"Natürlich waren wir am Anfang die Spinner", sagt Hella Krist und lacht, "ihr mit euren Blümchen und Vögelchen, hieß es da." "Wir" - das waren in den 70ern ein paar Naturschützer, die sich in Kronach in zwanglosen Runden, zu Gesprächen, zu Exkursionen trafen. Darunter auch Krists Mann und Bruder - die damals 34-jährige Hausfrau ist noch Randfigur, die Kaffee und Kuchen serviert. Noch.


Die "Grünen" wurden geboren

Die 70er-Jahre zählen als Geburtsstunde der grünen Bewegung. Neue Themen und Reizwörter - von Atomkraft bis Waldsterben - fanden Platz auf der politischen und öffentlichen Agenda. Auch die Gruppe "Spinner" im Landkreis Kronach nutzte den allgemeinen Aufwind, die Aufbruchsstimmung des Jahrzehnts, um sich zu organisieren und zu formieren. Am 24. September 1974 fand in der Waldschänke in Bächlein die Gründungsversammlung der Kreisgruppe Kronach des Bund Naturschutzes statt. Mit dabei: Hella Krist.

Kurz nach der Gründung der Kreisgruppe wurde in Bayern ein neues Waldgesetz erlassen, das bis heute den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder regeln soll. Unter Philipp Heinlein, erstem Vorsitzenden der Gründungstruppe, beginnt im Anschluss ein harter Kampf.
Die große Herausforderung: Landwirte und Forstleute davon zu überzeugen, dass die Kreisgruppe nicht gegen, sondern in vielen Bereichen mit ihnen zusammenarbeiten will. "Es war eine turbulente Zeit damals", sagt Krist, die von Beginn an aktiv in der Kreisgruppe mitarbeitet und vor allem mitdiskutiert. "Jeder hat versucht, seinen Standpunkt zu verteidigen", erzählt sie. Man selbst musste als Gruppe seinen Standpunkt finden, sich seine Legitimation in der öffentlichen Wahrnehmung erarbeiten. Dafür habe man stets das Gespräch gesucht, sei immer bereit für Diskussionen gewesen - mögen diese noch so heftig kontrovers gewesen sein.

Konkret sei es damals auch um den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden gegangen, erinnert sich Krist. Der Wunsch nach Veränderung kam nicht überall gut an. "Manche haben eben länger gebraucht, um zu begreifen, was mit unserer Natur passiert."


In eine gefährliche Richtung

Dabei sei es für sie damals offensichtlich gewesen, dass sich die Entwicklungen vor allem in der Landwirtschaft, in eine gefährliche Richtung bewegen. "Ich habe die Natur schon als Kind geliebt, unsere ganze Familie war naturverbunden, das war der Ursprung", sagt Krist. Doch genau dieses Ursprüngliche habe sich nach und nach verändert. "Es gab plötzlich immer weniger Schmetterlinge, Pflanzen am Ackerrand gingen zurück, selbst die Feldhasen sah man kaum noch." Um das zu schützen, habe man auch die Konfrontation mit dem Etablierten nicht gescheut. "Es war eine gefährliche Entwicklung, die sich damals angekündigt hat."

Doch ihr sei es immer ein persönliches Anliegen gewesen, niemanden zu verurteilen, auch die Bauern nicht anzuprangern, betont sie. Am Ende des Tages habe sie auch Verständnis gehabt. Der Druck auf die Landwirte, die Bedürfnisse der wohlhabenden Konsumgesellschaft zu stillen, sei doch ausschlaggebenden für den Einsatz von Kunstdüngern gewesen. Und dieser Druck von oben habe seine Auswirkung auf diejenigen ganz unten gehabt - das konnte und wollte man nicht so hinnehmen. "Es war an der Zeit, das zu regulieren und darauf zu achten, dass die Natur nicht auf der Strecke bleibt." Auf mahnende Wörter sollten Taten folgen - doch erst musste die Umweltbewegung in den Köpfen ankommen. "Naturschutz war nicht selbstverständlich", so Krist. Doch die Bewegung habe sich entwickelt. "Irgendwann wurden wir angehört - und nicht nur akzeptiert, auch respektiert."


Anpacken in den 80ern

Später dominierte Waldsterben die umweltpolitische Diskussion. 1983 übernahm mit Helmut Detsch ein Mann die Vorstandschaft, der selbst aus der Landwirtschaft und damit aus dem Kreis der zu Beginn lautesten Kritiker stammte.

Die Kreisgruppe begann verstärkt, im Landkreis Biotope zu kartieren und zu pflegen und den Frankenwald als Rückzugsgebiet für seltene Arten zu schützen. Das geschah unter maßgeblicher Hilfe von Hella Krist, die nicht nur die Zivildienstleistenden unter ihre Fittiche, sondern auch den Vorsitz der bis dato von Männern dominierten Gruppe in ihre Hand nahm. 1987 wurde die gebürtige Danzigerin als erste Frau zur Vorsitzenden der Gruppe gewählt.

Ein umfangreiches Biotoppflegekonzept und die Gründung und Ausgestaltung des "Grünen Bandes" unter dem Mitwitzer Initiator Kai Frobel sind während ihrer Zeit als Vorsitzende die größten Errungenschaften des Bund Naturschutz in Kronach. Bis heute ist die 78-Jährige in der Kreisgruppe aktiv und will es bleiben, solange es geht. "Der Kampf hat sich gelohnt, doch er ist natürlich noch lange nicht zu Ende."