Vorsicht, Autofahrer, Fuß vom Gas!!! Das gilt im Kulmbacher Stadtgebiet ganz besonders in der Lorenz-Sandler-Straße, in der man den Führerschein-Verlust riskiert, wenn man mit über 40 km/h unterwegs ist. Warum? Weil dort auf einem Teilstück Tempo 10 gilt.


Kaum machbar

"Hat schon mal einer der Planer versucht, etwa mit einem Motorrad 10 km/h bergauf zu fahren?", fragt sich René Jung. Jung wundert sich wie so manch anderer Kulmbacher, dass in Ziegelhütten ein so extremes Tempolimit angeordnet wurde, das, so seine Einschätzung, keiner einhält oder einhalten kann.


Viele Schlaglöcher

Die Geschwindigkeitsbegrenzung betrifft die gut 250 Meter lange Passage, die von der Ziegelhüttener Straße bis zur Abzweigung in die Rosenkrantzstraße führt. Zugegeben: Die Straße ist dort eine Rumpelpiste, aber auch im weiteren Verlauf der Lorenz-Sandler-Straße gibt es etliche Schlaglöcher, und dort gelten 50 km/h.


Tempo-10-Zonen gibt es nicht

Gibt es ein Tempo-10-Schild überhaupt? Eine Frage, die sich nicht nur René Jung stellt und bei der auch Verkehrsexperten erst einmal kurz überlegen müssen. Die Antwort: Es gibt im offiziellen Verkehrszeichenkatalog zwar kein Zeichen für Tempo-10-Zonen, aber ein Schild, das die zulässige Höchstgeschwindigkeit in einer Straße auf 10 km/h festlegt. Das bestätigen Manfred Amschler von der Verkehrsabteilung am Kulmbacher Landratsamt und Klaus-Dieter Lang, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizei.


Auch in der Stettiner Straße

Aufgestellt wird ein solches Schild so gut wie nie, sagt Manfred Amschler, der weiß, dass es nicht ganz einfach ist, ein Auto auf so eine niedrige Geschwindigkeit zu drosseln. Doch es sei durch möglich. Auch in verkehrsberuhigten Bereichen sei ja oft Schrittgeschwindigkeit gefordert, betont Amschler.

Tempo 10 gilt im Stadtgebiet übrigens nur an zwei weiteren Stellen, und zwar in der Stettiner Straße in Höhe des Kinderspielplatzes und in der Spitalgasse beim Bürgerhospital.


Boden ist weggesackt

Begründet liegt die ungewöhnliche Geschwindigkeitsbegrenzung in Ziegelhütten in der Tatsache, dass der dort verlaufende Kanal marode ist. Weil aufgrund von Ausspülungen im Untergrund schon zweimal ein Stück Boden weggesackt war, war Gefahr im Verzug. Die Kulmbacher Stadtwerke haben daraufhin entschieden, den Kanal im Teilstück der Lorenz-Sandler-Straße zwischen der Ziegelhüttener Straße und der Einmündung der Rosenkrantz-Straße auszutauschen.
Voraussichtlich im August soll mit der Erneuerung des Mischwasserkanals und der Wasserleitung in der Lorenz-Sandler-Straße begonnen werden. "Der Kanal stammt aus den 50er Jahren, ist weitgehend verbraucht und schadensanfällig", stellt Stadtwerkeleiter Stephan Pröschold fest. Berechnungen hätten ergeben, dass er in diesem Straßenteilstück nicht mehr ausreicht, um die anfallenden Wassermengen zu transportieren.


Bald Vollsperrung

Der neue Kanal soll in Teilstücken gebaut werden. Rund 800 000 Euro wird das kosten. Und weil die Straße ohnehin schon aufgegraben wird, tauschen die Stadtwerke auch gleich die Wasserleitung mit aus, was mit weiteren 85 000 Euro zu Buche schlägt. Wohl bis November wird die Lorenz-Sandler-Straße deshalb für den Durchgangsverkehr komplett gesperrt sein.
Weil die Gefahr besteht, dass es zu weiteren Straßenabsenkungen oder Einbrüchen kommt, gilt zurzeit nicht nur das Tempolimit, sondern auch eine Tonnagenbegrenzung. Fahrzeuge, die schwerer als 3,5 Tonnen sind, dürfen nicht fahren. Dadurch werde die Belastung auf dem gesamten Abschnitt verringert, sagt Pröschold, der auch Tempo 10 in der Lorenz-Sandler-Straße begründet: "Sollte es noch mal zum Absacken des Untergrunds kommen, was nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dann wären die Folgen für Fahrzeuge und Verkehrsteilnehmer bei einer niedrigen Geschwindigkeit geringer."


Straßenbelag wird erneuert

Noch vor dem Jahreswechsel werden René Jung und alle anderen Verkehrsteilnehmer in der Lorenz-Sandler-Straße wieder Fahrt aufnehmen. Die Kanalarbeiten sind bis dahin abgeschlossen, der Straßenbelag ist dann erneuert. Und die Tempo-10-Schilder haben ausgedient.

Dazu ein Kommentar von Alexander Hartmann

Volle Konzentration auf den Tacho


Haben Sie schon mal versucht, eine längere Strecke mit Tempo 10 zu fahren? Das ist gar nicht so einfach, zumal mancher Tacho ja erst mit 20 km/h beginnt und man oft schon mit dem Standgas die 10 Stundenkilometer reißt.

Ohne Frage: Auch in verkehrsberuhigten Bereichen ist sie gefordert, die Schrittgeschwindigkeit. Aber auf einer gewöhnlichen innerstädtischen Straße? Die Tempo-10-Begrenzung in der Lorenz-Sandler-Straße ist ungewöhnlich, zudem auch diskussionswürdig, denn es stellt sich schon die Frage: Wenn dort tatsächlich die Gefahr besteht, dass der Untergrund abrutscht, warum wird der Teilbereich dann nicht komplett gesperrt?

So müssen Autofahrer wie auch Radfahrer, die bergab unterwegs sind, auf die Bremse treten. Tun sie aber meist nicht. Das Tempolimit beachten nur die allerwenigsten. Zur Rechenschaft gezogen wurde bis dato übrigens kein Temposünder, denn die Polizei hat noch nicht kontrolliert.

Ob bis zur Vollsperrung, die in wenigen Wochen folgt, dort noch mal geblitzt wird? Verraten wollte uns das die Kulmbacher Inspektion verständlicherweise nicht. Deshalb Vorsicht, alle Auto- und Radfahrer, denn eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann ganz schön teuer kommen. Wer innerorts bis zu 30 km/h zu schnell unterwegs ist, kassiert ein saftiges Bußgeld. Wer in der Lorenz-Sandler-Straße über 40 fährt, dem droht sogar ein einmonatiges Fahrverbot. Also volle Konzentration auf den Tacho richten und aufpassen, dass der Motor nicht abgewürgt wird.