In dem Prozess um Besitzverschaffen von Kinderpornografie (u. a.) erging am Donnerstag auf dem Amtsgericht eine 18-monatige Haftstrafe auf Bewährung gegen einen 44-jährigen Mann aus dem östlichen Landkreis. Nun wird der Mann mit Konsequenzen zu leben haben, die die Folge eines Reizes sind, den er sich nach eigenen Angaben selbst nicht erklären kann.
Ruhig saß der 44-Jährige auf der Anklagebank und blickte betreten vor sich hin. Saß hier ein Mann, der in etwas "reingerutscht" war oder blickte jemand vor sich hin, der eine vorhandene Neigung entdeckte und ihr nachging? Als Staatsanwalt Michael Koch die Vorwürfe im Einzelnen verlas, die sich ab Oktober 2015 etwas über ein Jahr lang ereigneten, sollten sich Fragen auftürmen. Zum Beispiel die, weshalb er sich während Chatverläufe als Frau ausgab, die ihre Töchter zum Sex anbot. Oder die, wie es sein kann, dass ein Vater von drei Mädchen überhaupt auf solche Gedanken verfällt.


In obskure Kreise geraten

Gerade letzter Punkt schien dem Angeklagten selbst zu schaffen zu machen. "Im Nachhinein unverständlich [...], ich kann es mir nicht erklären", so der Mittvierziger. Begonnen habe alles mit dem Videotext im Fernsehen, so der von Beginn an geständige Mann. Da die Beziehung mit seiner Frau "schlecht gelaufen" sei, habe er sich auf Videotext umgesehen, kam dann von dort auf eine Flirtplattform und irgendwann wohl in obskure Kreise. "Ich habe mich sehr allein gefühlt und so hatte ich ja jemanden zum Schreiben", betonte der Angeklagte diesen Aspekt des Chattens. Doch beim Chatten und beginnender Verbalerotik blieb es nicht, denn es sollte ein Versenden von Daten, Bildern und Videodateien beginnen, die auch Kinder im Grundschulalter beim Geschlechtsverkehr zeigten.
Das Argument der Einsamkeit, des Reinrutschens und der bloßen Neugierde ließen Richter Stefan Jäger und Staatsanwalt Michael Koch ab da nicht mehr gelten, sollten Ermittlungen zufolge doch dabei 15 Monate ins Land gehen. "Das sind gravierende Vorwürfe, aber ich versuche zu verstehen", so der Staatsanwalt, der dem Beschuldigten gleichzeitig das brutale Prinzip von Angebot und Nachfrage auseinandersetzte: "So (durch dieses Verhalten) sorgen Sie auch dafür, dass Kinder weiter missbraucht werden - ist Ihnen das klar?"


Als Frau ausgegeben

Eine pädophile Neigung zu haben, bestritt der Beschuldigte. Es seien nicht die Anblicke gewesen, die reizten, sondern "wie weit die anderen gehen wollen", wenn er sich beim Rollenspiel als Mädchen oder Frau ausgab, um Fantasien in Gang zu setzen. Auch sein Rechtsanwalt Manfred Glöckner sah die These, wonach sein Mandant keine pädophilen Neigungen habe, als gestützt an. Er verwies darauf, dass der Angeklagte auch Chatverläufe mit Frauen gehabt habe und dass sich auf seinem Handy auch "normale Pornos" befunden haben.
Im Laufe des Verfahrens sollte auch ein Polizeibeamter aussagen, der mit solchen Fällen zu tun hat. Auf Kochs Frage, ob es denn plausibel sei, dass ein Mensch "da eher zufällig reinwächst", antwortete der Mann ohne zu zögern: "Aus der Erfahrung heraus eher nicht." Um das tiefer zu ergründen, bot Richter Jäger dem Angeklagten an, das Verfahren für eine geraume Zeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen, damit er sich dem Gericht gegenüber zu den Chatverläufen öffnen und anvertrauen könne. Auf dieses Angebot ging der Mann ein und so sollte das Gericht eine halbe Stunde lang in den intimsten gedanklichen Bereich des nicht vorbestraften Familienvaters mit gutem Beruf vordringen.
Am Ende formulierte Koch in seinem Plädoyer so: "Zum Geständnis habe ich das Gefühl, er möchte abschließen - aber ein Problem (mit Pädophilie) ist da!" Koch forderte eine zweijährige Bewährungsstrafe bei dreijähriger Bewährungszeit und zwei Jahre währender Beiziehung eines Bewährungshelfers, sowie eine Geldauflage in Höhe von 3000 Euro nebst Kontaktaufnahme zu einer psychotherapeutischen Einrichtung. Glöckner plädierte auf 15 Monate Haft und somit schien das von Jäger gesprochene Urteil wie ein Kompromiss aus beiden Forderungen: 18 Monate Haft auf Bewährung, nebst dreijähriger Bewährungszeit unter einer einjährigen Aufsicht, sowie 2400 Euro Geldstrafe plus Aufsuchen einer psychotherapeutischen Fachambulanz.
Doch noch eine weitere Unannehmlichkeit wartet nun auf den Verurteilten: Er muss seinem Arbeitgeber von dem Verfahren berichten.