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Benzinpreise

Spritparadox: Warum Autofahrer trotz hoher Spritpreise weiter Gas geben

Deutsche Autofahrer fahren trotz des gestiegenen Spritpreises weiterhin gerne schnell. Warum das so ist, was Branchenverbände fordern und wann mit Entspannungen zu rechnen ist.
Trotz Rekordpreisen für Benzin und Diesel: Deutsche ändern ihr Fahrverhalten nicht. Symbolbild. Symbolfoto: Oliver Berg/dpa

Die Inflationsrate ist innerhalb eines Jahres von 2,3 Prozent auf zwischenzeitlich 7,9 Prozent gestiegen. Derzeit befindet sie sich bei 7,6 Prozent. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern machen dabei, vorwiegend, die hohen Energiepreise zu schaffen. Die steigen vordergründig infolge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine. 

Das hängt mit der wirtschaftlichen Verbundenheit Deutschlands mit Russland zusammen, sowie damit, welchen Stellenwert Erdöl in der Gesellschaft genießt. Aus Erdöl werden fossile Brennstoffe wie Diesel, Benzin und Kerosin hergestellt. Selbst Asphalt besteht zu einem gewissen Anteil aus Erdöl. Bislang hat Deutschland einen Großteil seines Erdöls aus Russland bekommen. Dasselbe gilt für Gas, das zu 55 Prozent aus Russland stammt. Bis zum Angriffskrieg war Russland, noch weit vor den USA und Kasachstan, der wichtigste Erdöllieferant Deutschlands

Russlands Angriffskrieg als Brandbeschleuniger der Inflation

Russland, als Teil der Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC), vereinbart mit Abnehmerinnen und Abnehmern bestimmte Fördermengen. Der Ölpreis ist dabei von Angebot und Nachfrage abhängig. Zudem orientiert sich der Preis an den sogenannten Inventaren. Je mehr Erdöl in Tanks vorrätig ist, desto günstiger ist das Angebot, da eine reduzierte Nachfrage besteht. Und je stärker die Inventare sinken, desto stärker steigt der Preis. Und da derzeit bereits weniger Erdöl und Gas von Russland nach Deutschland fließt, offiziell wegen eines Fehlers der Pipeline Nordstream 1, steigen auch die Preise. Expertinnen und Experten schätzen, dass der Krieg in der Ukraine 10 bis 15 Prozent des gesamten Preisanstieges ausmacht

Mit einem Sinken der Preise ist zudem ebenfalls nicht zu rechnen. Ende 2022 treten weitere Sanktionen gegen Russland in Kraft, die direkt die Abnahme von Erdöl betreffen. Trotzdem ist ein Rückgang des Energieverbrauches nicht zu erkennen, obwohl es sich um eine der effektivsten Maßnahmen Geld zu sparen handelt. Dass die Energiefrage eine der entscheidenden Faktoren bei der Preisfrage und Inflation ist, untermauern Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis).

Sie zeigen: Im direkten Vergleich des Juni 2022 mit dem Juni 2021 wird deutlich, dass der Energiepreis um 7,6 Prozent gestiegen ist, trotz Tankrabatt. Das Verbraucherportal "Clever Tanken" zeigt, dass sich der Dieselpreis pro Liter derzeit wieder bei etwa zwei Euro bewegt. Ein Anstieg um satte 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Superbenzin ist rund 20 Prozent teurer geworden. 

Trotz Preisanstieg: Deutsche verändern Tankverhalten nicht

Wer in seinem Leben bereits mit Wirtschaft oder Wirtschaftsprinzipien vertraut ist, der kennt die Regel, dass ein steigender Preis mit sinkender Nachfrage einhergeht. Benzin scheint von dieser Regel ausgenommen. Laut Statistischem Bundesamt wurde bis zum April 2022 mehr Rohöl importiert als vor der Pandemie. Damals war der Kraftstoff rund 30 Prozent billiger als heute.

Trotz des starken Anstiegs der Kraftstoffpreise hätten Autofahrerinnen und Autofahrer ihren Fahrstil nicht an die gestiegenen Preise angepasst. Das belege eine Auswertung des Navigationssystemherstellers TomTom für das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus. 
Das durchschnittliche Tempo auf deutschen Autobahnen lag im Juni bei rund 104 Kilometern pro Stunde. Verglichen mit dem Februar, vor der Sprittpreiserhöhung, in dem das durchschnittliche Tempo bei 105 Kilometern pro Stunde lag, ist das kein wirklicher Rückgang. "Zumal man bedenken muss, dass Baumaßnahmen auf den Autobahnen zugenommen haben", erklärte der Datenanalyst Ralf-Peter Schäfer von TomTom gegenüber der Tagesschau. Er ergänzte: "Die Deutschen fahren wie früher, und Geld scheint keine Rolle zu spielen."

Laut dem ökologischen Verkehrsclub VCD liege das nicht angepasste Tempo größtenteils an Firmenwagen. "Es handelt sich vor allem um Dienstwagenfahrer, die beruflich unterwegs sind und ihre Tankkarten von der Firma haben. Die müssen sich über Spritverbrauch und Spritkosten keine Gedanken machen", sagte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). So ein Verhalten wirke sich seiner Meinung nach zusätzlich als "Preistreiber" aus. Denn die wirtschaftlichen Interessen der Tankstellenbetreiber seien es, den höchstmöglichen Preis zu verlangen. Am besten funktioniere das bei Tankkartennutzerinnen und Tankkartennutzern.

"Milliardenschwere klimaschädliche Subventionen"

Ein Versäumnis seitens der Politik, findet Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD. Sie argumentiert: "Statt mutig umzusteuern, setzt das Verkehrsministerium weiterhin auf Fördermilliarden für den Autoverkehr, von einer wirklichen Verkehrswende keine Spur. Was es jetzt benötigt, ist eine klare Vorfahrt für den öffentlichen Verkehr und das Fahrrad. Der nötige Ausbau könnte finanziert werden, indem man milliardenschwere klimaschädliche Subventionen abbaut: das Dienstwagenprivileg, die reduzierte Dieselsteuer und die Entfernungspauschale. Das Beenden dieser Privilegien ist auch aus sozialer Sicht überfällig: von Ihnen profitieren vorrangig Vielfahrer und Menschen mit höherem Einkommen. Angesichts des Klimawandels und der Zunahme von Extremwetterereignissen ist klar: Je länger die Regierung untätig bleibt, desto drastischere Maßnahmen muss sie künftig ergreifen. Dann tritt genau das ein, was das Bundesverfassungsgericht in seinem Klima-Urteil bemängelt hat: Die Folgen gehen zulasten der künftigen Generationen und schränken ihre Handlungsfähigkeit ein."

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Laut der Denkfabrik Agora Verkehrswende passe sich die Nachfrage bei Kraftstoffen nur langsam an steigende Preise an. Gegenüber dem Radaktionsnetzwerk Deutschland räumt ein Sprecher ein: "In Deutschland tun sich viele beim Thema Auto schwer, sich zu verändern. Das Auto als Statussymbol spielt noch immer eine zentrale Rolle. Außerdem ist für viele Pendler das Auto ihr mobiles Wohnzimmer, wo sie Musik hören können, wo sie abschalten können."

Laut VDC gebe es dennoch Handlungsspielräume und Raum zu einfacher Veränderung des eigenen Verhaltens. "Manche Strecken können mit dem Fahrrad bewältigt werden, es gibt die Möglichkeit von Fahrgemeinschaften, und Fahrten lassen sich intelligent bündeln", schildert ein Sprecher des VDC gegenüber dem RND. Der ADAC etwa empfiehlt kürzere Strecken mit dem Fahrrad zurückzulegen

Zudem lässt sich bereits mit vorausschauendem Fahren und niedriger Drehzahl Sprit und damit auch Geld sparen. Außerdem sollten Alternativen zum Auto weiter gestärkt werden. Der ÖPNV müsse etwa genauso einfach nutzbar sein, wie das eigene Auto.  Diese Maßnahmen haben vor allem das Ziel, den Klimaschutz zu verbessern und gleichzeitig die Inflation zu bekämpfen. Auf absehbare Zeit ist nicht mit einem Rückgang der Kraftstoffpreise zu rechnen, auch aufgrund der Sanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland.

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