Wildtiere bei Unfällen ums Leben. Den größten Anteil bei Wildunfällen in Deutschland hat das sogenannte Rehwild. Damm- und Rotwild sind dagegen am wenigsten in Unfälle verstrickt. Unfälle mit Wildschweinen nehmen laut DJV weiter stark zu.
Ungeahnte Kräfte werden freigesetzt
Der ADAC hat bei einem Crashtest mit einem 180 Kilogramm schweren Wildschwein-Dummy gezeigt, welche enormen Kräfte auf das Fahrzeug und die Insassen bei einem Wildunfall einwirken. Stößt ein Auto bei Tempo 60 mit einem Wildschwein zusammen, hat das Tier das Gewicht eines Nashorns: 3,5 Tonnen. Ein Rothirsch wird sogar so schwer wie ein Elefant. Und das bei einem relativ geringen Tempo von 60 km/h.
Die meisten Wildunfälle ereignen sich auf Landstraßen, wo die Autofahrer deutlich schneller unterwegs sind. Dementsprechend hoch sind auch die Anhaltewege. Die größte Gefahr für Autofahrer bei Wildunfällen geht aber nicht vom Tier aus. Der Gegenverkehr ist der größte Risikofaktor. Die Gute Nachricht: Beim Zusammenprall mit einer Dummy-Wildschwein-Rotte bei Tempo 80, blieb die Fahrgastzelle stabil.
Wichtig: Der Fahrer versuchte beim Test nicht auszuweichen, stieg aber voll in die Bremsen und hielt stur die Spur. Unkontrolliertes Ausweichen dagegen könnte mit einer Kollision gegen Baum oder Gegenverkehr tödlich enden.
Wildtiere können Geschwindigkeiten nicht einschätzen
Vorausschauendes Fahren und erhöhtes Gefahrenbewusstsein helfen dabei, Wildunfälle zu vermeiden. Die Tiere überqueren besonders häufig in Waldabschnitten und an Feldrändern die Straßen. Und das vor allem in den Abend- und frühen Morgenstunden während der Dämmerung. Wichtig für Autofahrerinnen und Autofahrer: Fuß vom Gas, Geschwindigkeit reduzieren und immer bremsbereit sein.
Wildtiere können die Geschwindigkeit von Autos nicht einschätzen und warten nicht am Fahrbahnrand, bis du vorbeigefahren bist. Auch, wenn das Tier dich sieht, kann es trotzdem unmittelbar vor deinem Auto auf die Straße springen. Besonders gefährlich sind Straßen durch Waldgebiete.
Wenn du also ein Tier am Straßenrand entdeckst: Schalte das Fernlicht aus, um das Tier nicht zu blenden – dadurch bleibt es nämlich stehen. Hupen hilft, das verscheucht das Wild in den meisten Fällen. Achtung: Wildtiere sind meistens nicht allein unterwegs. Einem Tier könnten weitere folgen.
Fotos nach dem Wildunfall sind wichtig
Konkrete Verhaltenstipps geben der GDV und der Deutsche Jagdverband (DJV) nach einem Wildunfall: Du solltest die Unfallstelle unbedingt sichern, das Warnblinklicht einschalten, ein Warndreieck aufstellen, deine Warnweste anziehen und die Polizei benachrichtigen. Ein verletztes oder getötetes Tier solltest du nicht anfassen. Um das Bergen des Tieres kümmern sich Zuständige der Forstwirtschaft oder ein Jagdpächter. Allenfalls solltest du tote Tiere mit Handschuhen anfassen, um sie möglichst weit von der Fahrbahn wegzuziehen.
Aber damit der Regel noch nicht genug: In jedem Fall solltest du Abstand zu lebenden Tieren halten. Wild im Kofferraum mitzunehmen, ist keine gute Idee. Denn: Schnell kommst du in den Verdacht der Wilderei und die ist strafbar. Einem geflüchteten Tier solltest du nicht folgen. In der Unfallmeldung gegenüber der Polizei solltest du außerdem die Fluchtrichtung des Tieres mitteilen. So kann der Jäger oder die Jägerin das verletze Tier leichter finden. Des Weiteren ist es sinnvoll, Handy-Fotos vom Unfallort machen, und zwar vom toten oder verletzten Tier und vom Fahrzeug. Fotos sind immer hilfreich für eine schnelle Schadenbearbeitung bei der Versicherung. Wenn möglich, solltest du dir eine Wildunfallbescheinigung von der Polizei, Förster oder Jagdpächter ausstellen lassen. Und nicht vergessen: Die Versicherung anrufen, bevor die Wildspuren beseitigt sind oder das Fahrzeug repariert, verschrottet oder verkauft ist.
Vor besonderen Gefahren wie etwa Wildwechselstellen oder Gegenden mit hoher Wilddichte sollte das Verkehrszeichen "Wildwechsel" angebracht sein. Fehlt der Hinweis auf die Gefahrenstelle, besteht die Chance, dass die zuständige Straßenbehörde für den Wildschaden aufkommt.
Auf jeden Fall die Polizei informieren
Wenn du nach einem Wildunfall einfach weiterfährst, liegt der Tatbestand der Fahrerflucht nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB) nicht vor. Denn Wildtiere sind gesetzlich betrachtet "herrenlose Sachen" und sind weder Unfallbeteiligte noch Geschädigte.
Da Wildtiere niemandem persönlich gehören, liegt in diesem Fall keine Sachbeschädigung vor. Lässt du ein verletztes Tier einfach auf der Straße liegen, ist das ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Und für Tierquälerei sieht das Gesetz Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro vor.
Es ist also in jedem Fall empfehlenswert, den Wildunfall unbedingt der Polizei zu melden. Die wiederum informiert dann die zuständige Försterin oder den Förster, gegebenenfalls auch die Jagdpächterin oder den Jagdpächter.
Welche Versicherung zahlt den Wildunfall?
Wie die Daten des GDV weiter zeigen, sind die Reparaturen nach Wildunfällen teuer: Für einen Unfall zahlten die Versicherungen 2022 im Durchschnitt 3.600 Euro. Einer der Hauptkostenfaktoren: Die hohen Preise für Karosserieteile, die nach Wildunfällen häufig auszutauschen sind. Insgesamt kosteten Wildunfälle die Autoversicherungen im vergangenen Jahr rund 950 Millionen Euro.
Nach Wildunfällen entschädigt die Voll- bzw. Teilkaskoversicherung: Schäden am eigenen Fahrzeug, die durch Haarwild – wie Rehe und Wildschweine – verursacht sind, begleicht die Voll- bzw. Teilkaskoversicherung. Weitere Informationen dazu gibt etwa der Marktführer Allianz.
Einige Versicherungen haben ihren Schutz in der Teilkasko zusätzlich auf Unfälle mit bestimmten weiteren oder auch Tieren aller Art ausgeweitet. Auf den persönlichen Schadenfreiheitsrabatt hat ein Wildschaden üblicherweise keinen negativen Einfluss.
Zwei Sicherheitssysteme im Test
Der ADAC hat nicht nur einen Crashtest mit einem Wildschwein-Dummy durchgeführt, sondern zusätzlich geprüft, in welchem Umfang moderne Assistenzsysteme im Fahrzeug helfen, Wildunfälle zu verhindern. Für den Test wurden zwei Fahrzeuge (Volkswagen T-Cross und Mitsubishi Eclipse Cross) mit Notbremsassistenten ausgewählt und deren Reaktion auf ein querendes Wildschwein-Dummy getestet.
Notbremsassistenten sind seit 2022 für neue Fahrzeuge Pflicht. Bislang sind sie aber meistens nur für die Erkennung von Fahrzeugen, Fußgängern und Radfahrern optimiert. Doch gerade die häufig verbauten Radarsensoren könnten bei Dunkelheit oder Nebel ihre besonderen Stärken auch bei der Erkennung von Tieren ausspielen. Zwar können die Assistenzsysteme im Volkswagen T-Cross und Mitsubishi Eclipse Cross den Aufprall nicht verhindern, in einigen Situationen gab es aber eine Warnung und der Bremsvorgang wurde unterstützt.
Außerdem stellte sich das ADAC-Test-Team die Frage, ob und wie ein Nachtsichtassistent (beispielsweise im Peugeot 508) zur Unfallvermeidung beitragen kann. Nachtsicht-Systeme erkennen mit Infrarotsensoren die Wärmestrahlung von Fußgängern oder Tieren. Gibt es eine entsprechende Anzeige, kannst du frühzeitig warnen, etwa mit deiner Hupe, oder bremsen. Im Funktionstest bei Nacht konnte der Assistent des Peugeot 508 überzeugen.
In zehn Jahren keine Wildunfälle mehr?
Sind Wildunfälle zu verhindern? Ja, sagt Unfallforscher Siegfried Brockmann. Seine Prognose: In zehn Jahren keine Wildunfälle mehr. Das hat allerdings eine Voraussetzung: Alle beteiligten Fahrzeughersteller, Politik und Autofahrer setzen konsequent auf Technik. Und das ist: Infrarotsensoren oder Kameras, die Weiterentwicklung der Software im Auto könnte vor Wild im Seitenraum warnen – und das sogar bei Nacht. Hinzu kommt die automatische Notbremsung.
Lesetipp: Autofahren bei Nebel – Welche Regeln gibt es und wie kommst du sicher ans Ziel?