• Unterschied zwischen Neuwagen und Gebrauchtwagen
  • Standzeit beim Autohändler und ihre Auswirkungen
  • Rechtliche Definition und Urteile zu Neuwagen

Der Auto Club Europa (ACE) in Stuttgart ist einer spannenden Frage nachgegangen: Neuwagen oder doch Gebrauchter – wie lange gilt ein Auto als neu? Eins ist klar: Kaufst du einen Neuwagen, dann erwartest du, und das völlig zurecht, dass (1) das Fahrzeug neuwertig ist, du (2) die maximale Laufzeit der Neuwagengarantie des Herstellers bekommst und (3) die gesetzliche Gewährleistung komplett greift. Oft erfährst du, mal ganz so nebenbei, dass das Fahrzeug Monate auf dem Hof stand und schon eine Tageszulassung hatte. Ist das Fahrzeug dann wirklich noch ein Neuwagen? Und: Wie steht es um die Gewährleistung und Garantie? 

Wenige Kilometer auf dem Tacho spricht nicht gegen Neuwagen

Der ACE bezieht sich schon gleich eingangs in seinem Statement auf die Regelungen, die der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Urteilen entwickelt hat. 

  • Ein Neuwagen ist ein fabrikneues Fahrzeug ohne Vorbesitzer*in, 
  • zwischen der Herstellung des Fahrzeugs im Werk und Abschluss des Kaufvertrages dürfen nicht mehr als 12 Monate vergangen sein,
  • zwischenzeitlich darf es bei deinem Fahrzeugtyp kein Modellwechsel durch den Hersteller gegeben haben und
  • durch die Standzeit beim Händler sind keine Mängel entstanden.

Heißt also: Steht dein Fahrzeug nach seiner Fertigung 11 Monate auf dem Hof des Autohauses – ohne dass dabei ein Schaden entstand, ist es immer noch als Neufahrzeug zu verkaufen. Vorausgesetzt, es gibt beim Automobilhersteller keinen technischen Nachfolger.

Jeder Wagen wird zumindest über kurze Strecken bewegt, bis er beim Händler steht und hat deshalb schon ein paar Kilometer (10 Kilometer gelten als normal) auf dem Tacho. Das stört aber weiter nicht. Wenn allerdings der Kaufvertrag nach mehr als zwölf Monaten nach der Herstellung abgeschlossen ist, dann sieht die Sache anders aus. Es handelt sich dann nicht mehr um einen Neuwagen, der zum Verkauf kommt.

BGH klärt den Begriff Neuwagen

Diese Kriterien hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor zwanzig Jahren, also 2003, entwickelt (Urteil: BGH vom 15.10.2003, Az.: VIII ZR 227/02). Konkret ging es damals um einen Käufer, dessen als Neuwagen angebotenes Auto bereits 19 Monate Standzeit hinter sich hatte. Nach der Feststellung des BGH mindert eine lange Standdauer beim Händler oder Hersteller den Wert eines Fahrzeugs.

Mit dem Urteil beendete der BGH eine uneinheitliche Rechtsprechung - die Oberlandesgerichte (OLG) waren bei der Fabrikneuheit von Fristen zwischen acht und 30 Monaten ausgegangen. Nach den Worten des VIII. Zivilsenats ist die Lagerdauer ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Wertschätzung eines Autos.

"Das Kraftfahrzeug unterliegt einem Alterungsprozess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt." Der Zustand des Wagens verschlechtere sich mit fortschreitender Zeit durch Materialermüdung und Oxidation. "Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen vermag dies nur zu verlangsamen, aber nicht zu verhindern", heißt es im Urteil. 

Ausstellungsfahrzeuge sind für Gerichte nicht neuwertig

Gebrauchsspuren wie Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen beim Auto reichen, um es nicht mehr als Neuwagen zu bezeichnen. Ein Ausstellungsfahrzeug ist demnach kein Neuwagen, da es Show-Zwecken diente und von Interessenten angefasst und "probegesessen" wurde. 

Das Amts­ge­richt (AG) Mün­chen (Urteil: AG München vom 17.12.2021, Az.: 271 C 8389/21) ver­ur­teil­te des­halb einen gro­ßen schwä­bi­schen Au­to­mo­bil­her­stel­ler, den für einen Sport­wa­gen be­reits ge­zahl­ten Kauf­prei­s von 1.000 Euro an die Klä­ge­rin zu­rückzuer­stat­ten. Zugelassen oder gefahren worden war das Fahrzeug nicht.

Die Käuferin hatte Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen etwa an den Einstiegsleisten festgestellt. Die Klägerin meinte, sie habe anstatt eines fabrikneuen ein gebrauchtes Fahrzeug erhalten. Der ihr übergebene Wagen sei bereits benutzt und darüber hinaus auch beschädigt. Man habe ihr beim Kauf gesagt, dass sie ein Lagerfahrzeug kaufe, das noch aus einer anderen Niederlassung zu überführen sei. Davon, dass dieses dort auch ausgestellt worden sei, habe sie jedoch nichts gewusst. Sie forderte daher eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 5.000 Euro, bekommen hat sie wie gesagt 1.000 Euro.

Vorführwagen ist ein Gebrauchter

Vorführwagen sind nicht als Neuwagen zu verkaufen, da sie bereits auf den Händler zugelassen und in der Regel für Probefahrten von Kund*innen genutzt wurden. War ein fabrikneues Fahrzeug bereits auf den Händler zugelassen und der Tacho zeigt mehr als zehn Kilometer an, gilt es als Vorführwagen. Kauft ein Kunde einen Vorführwagen, kann er nicht davon ausgehen, einen Neuwagen zu kaufen – auch wenn die Erstzulassung erst kurze Zeit zuvor erfolgte und die Laufleistung gering ist. Dieses Urteil sprach das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (Urteil OLG vom 25.5.2021 Az. 3 U 3615/20).

Im Gespräch mit dem Händler erfuhr der Kunde, dass es sich bei dem Angebot nicht um einen Neuwagen handelte, sondern um einen Vorführwagen. Der Händler korrigierte entsprechend das Angebot. Als der Interessent das Fahrzeug dann verbindlich bestellte, trug der Kaufvertrag den Titel "Gebrauchtwagen-Bestellung" eines Vorführwagens.

Später erfuhr der Käufer, dass das Fahrzeug deutlich älter war. Er fühlte sich getäuscht, da er der Ansicht war, dass bei einem Alter von rund 1,5 Jahren der Wagen kein Vorführ- und Neuwagen mehr sei und ein Sachmangel vorliege. Deshalb wollte er vom Kaufvertrag zurücktreten. Das sah das Gericht anders. Denn im Verkaufsgespräch hatte der Händler den Käufer mehrfach darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Angebot um einen Vorführwagen handelte.

Tageszulassung ist als Neuwagen zu werten

Bei einer Tageszulassung meldet ein Autohändler oder Hersteller einen zu verkaufenden Neuwagen für einen einzigen Tag bei der Zulassungsstelle an. Das Ganze findet lediglich auf dem Papier statt, das Fahrzeug wird nicht bewegt. Deshalb hat das Fahrzeug oft einen Kilometerstand von weniger als zehn.  

Ein Fahrzeug mit Tageszulassung hat zwar genau genommen einen Vorbesitzer, gilt in der Regel aber als Neufahrzeug – vorausgesetzt es hat keine Mängel und zwischen Zulassung und Verkauf liegen höchstens 12 Monate (Urteil: BGH vom 12.1.2005, Az.: VIII ZR 109/04). In diesem Fall gelten Fahrzeuge mit Tageszulassung als Neuwagen

Aber Achtung: Eine Tageszulassung kann – je nach Hersteller – Auswirkungen auf die Laufzeit der Neuwagengarantie haben. Wird das Fahrzeug erst Monate später verkauft, verkürzt sich die Garantiefrist um diesen Zeitraum. Am besten fragst du den Händler nach den Garantiebedingungen. Fahrzeuge mit Tageszulassungen müssen zudem nach der erneuten Zulassung anders als Neuwagen nicht nach drei Jahren, sondern bereits nach zwei Jahren zur Hauptuntersuchung (HU).

Gewährleistung verkürzt Garantiezeit bei gebrauchten Fahrzeugen auf ein Jahr

Ob es sich um einen Neuwagen oder einen Gebrauchtwagen handelt, ist für die Laufzeit der freiwilligen Herstellergarantie wichtig. Zwei Jahre Neuwagengarantie sind bei deutschen Autoherstellern üblich. Dass da noch Spielraum ist, zeigt der Blick des ADAC auf ausländische Hersteller. Dort gibt es meist vier Jahre, bei asiatischen Unternehmen sogar oft bis zu sieben Jahre Herstellergarantie.

Neben der Herstellergarantie ist die gesetzliche Gewährleistungsfrist wichtig. Jeder Händler muss zwei Jahre Gewährleistung (auch Mängelhaftung genannt) auf Neuwaren und zwölf Monate auf Gebrauchtwaren einräumen. Dazu ist er gesetzlich verpflichtet (§§ 437, 438 Bürgerliches Gesetzbuch).

Wurde ein Fahrzeug als "fabrikneu" verkauft, aber im Nachhinein stellt sich heraus, dass es sich nicht um einen Neuwagen im eigentlichen Sinn handelt, kannst du als Käufer*in gesetzliche Gewährleistungsrechte geltend machen. Dazu zählen Minderung – also ein vergünstigter Preis aufgrund einer mangelhaften Vertragsleistung – ebenso wie Rücktritt vom Kaufvertrag oder Schadensersatz

Fazit: Gerichte schaffen im Begriffsdickicht Klarheit

Neuwagen, Fabrikneu, Ausstellungsfahrzeug, Vorführwagen, Tageszulassung – mit diesen Begriffen jonglieren Autohändler, um den Verkauf von Fahrzeugen anzukurbeln. Du als Käufer*in solltest dich davon nicht verwirren lassen. Das setzt voraus, dass du weißt, was sich dahinter verbirgt. Die Gerichte haben sich nicht lumpen lassen und die Begriffe und deren Inhalt geklärt. Eine verdienstvolle Arbeit, hilft sie doch dabei, dass dir kein Autohändler mehr was vormachen kann.

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