Seine Lieblinge hören auf die Namen Belladonna, Ballerina und Sunrise. Die drei Pony-Stuten umsorgt Horst Philipp aus Burghaig liebevoll - und sie wiederum stellen ihm ihre Zugkraft zur Verfügung. Die zwei oder mehr Pferdestärken braucht es, wenn der 73-Jährige mit seiner Ehefrau Eva-Maria auf dem Kutschbock sitzt und wie anno dazumal über die Lande fährt. Mit seinem Können an den Zügeln hat er diverse Preise im In- und Ausland errungen.

Nun ist ein Pferd in der Flur (ob mit oder ohne Gespann) kein Hindernis. Doch zu dem kann es werden, sobald es sich auf öffentliche Straßen begibt. Wie aber verhält man sich als Auto- oder Motorradfahrer in diesem Fall? Was wiederum hat der Gespannführer zu beachten? Nachdem es im Bundesgebiet immer wieder zu gefährlichen Situationen und sogar Unfällen kam, hat sich auch die Reiterliche Vereinigung FN an die Öffentlichkeit gewandt mit der Bitte, bei der besonderen Konstellation auf der Straße Vorsicht walten zu lassen.

"Ein Pferd ist ein Fluchttier - und das bleibt es auch, selbst wenn es lange entsprechend trainiert worden ist", weiß Horst Philipp. Der Frühling ist auch für ihn der Zeitpunkt, die Kutschen rauszuputzen und die Pferde für die ersten Ausfahrten des Jahres startklar zu machen. Das wichtigste Motto lautet: sehen und gesehen werden.

Daher gehören zur Standardausrüstung an der Kutsche eine intakte Beleuchtung und Reflektoren an den Rädern sowie für Fahrer/Beifahrer die leuchtende Warnweste und -mütze. Weiteres wesentliches Utensil: die Winkerkelle. "Der Beifahrer, der bei uns Pflicht ist, hat die Kelle zu bedienen", erläutert der Burghaiger. Mit ihr wird beispielsweise angezeigt, wenn das Gespann abbiegen möchte. "In diesem Fall habe ich als der, der die Zügel in der Hand hat, selber besondere Vorsicht walten zu lassen. Ich muss vorausschauend agieren und quasi den Verkehr lesen, damit niemand einer Gefahr ausgesetzt wird."


Üben im Alltag

Damit seine Pferde das antrainierte Verhalten nicht "verlernen", begibt sich der Kulmbacher bewusst immer wieder auf öffentliche Straßen. "Sie müssen wissen, dass bestimmte Geräusche keine Gefahr darstellen. Dazu gehört unter anderem, wenn ein Lastwagen beim Abbremsen dieses typische pfeifende Motorgeräusch von sich gibt." Manche Tiere reagierten auch auf Signalfarben wie etwa die Lackierung eines Busses.

Seine Pferde im Griff zu haben, ist das, was er beeinflussen kann. "Aber es gehören immer zwei dazu", sagt Horst Philipp. Es sei fraglich, ob Führerscheinneulinge heutzutage überhaupt noch über die Besonderheiten eines Gespanns im Straßenverkehr unterrichtet werden. "Deswegen den gesunden Menschenverstand einschalten und gegenseitig Rücksicht walten lassen, dann kann eigentlich nichts schiefgehen." Mit Respekt berichtet er von einer Begegnung mit einem jungen Motorradfahrer. "Der hat uns entgegenkommen sehen, hat sein Zweirad an den Straßenrand gelenkt, den Motor abgestellt und die paar Sekunden gewartet, bis wir aneinander vorbei waren. Alle Achtung, vorbildlich!"
Sollte ein Gespann auftauchen, gilt es, sich langsam zu nähern und vorsichtig zu überholen. Dabei sollten unnötige Geräusche, die die Pferde verängstigen oder in Stress versetzen könnten, unterlassen werden. Dazu gehört, dass Motorradfahrer nicht auf Höhe der Pferde ihre Maschinen aufheulen lassen.


"Mindestabstand einhalten"

Zudem sollte ein Mindestabstand von zwei Metern eingehalten werden. "Es gab Vorfälle, bei denen Pferdekutschen so eng überholt wurden, dass Autos mit ihren Außenspiegeln im Zaumzeug der Pferde hängen blieben", berichtet Thomas Ungruhe, Leiter der FN-Abteilung Breitensport. Sein Anliegen lautet: "Ich würde mir wünschen, dass motorisierte Verkehrsteilnehmer wieder vermehrt für Pferde im Straßenverkehr sensibilisiert werden. Frühzeitiges Abbremsen, nicht zu dichtes Auffahren, mit genügend Abstand überholen und laute Geräusche wie Hupen vermeiden, - das sollte für Autofahrer selbstverständlich sein."

Damit die Gespannführer für jedwede Situation vorbereitet sind, werden Kurse angeboten. Es gibt mehrere Fahrabzeichen, die abgelegt werden können. Das aber geht dem Beirat Sport der Deutschen Reiterlichen Vereinigung nicht weit genug: Sie hat im Dezember 2016 die Einführung eines Kutschenführerscheins beschlossen, der seit Juni vergangenen Jahres erworben werden kann. Jeder, der sich mit einer Kutsche im Straßenverkehr bewegt, soll über einen solchen Führerschein A (für Privatpersonen) seine Qualifikation nachweisen. Für gewerbliche Fahrer gibt es den Kutschenführerschein B. Bisher ist diese Lizenz aber noch nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Horst Philipp würde das begrüßen. "Es geht nicht zuletzt darum, dass bei einem Unfall die Schäden korrekt reguliert werden können und niemand darauf sitzen bleibt."