Nach dem Vertragsschluss mit dem Filmverleih Lidy Hegewald in Leipzig wurden im Saal der königlich privilegierten Porzellan Fabrik Tettau auf der Empore Stühle aufgestellt. Der Saal war der einzige in dieser Größenordnung in Tettau. Es wurden dort auch Operetten, Theater und Versammlungen veranstaltet.
Der erste Filmstreifen der am 1.1.1927 über Tettaus Kinoleinwand rollte hieß "Guillotine" und war lange Gesprächsstoff bei der Bevölkerung. Besucher kamen aus den umliegenden Ortschaften, auch aus thüringischen Gemeinden. Es handelte sich um alte Schwarz-Weiß-Stummfilme, die in ihrer mimischen Ausdruckskraft hervorragend waren, berichtet Helmut Heinz.
Für die untermalende Musik sorgten damals dessen Vater Fritz Heinz und Albert Heinz am Klavier, bis schließlich der Tonfilm Einzug hielt.
Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde in Tettau Kino in "gespielt". Im Jahr 1954 wurde der Kinosaal umgebaut, um den modernen Ansprüchen der Besucher nachzukommen. Die Sitzreihen werden amphitheratralisch angeordnet. Mit zunehmendem Alter von Josef Bieber und der Konkurrenz dem Fernsehen blieb das Kino über viele Jahre geschlossen.
Die Eintrittspreise lagen um 1960 bei circa einer Mark, wobei der Erste Rang etwas höher im Preis war ( etwa 1,20 bis 1,40 DM). Schüler und Jugendliche mussten für den 2. und 3. Rang 0,50 DM bezahlen.
"Wenn die Wochenschau vorbei war und noch Plätze im 1. Rang frei waren, durften wir damals die Plätze belegen, was uns sehr erfreute" schwärmt Helmut Heinz, welchen das Tettauer Kino und dessen Geschichte sehr am Herzen liegt und lag.
Im Jahr 1979 begann Manfred Neubauer mit Kinovorführungen wieder Leben in die "Central Lichtspiele Tettau" zu bringen. Leider wurde das Tettauer Kino Mitte der 80er Jahre dann geschlossen. Das Kinogebäude besteht noch Heute und befindet sich im Besitz von Michael Kaiser (Gasthaus Anno Domini).
Kaiser versuchte selbst auch dieses Stück Tettauer Geschichte wiederzubeleben, jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Die baulichen Auflagen sprengen jegliche Vorstellungs- und Leistungskraft eines normal arbeitenden Menschen. Sicherlich könnte das Kino mit seiner Größe durchaus mit anderen konkurrieren, dennoch bleibt die Tatsache, dass Gebäude und Technik veraltet und teils unbenutzbar geworden sind. "Die Menschen heute wollen ,durchentertaint‘ werden und möglichst aus zehn topaktuellen Filmen auswählen" - das war und wäre in Tettau nie möglich gewesen.
Fast 100 Jahre nach der ersten Filmvorführung versucht man in Tettau dennoch, "historisches Kino" wieder zu etablieren. Wir werden niemals den Kinos der Umgebung Konkurrenz machen - wollen wir auch nicht, erklärt Benjamin Baier, Betreiber der Tettauer Festhalle. Sämtliche Versuche, das alte Kino wiederzubeleben sind aus verschiedenen Gründen gescheitert: "Ich bin leider zu jung, ich kenne das Tettauer Kino von innen nicht mehr - dennoch wirken die alten Mauern und das verwitterte Schild "Central Lichtspiele" nostalgisch und ich denke mir oft: "Dass muss schön gewesen sein. Da man in Tettau aber realistisch ist, wird Kino in dem bekannten Sinn nicht funktionieren. Die Technik, die Filmauswahl etc. ist schlichtweg nicht finanzierbar." Was jedoch funktionieren könnte, sei "historisches Kino", so Baier.
In der heutigen Zeit könne sich jeder eine DVD per Internet bestellen und so oft er möchte anschauen. Oder noch einfacher: online "streamen". Das Flair aber gehe dabei verloren. "Die Tettauer Antwort darauf: historisches Kino. Wir versuchen ganz spezielle alte Filmklassiker auf einer großen Leinwand (6 x 4 Meter) und neuester Digitaltechnik zu zeigen. Beginnen werden wir mit "Bud Spencer und Terrence Hill" - Zwei wie Pech und Schwefel am 24. Februar um 20 Uhr", meint Baier. Auch wenn dieser Klassiker vermutlich nur echte Fans locke, seien weitere Kinoabende geplant. Auch für Kinder soll ein Angebot geschaffen werden. Und: Zu jedem Film werden auch typische Speisen angeboten. Wenn auch "Zwei wie Pech und Schwefel" nicht grundsätzlich mit Bohnengerichte in Verbindung zu bringen sind, werde es "Bohnen mit Zwiebeln und Speck" geben. Natürlich auch "Würstchen und Bier".
Nachdem Helmut Heinz vom alten Tettauer Kino dutzende Werbungsdias archiviert hat, sollen diese digitalisiert werden und künftig als "Vorspann" dienen.
Über die Filmförderanstalt wurde eigens sogar eine Kinolizenz beantragt und zugeteilt. Mit der erteilten Kino- und Leinwandnummer sind also öffentliche Aufführungen zulässig. Als Unkostenbeitrag werden 5 Euro erhoben. Kinovorführungen für Kinder werden ab 3 Euro angeboten (weitere Infos unter www.festhalle-tettau.npage.de). bb