Wenn das Caspar-Vischer-Gymnasium am 21. Juni seine Jubiläumsveranstaltung aus Anlass des 125-jährigen Bestehens feiert, werden viele ehemalige Schülerinnen und Schüler "ihrem" CVG einen Besuch abstatten - und nehmen dafür auch weite Anreisewege auf sich. Eine Ehemalige, die Tausende Kilometer entfernt lebt, würde vermutlich liebend gerne kommen, aber es wird ihr wohl verwehrt bleiben: Die Rede ist von Ofeliya Guliyeva. Die mittlerweile 14-Jährige war im November 2017 zusammen mit ihrer Mutter Naile mitten in der Nach nach Aserbaidschan abgeschoben worden.
Für viele aus dem Umfeld des beliebten Mädchens ein Schock. Ofeliya, die mehr als die Hälfte ihres Lebens in Deutschland verbracht hat, galt als bestens integriert und großes musikalisches Talent. Sie machte vor allem mit ihrem Klavierspiel von sich reden und gewann dafür unter anderem den Ruckdeschel-Preis für Nachwuchsmusiker.

Im Dezember hatte Ofeliya Fotos geschickt, die sie in ihrer neuen Umgebung zeigen: ein ärmliches Dorf im Nirgendwo des aserbaidschanischen Hinterlands. Dort lebt(e) sie mit ihrer Mutter beim Großvater in einer Hütte.

Ob sie sich immer noch dort aufhält? Wie es ihr heute geht? Die Informationen sind spärlich. Und sie sind widersprüchlich. Es hieß zunächst, sie leide furchtbar unter der Situation und der Trennung - nicht nur von ihrem jüngeren Bruder Sahib, der zunächst mit seinem Vater in Kulmbach geblieben war, sondern auch von ihren Freunden und Schulkameraden. Zudem habe Ofeliya mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Sie hatte über starkes Asthma geklagt, wohl ausgelöst durch die ungünstige Wohnsituation.

Die BR hat versucht, Kontakt mit Naile Guliyeva aufzunehmen. Ihre Facebook-Seite ist gelöscht. "Sie hat sich komplett aus der Kommunikation ausgeklinkt", sagt Uschi Prawitz, die sich gemeinsam mit anderen um die Familie gekümmert hatte. Die Kulmbacherin bedauert das sehr. Das CVG nehme immer noch großen Anteil am Schicksal der ehemaligen Schülerin. "Es wurde extra ein Unterstützerkreis gebildet. Ofeliyas ehemalige Mitschüler haben um die Weihnachtszeit herum ein Päckchen nach Aserbaidschan geschickt. Die Aktion wollten sie vor einigen Wochen wiederholen. Dafür haben die Schüler Geld gesammelt. Plötzlich aber hieß es: Es sei zurzeit nicht möglich, Ofeliya das Päckchen zukommen zu lassen."


Ungeklärte Lebensumstände

Um die Lebensumstände der Abgeschobenen ranken sich die Gerüchte wie Kletterrosen um eine Burg; hinter dem Dickicht verschwimmen bisweilen die Fakten. Die Schulsituation am Wohnort der 14-Jährigen ist offenbar ungeklärt. Seit der Abschiebung habe Ofeliya keinen einzigen Tag eine Schule in Aserbaidschan besucht, heißt es. Es sei angeblich nicht möglich, während des laufenden Schuljahres aufgenommen zu werden, obowhl es auch in Aserbaidschan eine Schulpflicht gibt.
Ein weiteres Fragezeichen steht hinter dem aktuellen Wohnort von Mutter und Tochter.
Zwischenzeitlich sollen Naile und Ofeliya bei Bekannten in der Hauptstadt Baku untergekommen sein. Ob sie mittlerweile wieder mit dem kleinen Bruder Sahib und dessen Vater zusammen sind? Immerhin haben die beiden Deutschland ebenfalls verlassen, und zwar freiwillig. Für Ofeliyas Bruder mussten erst gültige Papiere beschafft werden. Über das Sorgerecht für den Jungen herrschte lange Unklarheit. Die Eltern sind nach aserbaidschanischem Recht offenbar geschieden.

Ein Unterstützerkreis hatte versucht, auch auf politischer Ebene Druck auf die Behörden auszuüben. Barbara Baier, Leiterin des Zamir-Chores aus Bayreuth, bei dessen Nachwuchschor "Zamirsternchen" das Mädchen mitgesungen hatte, startete mit Gleichgesinnten wenige Tage nach der Abschiebung eine Online-Petition. Intention: Der bayerische Landtag soll sich für die Rückkehr von Ofeliya und ihre Mutter Naile, die als Lehrerin angestellt war, einsetzen. Diese Petition fand 3852 Unterstützer. Verändert hat sie bisher nichts.

Ein Anruf bei der Pressestelle des Landtags liefert die Erklärung warum: "Diese Petition wurde hier nie übergeben, es liegt dem Haus nichts vor", heißt es dazu aus der Pressestelle des Maximilianeums. Ein Sprecher bekundet, dass bei solchen offenen Online-Petitionen häufiger der Fehler gemacht werde, dass man sich einträgt "und meint, damit nehme das Unterfangen automatisch seinen Lauf. Das ist aber nur die Plattform. Danach muss zwingend der nächste Schritt getan und die Forderung auch an den Landtag weitergeleitet werden. Das scheint bislang unterblieben zu sein." Barbara Baier war aktuell für eine Stellungnahme nicht erreichbar, ebenso die zuständige Koordinationsstelle für Neuzugewanderte im Landratsamt.


Rechtmäßig gehandelt

Seitens der zuständigen Behörde, der Regierung von Oberfranken, hieß es, die Abschiebungsaktion mitten in der Nacht sei ein rechtmäßiges Vorgehen gewesen. Die Frist zur Ausreise der Familie, so verlautete es aus Bayreuth, sei längst abgelaufen gewesen. Zudem hätten die getrennt lebenden Eltern die Behörden jahrelang über ihre wahre Identität getäuscht.