Maxi übt die Riesenfelge am Reck, Charlyn zeigt den Handstand auf dem Schwebebalken, Theresa den Flickflack auf der Airtrack-Matte - die Leistungsturnerinnen des TSV 08 Kulmbach halten sich auch in Corona-Zeiten fit. Es sind Turnelemente, die sie das ganze Jahr über an bis zu fünf Tagen in der Woche trainieren. Normalerweise unter dem Hallendach - in der Krisenzeit aber unter freiem Himmel.
Hallen sind für Sportler nach wie vor tabu - auch die Halle der Max-Hundt-Schule ist gesperrt, die die Heimstatt der Nullachterinnen ist. Die Turnerinnen haben aus der Not eine Tugend gemacht und sich kurzerhand ihr eigenes, grünes Trainingsparadies geschaffen - im Garten der Familie Roßberg in der Wilhelm-Meußdoerffer-Straße. Treibende Kraft des für das Gerätturnen ungewöhnlichen Outdoor-Projektes ist Maxi Roßberg. "In den ersten Tagen nach dem Lockdown hat von uns jeder für sich zu Hause trainiert. Das richtige Training haben wir aber alle vermisst", sagt die 32-Jährige, die dem Regionalliga-Team des TSV angehört.
Mit Luft und Beton
Und so ist die Idee gereift, sich das "grüne" Übungsgelände zu schaffen. Die Sportlerinnen haben angepackt, hatten eifrige Helfer wie Turnerin-Vater André Simon an ihrer Seite. Die Mühen haben sich gelohnt. Im Roßberg'schen Garten kann jetzt unter Bäumen am Stufenbarren trainiert werden, dessen Halterungen einbetoniert worden sind, auf dem Schwebebalken, aber auch auf einer Airtrack-Matte. Auf der mit Luft gefüllten Bodenbahn zeigen die Mädchen und Frauen ihre Flickflacks und Saltos, üben mit dem T-Trainer auch Sprünge.
In Kleinstgruppe, wie es die Corona-Regeln vorschreiben. "Wir achten darauf, dass wir ausreichend Abstand halten", sagt Maxi Roßberg. Da der Parcours nicht TÜV-geprüft sei, laufe das Training nicht unter der Regie des TSV.
Es sei ein privates Freizeitvergnügen, bei dem jeder das Verletzungsrisiko selbst trage. Die Nachfrage ist groß. Über ein Online-Tool können Trainingsstunden gebucht werden. Darin tragen sich auch befreundete Sportler aus Bamberg ein. Maxi Roßberg: "Weil es so was anderswo nicht gibt. Viele sind neidisch auf das, was wir uns aufgebaut haben."
Training an sieben Tagen
Nicht an fünf, sondern an sieben Tagen in der Woche trainieren viele der Leistungsturnerinnen - täglich eineinhalb bis zwei Stunden. Wie Charlyn Siemon. "Es ist klasse, dass wir auch in Corona-Zeiten die Möglichkeit zum Turnen haben", sagt die 15-Jährige. Theresa Martin genießt den Sport im Freien. "Mir macht das Turnen noch viel mehr Spaß, weil ich gern an der frischen Luft bin", meint die 26-Jährige. Es sei im Sommer sogar schöner als in der Halle, auch wenn man bei den Übungen mit Wind und Wetter zurechtkommen müsse. Wie lange es das Outdoor-Turnen noch geben mit? Eine Frage, die keiner beantworten kann. Keiner weiß, wann die Nullachterinnen in die Max-Hundt-Schule zurückkehren können. In der Turnhalle stehen jetzt Schulbänke - und das möglicherweise auch noch im kommenden Schuljahr.
Wie wichtig da eine eigene Vereinsstätte wäre, wird Maxi Roßberg und ihren Kameradinnen mehr und mehr bewusst. Und sie hoffen deshalb, dass sich der Traum von einer eigenen Halle, den sie schon lange hegen, bald realisieren lässt. Wie Roßberg erläutert, soll es eine 32 auf 17 Meter große Halle werden, in der dann auch Wettbewerbe ausgerichtet werden dürften.
Die Frage ist nur, wo diese entstehen könnte. Eine Option ist das Vereinsgelände im Katzbachtal. Präsident Günther Kintzel steht dem Projekt aufgeschlossen gegenüber. Es müssten allerdings noch vielerlei Dinge geklärt werden, so Kintzel, nach dessen Worten sich der Hauptverein mit dem Vorhaben erst einmal befassen müsste.
Maxi Roßberg will die Halle zeitnah errichten, hält deshalb nach alternativen Standorten Ausschau. "Wir sind auf der Suche nach einem Grundstück im Stadtgebiet, auf dem wir unseren Traum verwirklichen können", sagt die Leistungsturnerin, die einstweilen das Training im Freien genießt.