Der Stoßseufzer von Elfriede Höhn kommt aus tiefstem Herzen: "Irgendwann", so sagt die Vorsitzende der Kulmbacher Tafel, "irgendwann wird es ja wieder normal laufen." Wann "irgendwann" sein wird, vermag derzeit freilich niemand zu sagen. Und so versuchen die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Tafel derzeit unter erschwerten Bedingungen, jene Menschen zu unterstützen, bei denen das Geld nicht fürs tägliche Brot reicht.

Elfriede Höhn hat registriert, dass deren Zahl in den letzten Wochen stark angestiegen ist. Der Grund: Corona. Wer bisher wenig verdient hat und nun wegen der Pandemie in Kurzarbeit geschickt oder gar arbeitslos wird, sieht sich schnell in großen Nöten. Nicht selten wird der Lebensmittelkauf dann zum finanziellen Kraftakt.

Deutlich mehr Ausweise

Wer seine finanzielle Bedürftigkeit nachweisen kann, bekommt einen Berechtigungsausweis und kann sich damit bei der Tafel mit Lebensmitteln versorgen. Rund 70 solcher Ausweise waren bis zum Jahresanfang bei der Kulmbacher Hilfsorganisation registriert. "Jetzt sind es 160", so die Vorsitzende. Hinter jedem Ausweis steckt eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft: Einzelpersonen, Paare, kleine und bisweilen auch ziemlich große Familien. "Wir gehen davon aus, dass wir im Moment rund 700 Personen versorgen."

Viele der neuen Tafel-Kunden teilen das gleiche Schicksal. Manchmal hat der Arbeitgeber Kurzarbeit beantragt. Wer ohnehin schon wenig verdiente, kommt jetzt womöglich mit dem reduzierten Lohn nicht mehr aus. Manche haben ihren Job verloren - für immer oder vorübergehend für ungewisse Zeit. Menschen zum Beispiel, die als Aushilfen in der Gastronomie arbeiten. Da fehlt nicht nur das Einkommen, sondern auch das Trinkgeld zum Auskommen.

Dabei erlebt die Tafel derzeit selbst einen bislang nicht gekannten Mangel. Die Lebensmittelspenden aus dem Handel fallen deutlich geringer aus als sonst. "Entweder kaufen die Supermärkte zur Zeit verhaltener ein, oder es hat sich noch nicht herumgesprochen, dass wir sie wieder anfahren und Lebensmittel abholen", mutmaßt Elfriede Höhn. Um den Bedarf dennoch wenigstens halbwegs decken zu können, hat sich die Kulmbacher Tafel mittlerweile mehrfach aus dem zentralen Tafel-Lager in Feucht bei Nürnberg bedient. Dort landen Lebensmittel direkt aus der Industrie - etwa, weil sie fehlerhaft etikettiert worden sind und deshalb gar nicht erst in den Handel gelangen.

Hoffen auf Spenden

Derzeit hat die Kulmbacher Tafel nur einmal in der Woche geöffnet. Zusätzlich zu den Lebensmitteln aus dem Handel geben die ehrenamtlichen Mitarbeiter Geldspenden oder Einkaufsgutscheine aus (siehe Infobox). Dass Geld und Gutscheine zur Verfügung stehen, ist das Verdienst vieler Privatleute, die die Tafel auf diese Weise unterstützen. Großzügig gefördert werde man dankenswerterweise auch von den heimischen Service-Clubs, so die Vorsitzende. Derzeit peilt Elfriede Höhn mit ihrem Team den Juli an, um wieder zu den üblichen Öffnungszeiten jeweils dienstags und freitags am Vormittag zurückzukehren.

Die Entwicklung, die man bei der Kulmbacher Tafel registriert, Tafel registriert, spiegelt sich auch in anderen Bereichen wieder. So verzeichnet die Agentur für Arbeit seit Ausbruch der Pandemie einen deutlichen Anstieg der Unternehmen, die Kurzarbeit beantragt haben. Aus dem Raum Kulmbach seien im März und April 634 Anzeigen für Kurzarbeit eingegangen. Je nach tatsächlich eintretendem Arbeitsausfall könnte dies rund 6550 Beschäftigte betreffen, so eine Sprecherin.

"Sprunghafter Anstieg"

Unmittelbar spürbar sind die Auswirkungen des Lockdowns beim Jobcenter Kulmbach. Dort spricht man von einem sprunghaften Anstieg der Zugänge an Neukunden im März und April - freilich auch von bereits wieder sinkenden Zahlen. Man habe zu Spitzenzeiten Anfang April etwa zweieinhalb mal so viele Anträge bearbeiten müsse wie im Jahr davor, sagt David Potzel vom Jobcenter. "Und das, obwohl wir vorher über einen langen Zeitraum sinkende Zahlen registriert haben.

Aber auch staatliche Hilfen können nicht in jedem Fall verhindern, dass Menschen in eine wirtschaftliche Notlage geraten. Wo etwa Kredite für ein Eigenheim bedient oder die Ausbildung für die Kinder finanziert werden müssen, wird das Geld schnell besorgniserregend knapp. Diese Beobachtung haben die Mitarbeiter des Caritas-Kreisverbandes Kulmbach in den letzten Wochen gemacht.

Geschäftsführerin Veronica Specht berichtet, dass derzeit deutlich mehr Menschen als bisher das Angebot der sozialen Beratung in Anspruch nehmen. Insbesondere bei der Schuldnerberatung werde vermehrt nach Terminen gefragt - von Menschen, die ihr Leben bisher ohne fremde Hilfe meistern konnten.