Nach dem Ausstieg Großbritanniens fehlt der Europäischen Union bald ein großer Nettozahler. Die EU muss also sparen. Wenn es nach EU-Kommissar Günther Oettinger geht, soll der Gesamtetat nach 2021 deutliche Einschnitte erfahren. Einen Posten hat er besonders im Visier: die Hilfen für Landwirte, die 2017 noch rund 58 Milliarden Euro betrugen. Wilfried Löwinger, Kreisobmann des Bauernverbands und Ferkelerzeuger aus Altenreuth bei Harsdorf, hält dagegen: Ohne die Zahlungen geht es vielen Bauern an den Kragen.
Herr Löwinger, es gibt eine EU-Datenbank, in der jeder nachschauen kann, was die rund 310 000 gelisteten Landwirte 2017 an Subventionen bekommen. Haben Sie sich selber gegoogelt?
Wilfried Löwinger: Nein, das nicht. Ich muss aber sagen, dass wir uns als Verband gegen diese Offenlegung wehren. Vorab: Meine Kollegen und ich haben kein schlechtes Gewissen und nichts zu verbergen, aber in Zeiten immer strengerer Datenschutzrichtlinien kommt es mir seltsam vor, dass diese Zahlen jeder einsehen kann. Es sind - genau genommen - Betriebsgeheimnisse, die in anderen Branchen auch nicht öffentlich gemacht werden. Außerdem lehnen wir den Begriff Subventionen ab. Das kommt bei den allermeisten so an wie: Die bekommen Geld für nichts.
Wie nennen Sie die Zuwendungen aus Brüssel?
Wir Bauern sprechen von Ausgleichszahlungen - und das mit gutem Grund. Dafür müssen wir kurz ins Jahr 1992 zurück. Damals ist die EU-Agrarpolitik umwälzend geändert worden. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Die Preise sind halbiert und auf Weltmarktniveau herabgesetzt worden - im Gegenzug gab es die Ausgleichszahlungen für die Erzeuger. Sie sind ein Ausgleich für Entgangenes. Wenn die wegfallen, wird es das Ende vieler Betriebe bedeuten. Dann muss man aber klar sagen, dass sich alles Weitere über deutlich gestiegene Preise regeln wird, weil dann die Marktgesetze mit Angebot und Nachfrage gelten und kein Staat eingreift.
Und das EU-System hat sich mittlerweile zu einer eigenen Wissenschaft entwickelt, oder?
Das kann man laut sagen. Normalerweise ist jede Zahlung festgelegt nach der bewirtschafteten Fläche, also Hektar. Wenn gewisse Vorgaben nicht erfüllt werden, gibt es entsprechende Sanktionen. Aber in der Tiefe wird es kompliziert. Da gibt es zum Beispiel die Greening-Auflagen. Das bedeutet: Ich muss so und so viel Früchte auf dem Acker anbauen - Stichwort: Anbaudiversität. Ich muss ferner ökologische Vorrangflächen vorhalten, wir reden hier von rund fünf Prozent. Jetzt kann ich überlegen, ob ich das erfülle, indem ich Flächen stilllege und darauf keinen Ertrag habe, oder ob ich Rahmen der Eiweißstrategie zum Beispiel Erbsen anbaue. Es ist in der Tat eine Wissenschaft für sich, für jedes Jahr einen Anbauplan zu erstellen, um alle Auflagen zu erfüllen.
Lohnt sich das?
Unbedingt. Für die Landwirte geht der Kampf um die Direktzahlungen aus der ersten Säule, dem Garantiefonds EGFL, erst los. Die sind absolut einkommenwirksam, bei manchem macht das zwischen 50 und 100 Prozent des Gewinns aus - der ja wieder reinvestiert wird. Wenn etwa die Neuanschaffung eines Schleppers ansteht, der nicht unter 100 000 Euro zu haben ist, geht das Rechnen los. Diese Zahlungen sind die Betriebseinnahmen, die früher der Landwirt mit dem Preis etwa über den Doppelzentner Weizen erzielt hat. Heute wird halbe-halbe gerechnet: der halbe Preis über den Weizen, die andere Hälfte über die EU.
Kritiker der Regelung sagen, es sei unzeitgemäß, mit der Gießkanne alle gleichermaßen zu fördern. Es müsste unterschieden werden, beispielsweise nach der Art des Anbaus, um dann jene zu bevorzugen, die ökologisch wirtschaften.
Ich würde nie festlegen wollen, ob Bio- oder konventionelle Landwirtschaft die bessere ist. Alle Betriebe sind gleich zu behandeln, das ist nur fair. Dazu muss man mit einbeziehen, unter welchen Umständen Landwirtschaft betrieben wird. In unserer Region arbeiten wir in viel kleingliedrigeren Strukturen als beispielsweise im Osten. Nicht zu vergessen: Bauern pflegen unsere Kulturlandschaft, das wird oft übersehen. Oder wollen wir US-Verhältnisse? Dort, wo es sich aus Sicht der Farmer nicht rechnet, wird auch nichts angebaut mit der Folge, dass ganze Landstriche verbuschen.
Kann die EU überhaupt einen gerechten Ausgleich zwischen den Ländern herstellen?
Ja. Doch wenn wir alle nach den gleichen Regeln behandelt werden wollen, brauchen wir auch gleiche Voraussetzungen. Wenn wir in Deutschland zusätzliche Auflagen geschaffen werden, ist das zu unserem Nachteil. Und wenn aufgrund dessen immer weniger Geld zu erwirtschaften ist, werden es sich die Jungen zwei Mal überlegen, ob sie sich das mit der Landwirtschaft antun. Man braucht ja nur mal in meine Heimatgemeinde Harsdorf zu schauen: Es gibt im ganzen Hauptort keine einzige Kuh und kein Schwein mehr. Drei Vollerwerbsbetriebe und ein paar Neben-Erwerbler - das war es. Die Industrie hat es verglichen damit einfacher: Ein Stück Eisen kann ich auf der ganzen Welt zu mehr oder weniger gleichen Konditionen herstellen und auch dorthin fahren, wo die Arbeitskraft billiger ist. Wir können unsere Scholle nicht nach Asien kutschieren. Die Landwirtschaft kann ich nur vor Ort bewerkstelligen. Darüber hinaus haben wir mit verderblichen Waren zu tun und kämpfen auch noch dazu mit dem Wetter. Wenn dann auch noch über Senkungen des Ausgleichs nachgedacht wird, sehe ich dunkle Wolken für meinen Berufsstand.
EU-Agrarzahlungen - ein Auslaufmodell?
Bilanz Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft haben in Deutschland 310 000 Empfänger Agrargelder der EU ausgezahlt bekommen, und zwar in Höhe von rund 6.5 Milliarden Euro. Insgesamt verteilt die Union 58 Milliarden Euro an die 27 Mitgliedsländer - das sind 40 Prozent des Budgets.
Verteilung Die Summen fließen aus zwei Quellen: Der Europäische Garantiefonds (EGFL) stellt 45 Milliarden Euro pro Jahr bereit, die als Direktzahlungen und Stützungsmaßnahmen fließen. Für Deutschland gab es 2016 im Schnitt 289 Euro pro Hektar. 13 Milliarden Euro stecken im Fonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums. Das Geld dient Umwelt-, Klima- und Tierschutz, kommt aber auch Kommunen für Infrastrukturmaßnahmen zugute.
Kritik In einem Bericht an das Landwirtschaftsministerium haben sich führende Agrarökonomen gegen solche Direktzahlungen ausgesprochen. Belohnt werden solle demnach künftig nur noch, wer für die Allgemeinheit etwas leistet.
Herr Löwinger, es gibt eine EU-Datenbank, in der jeder nachschauen kann, was die rund 310 000 gelisteten Landwirte 2017 an Subventionen bekommen. Haben Sie sich selber gegoogelt?
Wilfried Löwinger: Nein, das nicht. Ich muss aber sagen, dass wir uns als Verband gegen diese Offenlegung wehren. Vorab: Meine Kollegen und ich haben kein schlechtes Gewissen und nichts zu verbergen, aber in Zeiten immer strengerer Datenschutzrichtlinien kommt es mir seltsam vor, dass diese Zahlen jeder einsehen kann. Es sind - genau genommen - Betriebsgeheimnisse, die in anderen Branchen auch nicht öffentlich gemacht werden. Außerdem lehnen wir den Begriff Subventionen ab. Das kommt bei den allermeisten so an wie: Die bekommen Geld für nichts.
Wie nennen Sie die Zuwendungen aus Brüssel?
Wir Bauern sprechen von Ausgleichszahlungen - und das mit gutem Grund. Dafür müssen wir kurz ins Jahr 1992 zurück. Damals ist die EU-Agrarpolitik umwälzend geändert worden. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Die Preise sind halbiert und auf Weltmarktniveau herabgesetzt worden - im Gegenzug gab es die Ausgleichszahlungen für die Erzeuger. Sie sind ein Ausgleich für Entgangenes. Wenn die wegfallen, wird es das Ende vieler Betriebe bedeuten. Dann muss man aber klar sagen, dass sich alles Weitere über deutlich gestiegene Preise regeln wird, weil dann die Marktgesetze mit Angebot und Nachfrage gelten und kein Staat eingreift.
Und das EU-System hat sich mittlerweile zu einer eigenen Wissenschaft entwickelt, oder?
Das kann man laut sagen. Normalerweise ist jede Zahlung festgelegt nach der bewirtschafteten Fläche, also Hektar. Wenn gewisse Vorgaben nicht erfüllt werden, gibt es entsprechende Sanktionen. Aber in der Tiefe wird es kompliziert. Da gibt es zum Beispiel die Greening-Auflagen. Das bedeutet: Ich muss so und so viel Früchte auf dem Acker anbauen - Stichwort: Anbaudiversität. Ich muss ferner ökologische Vorrangflächen vorhalten, wir reden hier von rund fünf Prozent. Jetzt kann ich überlegen, ob ich das erfülle, indem ich Flächen stilllege und darauf keinen Ertrag habe, oder ob ich Rahmen der Eiweißstrategie zum Beispiel Erbsen anbaue. Es ist in der Tat eine Wissenschaft für sich, für jedes Jahr einen Anbauplan zu erstellen, um alle Auflagen zu erfüllen.
Lohnt sich das?
Unbedingt. Für die Landwirte geht der Kampf um die Direktzahlungen aus der ersten Säule, dem Garantiefonds EGFL, erst los. Die sind absolut einkommenwirksam, bei manchem macht das zwischen 50 und 100 Prozent des Gewinns aus - der ja wieder reinvestiert wird. Wenn etwa die Neuanschaffung eines Schleppers ansteht, der nicht unter 100 000 Euro zu haben ist, geht das Rechnen los. Diese Zahlungen sind die Betriebseinnahmen, die früher der Landwirt mit dem Preis etwa über den Doppelzentner Weizen erzielt hat. Heute wird halbe-halbe gerechnet: der halbe Preis über den Weizen, die andere Hälfte über die EU.
Kritiker der Regelung sagen, es sei unzeitgemäß, mit der Gießkanne alle gleichermaßen zu fördern. Es müsste unterschieden werden, beispielsweise nach der Art des Anbaus, um dann jene zu bevorzugen, die ökologisch wirtschaften.
Ich würde nie festlegen wollen, ob Bio- oder konventionelle Landwirtschaft die bessere ist. Alle Betriebe sind gleich zu behandeln, das ist nur fair. Dazu muss man mit einbeziehen, unter welchen Umständen Landwirtschaft betrieben wird. In unserer Region arbeiten wir in viel kleingliedrigeren Strukturen als beispielsweise im Osten. Nicht zu vergessen: Bauern pflegen unsere Kulturlandschaft, das wird oft übersehen. Oder wollen wir US-Verhältnisse? Dort, wo es sich aus Sicht der Farmer nicht rechnet, wird auch nichts angebaut mit der Folge, dass ganze Landstriche verbuschen.
Kann die EU überhaupt einen gerechten Ausgleich zwischen den Ländern herstellen?
Ja. Doch wenn wir alle nach den gleichen Regeln behandelt werden wollen, brauchen wir auch gleiche Voraussetzungen. Wenn wir in Deutschland zusätzliche Auflagen geschaffen werden, ist das zu unserem Nachteil. Und wenn aufgrund dessen immer weniger Geld zu erwirtschaften ist, werden es sich die Jungen zwei Mal überlegen, ob sie sich das mit der Landwirtschaft antun. Man braucht ja nur mal in meine Heimatgemeinde Harsdorf zu schauen: Es gibt im ganzen Hauptort keine einzige Kuh und kein Schwein mehr. Drei Vollerwerbsbetriebe und ein paar Neben-Erwerbler - das war es. Die Industrie hat es verglichen damit einfacher: Ein Stück Eisen kann ich auf der ganzen Welt zu mehr oder weniger gleichen Konditionen herstellen und auch dorthin fahren, wo die Arbeitskraft billiger ist. Wir können unsere Scholle nicht nach Asien kutschieren. Die Landwirtschaft kann ich nur vor Ort bewerkstelligen. Darüber hinaus haben wir mit verderblichen Waren zu tun und kämpfen auch noch dazu mit dem Wetter. Wenn dann auch noch über Senkungen des Ausgleichs nachgedacht wird, sehe ich dunkle Wolken für meinen Berufsstand.
EU-Agrarzahlungen - ein Auslaufmodell?
Bilanz Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft haben in Deutschland 310 000 Empfänger Agrargelder der EU ausgezahlt bekommen, und zwar in Höhe von rund 6.5 Milliarden Euro. Insgesamt verteilt die Union 58 Milliarden Euro an die 27 Mitgliedsländer - das sind 40 Prozent des Budgets.
Verteilung Die Summen fließen aus zwei Quellen: Der Europäische Garantiefonds (EGFL) stellt 45 Milliarden Euro pro Jahr bereit, die als Direktzahlungen und Stützungsmaßnahmen fließen. Für Deutschland gab es 2016 im Schnitt 289 Euro pro Hektar. 13 Milliarden Euro stecken im Fonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums. Das Geld dient Umwelt-, Klima- und Tierschutz, kommt aber auch Kommunen für Infrastrukturmaßnahmen zugute.
Kritik In einem Bericht an das Landwirtschaftsministerium haben sich führende Agrarökonomen gegen solche Direktzahlungen ausgesprochen. Belohnt werden solle demnach künftig nur noch, wer für die Allgemeinheit etwas leistet.