Der ADAC führt regelmäßig Tests durch, in denen Reifen hervorragende Ergebnisse erzielen. Allerdings beziehen sich diese Resultate ausschließlich auf fabrikneue Pneus, wie der jüngste Sommerreifentest des ADAC aus dem Jahr 2024 bestätigt.

Um zu analysieren, inwiefern sich die Fahrleistung der Reifen nach zahlreichen gefahrenen Kilometern und abgenutztem Profil ändert, hat der ADAC erstmalig sechs Reifen, die in vorherigen Tests als "gut" bewertet wurden, unter realistischen Bedingungen bei feuchter und schneebedeckter Fahrbahn genauer unter die Lupe genommen. Einige der dabei erhaltenen Resultate sind besorgniserregend.

ADAC-Reifentest: Aufbau und aufwendige Versuchsanordnung

Als aufwendig erwies sich die Versuchsanordnung, die sich die Testenden ausgedacht haben. Die sechs Reifenmodelle der Größe 205/55 R16 H wurden per Konvoifahrt im Realverkehr mit einem Golf VII auf eine Profiltiefe von 2,5 Millimetern abgefahren (schlechteste Rille). Dem zweiten Pneu-Satz ging es per Schleifmaschine ans Gummi. Entsprechend der ETRTO-Vorgabe (Europäische Reifen- und Felgen- und Sachverständigenorganisation) erhielt der dritte Reifensatz einen maschinellen Abschliff auf 2,0 Millimeter.

Die Ergebnisse sind teilweise erschreckend und zeigen, dass Profiltiefe und Zustand der Reifen die Sicherheit deutlich beeinträchtigen. Im Durchschnitt verlieren die verschlissenen Reifen, wird der gleiche Maßstab angesetzt wie bei Neureifen, rund 1,5 bis 2,5 Noten gegenüber den Pneus mit voller Profiltiefe und schneiden nur noch mit "befriedigend" bis hin zu "mangelhaft" ab.

Zwar vermitteln die Reifen im Alltag immer noch ein sicheres Gefühl, da die Bremswege kurz sind. Aber das Gefühl ist trügerisch. Reifen mit geringer Profiltiefe übertragen Querkräfte bzw. die Kombination aus Quer- und Längskräften deutlich schlechter. Konkret: Bei Kurvenfahrten können Autofahrer*innen viel früher die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren. Bei plötzlich auftretendem Aquaplaning in der Kurve ist das Fahrzeug kaum beherrschbar. Reifen, die bereits im Neuzustand nur mäßig abschnitten, können im teil abgefahrenen Zustand ein Sicherheitsrisiko sein.

Reifen mit wenig Profil: Seitliches Aquaplaning stellt die größte Gefahr dar

Geht es darum, Querkräfte zu übertragen – wie beispielsweise bei Aquaplaning in Kurven (quer) oder auch im Nasshandling, einer Kombination aus Längs- und Querkräften –, verlieren die Reifen gegenüber ihrer Leistungsstärke mit voller Profiltiefe sehr stark und können zum Teil nur einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Fahreigenschaft abrufen. Unter dem Aspekt der Sicherheit ist dieser Abfall zwischen 50 und 78 % dramatisch. Alle Reifen verlieren 2,5 bis 3,5 Noten und sind in Qualitätsnoten umgesetzt, gerade noch "ausreichend" bis hin zum klaren "mangelhaft" eingestuft.

Dramatische Werte gibt es beim Aquaplaning quer:

  • Michelin Alpin 5: minus 78,4 %
  • Continental Winter Contact TS860: minus 77,8 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 70,6 %
  • Goodyear Ultragrip 9: minus 49,4 %
  • Yokohama BluEarth: minus 77,8 %
  • Nokian WR D4: minus 70,6 %

Beim Nasshandling, also dem Fahren auf einer nassen Straße, sind die Ergebnisse ebenfalls schlecht, aber nicht so dramatisch wie beim Aquaplaning. 

  • Michelin Alpin 5: minus 12,2 %
  • Continental Winter Contact TS860: minus 10,8 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 8,3 %
  • Goodyear Ultragrip 9: minus 5,3 %
  • Yokohama BluEarth: minus 12,3 %
  • Nokian WR D4: minus 11,0 %

Beim Kraftstoffverbrauch können die meisten abgefahrenen Schluffen sogar noch punkten: Weniger Profil bedeutet für den Reifen weniger "Walkarbeit" und das spart Sprit. (Walkarbeit: Bei dieser Bewegung reiben die Gewebelagen, aus denen sich ein Reifen zusammensetzt, immer wieder aneinander. Dies erfolgt in einem periodischen Rhythmus).

  • Michelin Alpin 5: plus 2,7 %
  • Continental Winter Contact TS860: plus 1,8 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 0,6 %
  • Goodyear Ultragrip 9: plus 2,5 %
  • Yokohama BluEarth: plus 2,7 %
  • Nokian WR D4: plus 2,3 %

Durchschnittliche Leistungsunterschiede: Verschlissen vs. volle Profiltiefe in %.

Verhalten abgenutzter Reifen auf nassen Straßen

Beim Bremsen auf nasser Fahrbahn zeigen sich ebenfalls die Schwächen abgefahrener Reifen. Der Bremstest ergibt folgendes Bild: An dem Punkt, an dem der Reifen mit neuwertiger Profiltiefe steht, fährst du mit dem gleichen, aber abgefahrenen Reifen mit knapp 35 km/h vorbei. In Noten ausgedrückt sieht das dann so aus: Beim Nassbremsen fällt die Bewertung rund 0,75 bis 3 Noten schlechter aus als bei den gleichen Modellen mit voller Profiltiefe. Im Detail bei den sechs Modellen ergibt sich folgendes Bild: 

  • Michelin Alpin 5: minus 18,2 %
  • Continental Winter Contact TS860: minus 12,4 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 16,3 %
  • Goodyear Ultragrip 9: minus 7,0 %
  • Yokohama BluEarth: minus 19,8 %
  • Nokian WR D4: minus 19,8 %

Muss ein Fahrzeug mit Aquaplaning in Fahrtrichtung kämpfen, ist der Sicherheitsverlust der abgefahrenen Reifen nicht so dramatisch wie bei der Quer-Variante. Die Sicherheitsverluste reichen aber immerhin noch von 17,3 bis 26,6 %.  

  • Michelin Alpin 5: minus 26,6 %
  • Continental Winter Contact TS860: minus 24,8 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 21,3 %
  • Goodyear Ultragrip 9: minus 17,3 %
  • Yokohama BluEarth: minus 23,0 %
  • Nokian WR D4: minus 24,9 %

Die Tests zeigen, dass die Leistungsfähigkeit der abgefahrenen Reifen nicht dramatisch abnimmt, solange es um Kräfte in Längs-, sprich Fahrrichtung geht. Es bleibt eine gewisse Restsicherheit, auf die du dich aber besser nicht verlässt.

Durchschnittliche Leistungsunterschiede: Verschlissen vs. volle Profiltiefe in %.

Abgefahrene Reifen im Schnee

Neben dem Verhalten auf nassen Straßen ging es den Testenden ebenso um das Verhalten der Reifen im Schnee. Die Messungen der Traktion* auf Schnee zeigen, dass die Reifen im verschlissenen Zustand – im Vergleich zum Neuzustand mit voller Profiltiefe – im Schnitt je nach Hersteller zwischen knapp 15 und 35 % verlieren. Im Schulnotensystem, das auch der ADAC-Reifentest verwendet, verlieren die Reifen 1,5 bis 2,5 Noten. Sie erreichen also gerade noch "befriedigend" bis hin zu "mangelhaft".

  • Michelin Alpin 5: minus 14,7 %
  • Continental Winter Contact TS860: minus 35,3 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 26,8 %
  • Goodyear Ultragrip 9: minus 17,8 %
  • Yokohama BluEarth: minus 27,3 %
  • Nokian WR D4: minus 22,4 %

*Damit ist die Fähigkeit eines Fahrzeugs gemeint, die Antriebskraft des Motors in eine Vorwärtsbewegung umzusetzen. Da die Reifen bei dieser Umwandlung eine wesentliche Rolle spielen, spricht man von einer "Traktion der Reifen").

Beim Schneebremsen sieht es ähnlich aus. Die verschlissenen Reifenmodelle büßen zwischen knapp 14 und 32 % ihrer ursprünglichen Leistung ein. In Noten wären das rund 2,5 bis 3 Noten schlechter. Bei einer Notbremsung bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h entspricht dies einer Verlängerung des Bremswegs von bis zu 3,5 Metern.

  • Michelin Alpin 5: minus 14,1 %
  • Continental Winter Contact TS860: minus 31,7 %
  • Dunlop Winter Sport 5: minus 23,1 %
  • Goodyear Ultragrip 9: minus 20,4 %
  • Yokohama BluEarth: minus 30,5 %
  • Nokian WR D4: minus 28,6 %

Durchschnittliche Leistungsunterschiede: Verschlissen vs. Volle Profiltiefe in %.

Fazit

Für Autofahrer*innen ergibt sich aus der ADAC-Studie: Beim Reifenwechsel unbedingt immer das Profil prüfen und bei Auffälligkeiten eine Werkstatt aufsuchen: Profiltiefe und Verschleißbild beeinflussen die Fahrsicherheit. Gibt es Veränderungen, die Spur überprüfen lassen. Der Reifenfülldruck sollte stimmen und ist deshalb regelmäßig zu kontrollieren. Winterreifen sind ab einer Profiltiefe von unter vier Millimetern und Sommerreifen ab einer Profiltiefe von drei Millimetern auszutauschen, so die Empfehlung des ADAC.

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