Ein Feuer im Wohnviertel, eine Massenkarambolage auf der Autobahn oder eine Schlägerei im Festzelt - um in solchen Situationen richtig zu reagieren, üben die Rotkreuzler ihre Einsätze mit einer Planspielplatte. Seit Dezember 2015 steht die 10 Quadratmeter große Miniaturlandschaft im Bad Staffelsteiner Katastrophenschutzzentrum des BRK. Hat sich die Anschaffung gelohnt? Tobias Eismann, Projektverantwortlicher und Leiter des Arbeitskreis Einsatzleitung, gibt einen Überblick.


Detaillierte Landschaft

Der Bau der Modelllandschaft erfolgte aus eigener Initiative, den Entschluss dazu haben die Rotkreuzler selbst getroffen. "So etwas kommt immer aus der Intention des Einzelnen", erklärt Eismann. "Wir wollten erst alles bauen und merkten dann, so einfach ist es ja gar nicht", gesteht er. Die Lichtenfelser Eisenbahnfreunde haben daraufhin bei der Umsetzung geholfen. "Wir haben die Häuser in der einsatzfreien Zeit auf der Wache zusammengeklebt, die Landschaft haben die Eisenbahnfreunde modelliert und mit kleinen Details versehen."

Im Maßstab 1:87 entstanden unter anderem ein Badesee mit Campingplatz, ein eng bebautes Wohnviertel, ein Krankenhaus und ein Altenheim, einen Festplatz mit Riesenrad, eine Autobahnbrücke, ein Industriegebiet mit Baugrube und eine ICE-Strecke mit Tunnel. So lassen sich alle erdenklichen und knifflige Einsätze gezielt üben, beispielsweise "eine Bergrettung, bei der ein Bergbauernhof mit enger Zufahrt in Brand gerät". Als Rauch wird einfach etwas Watte verwendet. Diese Form der Einsatztaktikübung ist beim BRK in der Region einzigartig.


Platte zu vermieten

Als Vorbild nahmen sich die Rotkreuzler und die Eisenbahnfreunde die Planspielplatte im BRK-Bildungszentrum in Augsburg. Einzig in Unterfranken befindet sich ein weiteres Modell, welches jedoch "wesentlich kleiner" ist. Daher kann Eismann stolz verkünden: "In Nordbayern ist hier die einzige Möglichkeit, in dieser Form die Einsatztaktik zu üben."

Ihre einzigartige Trainingsmöglichkeit habe sich hauptsächlich über Facebook und durch Mundpropaganda verbreitet. Obwohl sie bisher kaum Werbung gemacht haben, werde das Angebot bereits gut angenommen. "Es gibt Anfragen aus anderen Kreisverbänden wie zum Beispiel Bamberg oder Kronach", erklärt Eismann.

Aufmerksam darauf wurde auch die Bayreuther Berufsfachschule für Notfallsanitäter. Um die Einsatztaktik zu üben, bietet diese in ihrem Erweiterungslehrgang zum Notfallsanitäter ein ganztägiges Führungssimulationstraining an. Es sei zudem geplant, dieses Angebot an der Bayreuther Berufsschule in die Schülerausbildung aufzunehmen. Externe Hilfsorganisationen haben bisher nicht geübt, seien aber herzlich willkommen. "Es könnten theoretisch jedes Wochenende Übungen stattfinden, wir vermieten die Planspielplatte dann einfach."
Zwei- bis dreimal im Jahr finden eigene Schulungen statt. Dabei werden Ehrenamtliche, Hauptamtliche und Führungskräfte geschult. Doch wie laufen solche Übungen ab?


Simulierter Ernstfall

An einem Übungstag erfolgt zuerst ein zweistündiger Theorieteil zur Einsatztaktik. Danach werden etwa drei bis vier Szenarien durchgespielt. Für jedes Szenario gibt es eine Einsatzkarte, also einen kleinen Straßenplan. "Ein Szenario dauert mit anschließender Manöverkritik etwa eine Stunde", so Eismann.

Zu Beginn werden die Rollen verteilt. Jede Einsatzkraft muss seine Funktion mit einer Weste kennzeichnen. "Die Übung verläuft ähnlich wie im täglichen Geschäft", erzählt der Projektverantwortliche. Die Trainer bereiten ein Szenario vor und rufen den ersten Rettungswagen. "Er trifft ein, muss sich einen Überblick über die Lage verschaffen und übernimmt die Führung, bis der Einsatzleiter Rettungsdienst kommt. Das spitzt sich dann immer weiter so zu." Nach und nach treten die einzelnen Einsatzkräfte in den Raum, sehen das Ausmaß, müssen die Lage bewerten und ihre Aufgaben erfüllen. Auch auf eine sorgfältige Dokumentation muss dabei geachtet werden, betont Eismann. Denn "am Ende wird überprüft, ob die Aufzeichnungen übereinstimmen."

Zwar ersetzt das keine Übung, bei der man draußen im Einsatz ist, gesteht Eismann, dennoch ist der Lerneffekt sehr hoch und der Aufwand gering. "Früher war es viel aufwendiger, so eine tiefgehende Einsatzstruktur vorzubereiten." Durch die Planspielplatte ist es möglich, wetterunabhängig und ohne große Vorbereitungszeit Einsatztaktik vor Ort zu schulen.
Dank der detailreichen Ausarbeitung und genau durchdachten Szenarien ist der Einsatz auch für die Übenden leichter nachzuvollziehen. Zuvor wurden diese nur auf dem Whiteboard skizziert. Dass die Wache vor einigen Jahren tagelang nach Flüssigkleber roch, hat sich also offenbar gelohnt.