Wie die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH in folgender Pressemitteilung berichtet, stehen seit Anfang November 2023 die Straßenbahnen der Baureihe GT-N wegen eines technischen Defekts am Fahrwerk eines einzelnen Straßenbahn-Fahrzeugs dieser Baureihe aus Sicherheitsgründen vorsorglich im Depot:

 Betroffen sind 20 Straßenbahnen, das ist rund die Hälfte der Straßenbahnflotte in Würzburg. Aus diesem Grund gilt bei der Würzburger Straßenbahn GmbH zurzeit ein Ersatzfahrplan mit reduziertem Fahrplanangebot. Die gesamte Fahrzeugflotte dieser Baureihe musste aus dem täglichen Fahrbetrieb genommen werden, weil der Hersteller der Fahrzeuge die Empfehlung zur Außerbetriebnahme ausgesprochen hat.

Warum vorsorglich die gesamte Straßenbahnflotte der Baureihe GT-N außer Betrieb genommen wurde, obwohl der Schaden nur an einem Fahrzeug aufgetreten ist, erläutert Bernd Karl, Geschäftsführer der Würzburger Straßenbahn GmbH: „Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, der wir Folge leisten, bis wir vom TÜV, von der Technischen Aufsichtsbehörde und vom Hersteller grünes Licht für die Wiederinbetriebnahme der Straßenbahnen bekommen. Der technische Defekt ist an einer Radschwinge an einem der Fahrwerke aufgetreten. Wir arbeiten seit November intensiv mit allen Beteiligten an einer Lösung, um die Fahrzeuge baldmöglichst wieder im Linienverkehr einsetzen zu können. Voraussetzung dafür ist der Abschluss umfangreicher und zeitaufwendiger ingenieurtechnischer Untersuchungen, auf deren Ergebnissen dann in einem zweiten Schritt ein Konzept zur Wiederinbetriebnahme der Straßenbahnen erarbeitet wird.“

Die Straßenbahnen der Baureihe GT-N stehen zwar seit Anfang November still, im Hintergrund aber arbeiteten die Würzburger Straßenbahn GmbH und ihre Partner mit Hochdruck an der Ursachenforschung. Die defekte Fahrwerkskomponente, eine sogenannte Radschwinge, wurde in einem speziellen Werkstoffprüflabor untersucht. Parallel dazu wurden die weiteren 251 Schwingen für GT-N-Fahrzeuge von spezialisierten Werkstoffprüfern auf mögliche Mängel untersucht.

Darüber hinaus wurden zusätzlich weitere Bauteile bei einem Schweißfachbetrieb sowie beim TÜV Süd untersucht. Ein komplettes Fahrwerk wurde an den Hersteller versendet, um dort auf einem sogenannten Rollenprüfstand das Fahrwerk zu untersuchen. Zielsetzung der Untersuchungen war dabei, nicht nur die Identifizierung der möglichen Schadensursache für den Bruch der einzelnen Radschwinge, sondern auch die Identifizierung von geeigneten Prüfverfahren, die ohne Zerstörung der betroffenen Bauteile eine Beurteilung des technischen Zustands der Komponenten zulassen.

Die Ursachenforschung und die Bewertung durch die Fachexperten sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Eine konkrete Ursache konnte somit noch nicht identifiziert werden. Es zeichnet sich aber ab, dass der bei einer einzelnen Radschwinge festgestellte Bruch nicht plötzlich aufgetreten ist, sondern sich über einen längeren Zeitraum entwickelt hat.

„Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht“, sagt Bernd Karl, „denn das eröffnet die Möglichkeit, geeignete Prüfverfahren zu entwickeln, um das Bauteil möglichst im Rahmen der routinemäßigen Fahrzeuguntersuchungen spezifisch überwachen zu können. Wäre der Bruch plötzlich aufgetreten, wäre die Lage ungünstiger. Dann müssten alle Straßenbahnen solange im Depot bleiben, bis bei jedem einzelnen Fahrzeug neue Radschwingen eingebaut wären. Das würde sehr viel Zeit beanspruchen, weil es sich bei den betroffenen Radschwingen um sehr spezifische Bauteile handelt, die nicht einfach ab Lager nachbestellt werden können.

Es wären Neuanfertigungen notwendig, für die ein Lieferant gefunden werden müsste. Allein bis zur ersten Anlieferung neuer Radschwingen könnten viele Monate vergehen“. Darüber hinaus können die Untersuchungsergebnisse nach derzeitigem Stand dahingehend interpretiert werden, dass nur ein Teil der Radschwingen vorsorglich saniert werden müsste.

Das Ziel ist nun,  gemeinsam mit dem Hersteller, dem TÜV Süd und der Technischen Aufsichtsbehörde auf Basis der jetzt vorliegenden Erkenntnisse ein Konzept abzustimmen, das einerseits einen sicheren Straßenbahnbetrieb gewährleistet und andererseits die sukzessive Wiederinbetriebnahme der Straßenbahn der Baureihe GT-N ermöglicht, ohne sofort an allen Fahrzeugen alle Radschwingen austauschen zu müssen.

Das setzt unter anderem voraus, dass sich die Beteiligten in den kommenden Tagen auf ein geeignetes Prüfverfahren für die gesonderte Überwachung der Radschwingen verständigen und die Fachexperten im Rahmen der noch laufenden Materialuntersuchungen eine ausreichende Anzahl an Radschwingen identifizieren, deren sicherer Einsatz möglich ist. Anschließend müssten die als geeignet identifizierten Radschwingen gegebenenfalls aus Straßenbahnen der Baureihe GT-N ausgebaut werden, um wieder komplette Fahrzeuge mit geeigneten Schwingen zusammenstellen zu können. Pro Fahrzeug werden 12 Radschwingen benötigt.

Im Ergebnis zeichnet sich derzeit also ab, dass ein Teil der Straßenbahnen der Baureihe GT-N sukzessive wieder in Betrieb gehen könnte. Allerdings ist noch offen, wie viele Fahrzeuge durch eine solche Vorgehensweise wieder zur Verfügung stehen werden. Ziel ist es aber, diese Frage noch im ersten Quartal 2024 abschließend zu klären.

Bis auf Weiteres muss leider noch nach dem Ersatzfahrplan gefahren werden. Sobald dann die ersten Straßenbahnen der Baureihe GT-N wieder zur Verfügung stehen, soll das Angebot schrittweise wieder verbessert werden. Vorgesehen ist, zunächst den Einsatz der nicht barrierefreien Fahrzeuge (die alten DüWAG-Straßenbahnen) zu reduzieren. Danach sollen in Abhängigkeit von der Fahrzeugverfügbarkeit weitere Verbesserungen erfolgen. „In jedem Fall sehen wir Licht am Ende des Tunnels“, so Bernd Karl.

„Bis wir allerdings wieder mit einem kompletten Normalbetrieb auf allen Straßenbahnlinien rechnen können, wird es nach derzeitigem Stand leider in jedem Fall noch mehrere Monate dauern, aber wir sind optimistisch, dass wir unseren Fahrgästen in absehbarer Zeit wieder ein Stück weit mehr Fahrplankomfort bieten können. Dies gilt im Besonderen für unsere mobilitätseingeschränkten Fahrgäste, die in Richtung Sanderau unterwegs sind.“