Nur die Beschriftung des Briefkastens vor dem Jobcenter verrät, dass sich im selben Gebäude seit Juni eine Außenstelle des Blaukreuz-Zentrum Coburgs befindet. Den meisten Lichtenfelsern dürfte das noch gar nicht aufgefallen sein. Sieben Klienten hat die Einrichtung seither in ihrer Kartei, und das ist nicht wenig, geht es doch darum, Suchtkranke intensiv bei der Bewältigung ihres Alltags zu begleiten. Ambulant betreutes Einzelwohnen nennt sich dieser Weg, der zurück in ein selbstbestimmtes und suchtmittelfreies Leben führen soll. "Wir müssen keine Werbung für dieses Angebot machen", sagt Einrichtungsleiter Michael Köhn. Weil man dem Team ohnehin die Tür einrenne. Das Blaue Kreuz verzeichnet steigende Fallzahlen. In Kronach liegt die Zahl im gleichen Zeitfenster sogar schon fast doppelt so hoch. Dabei geht es nicht mehr nur um Alkoholkranke, um die sich die Organisation seit ihrer Gründung vor 140 Jahren kümmert. In Coburg leistet sie zusätzlich Kinder- und Jugendsuchthilfe. Schon Zwölfjährige zählen zu den Betroffenen, die Amphetamine oder sogenannte Legal Highs, gefährliche "Kräutermischungen", konsumieren, die durch Umschiffen des Gesetzes vermeintlich ohne strafrechtliche Konsequenz verkauft werden. Das hauptamtliche Team freut sich über die Unterstützung durch ehrenamtliche Paten, die ab und zu mit einem solchen Kind etwas unternehmen, ihm Wertschätzung entgegenbringen und es auf diese Weise stärken. Spenden, um diesen Einsatz zu unterstützen, sind willkommen.
Über die Hälfte der Abhängigen sind junge Frauen, berichtet Michael Köhn. Typisch sei hier nicht etwa das Partygirl, das sich mit der entsprechenden Droge aufputschen will. Häufiger seien Fälle von Missbrauch in den frühen Lebensläufen. Und ja, natürlich gehören auch ältere, alkoholabhängige Männer zur Gruppe derer, um die sich das Blaue Kreuz kümmert.


Büro als Anlaufstelle

Das Büro ist nur eine erste Anlaufstelle, die Arbeit findet zumeist in den eigenen vier Wänden der Abhängigen statt. "Die Menschen, die zu uns kommen, haben ganz vieles verloren", sagt Köhn. Den Arbeitsplatz, Struktur und Stabilität in ihrem Leben, auch das Zutrauen in eigene Fähigkeiten und oft das, was man Lebensmut nennt. Einhergehend mit psychischen Erkrankungen führt das dazu, dass sich manche gar nicht mehr aus dem Haus trauen, ihre Post nicht mehr öffnen, weil sie ohnehin keine guten Nachrichten erwarten. Mit kleinen Schritten und ohne Zwang wollen die Blaukreuz-Mitarbeiter, alles Fachkräfte aus dem Bereich Sozialpädagogik/Sozialarbeit, sie aus dieser Misere herausführen. "Wir nehmen Dich an die Hand, wir helfen Dir" kann ihr Angebot überschrieben werden. Die Kontakte entstehen durch Mundpropaganda, Kooperation mit Berufsbetreuern, den Bezirkskliniken in Kutzenberg und Hochstadt oder der Suchtberatung des Diakonischen Werks in Lichtenfels. Die Ausweitung des Aktionsradius auf die Landkreise Lichtenfels und Kronach mit jeweils angemieteten Büroräumen vor Ort war erst durch eine beträchtliche Anschubfinanzierung der Aktion Mensch möglich geworden. Die Kosten der laufenden Arbeit können über den Bezirk abgerechnet werden. Ohne die Unterstützung durch das ambulant betreute Einzelwohnen bliebe manchen Betroffenen wohl nur noch die Unterbringung in soziotherapeutischen Einrichtungen.
Die Arbeit mit Suchtkranken gehört für Michael Köhn seit über 20 Jahren zu seinem Tätigkeitsbereich. Nicht jede Geschichte hier hat ein Happy-End. Aber: "Jeder Mensch ist einzigartig." Er selbst strahlt im Gespräch Zuversicht und Unvoreingenommenheit aus. Erfolge in seinem Beruf dauern lange, räumt er ein. Als persönliche Kraftquelle sieht er seinen christlichen Glauben - und am Abend manchmal auch die Schreinerwerkstatt, die er sich in seinem Keller eingerichtet hat. Dort wird das Geleistete schnell sichtbar und hilft, abzuschalten.


Über das Blaue Kreuz

1877 wurde in Genf der erste Blaukreuz-Verein durch einen Pfarrer gegründet. In Anlehnung an das Rote Kreuz machte man sich auf, Opfer der Trunksucht zu retten. Der erste Verein in Deutschland entstand 1885 in Westfalen. Sowohl ehrenamtlich als auch mit hauptamtlichen Kräften in professionellen Facheinrichtungen wird an dem Ziel gearbeitet, von Sucht Betroffene auf ihrem Weg in ein suchtfreies Leben zu begleiten. Kontakt: Außenstelle Lichtenfels, Conrad-Wagner-Straße 2 (über dem Jobcenter), Termine nach telefonischer Vereinbarung unter 09571/7588850.