Der Vorsitzende der Humanitären Hilfe für Menschen in Not, Tom Sauer, wurde vom Kanton Bihac (Zentralregierung), der Stadt Bihac und der Regierung von Bosnien-Herzegowina die Ehrenbürgermedaille der Stadt verliehen. Die Auszeichnung gilt dem gesamten Verein. Gewürdigt wurde damit die Tätigkeit der "Humanitären Hilfe für Menschen in Not" während des Bürgerkriegs im damaligen Jugoslawien.

1992 starteten die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer Hilfstransporte in die Enklave Bihac. Dabei mussten die Lkw durch serbisch okkupiertes Gebiet der damaligen Serbischen Republik Krajina. "Es waren durchaus gefährliche Transporte, die von den Fahrern und Helfern körperlich und seelisch sehr viel abverlangt haben", heißt es in der Laudatio. "Bis 1996 wurden weit über 30 Hilfskonvois erfolgreich in die Enklave Bihac gefahren. Zu der damaligen Zeit war es keiner einzigen Privatorganisation gestattet, das Kriegsgebiet zu durchfahren."


Apfelbäume im Gepäck

Es war der Idealismus, die freundschaftliche Verbundenheit mit der Familie Kapic und der christliche Glaube an die Möglichkeit, Brücken zwischen verfeindeten Volksgruppen zu bauen. Bei jeder Hilfslieferung wurden auch Apfelbäume mitgeführt. Sie wurden in Anlehnung an Martin Luthers Worte "Wenn morgen die Welt untergeht, will ich noch heute einen Apfelbaum pflanzen" an verschiedenen Checkpoints und Minengebieten gepflanzt. Nach 25 Jahren nun verleiht der Kanton Bihac Tom Sauer die Ehrenbürgermedaille.

Tom Sauer wiederum weiß, dass diese Medaille in gleichem Maße den vielen Ehrenamtlichen gilt. Durch ein riesiges bundesweites Bündnis wurde diese effiziente Hilfe möglich. So wurden beispielsweise im Jahr 1993 zwei komplette Dialysestationen für das Zentralkrankenhaus in Bihac aus der französischen Küstenstadt Le Havre in Weißenbrunn der Humanitären Hilfe e.V. zum Transport in die Kriegsregion übergeben. Es gelang tatsächlich nur der Weißenbrunner Organisation durch das okkupierte Gebiet zu gelangen.

Von 1992 bis 1996 wurden 32 Hilfstransporte in das Kriegsgebiet gefahren. Mitten in dieser Zeit wurde im Jahr 1994 die "Humanitäre Hilfe für Menschen in Not" als Verein gegründet. 1997 startete die mobile Lebensmittelversorgung für Menschen in Not in den Landkreisen Kronach und Kulmbach.


Umzingelte Region

"Wir hatten gute Freunde in Bihac, bei denen wir oft Urlaub gemacht haben", erinnert sich Tom Sauer. Daran war ab 1992 nicht mehr zu denken. Während des Bosnienkriegs war das Gebiet gleich von zwei serbischen Milizen eingekesselt, stand bis zum Ende der Kampfhandlungen 1995 als Enklave unter der Kontrolle bosnischer Regierungstruppen und wurde zur UN-Schutzzone erklärt. Das Problem: In der umzingelten Region wurden die Lebensmittel knapp. "Unsere Freunde hatten uns angerufen und wir wollten helfen", erzählt Sauer.


2000 Menschen versorgt

Zusammen mit seinem Freund Willi Pechtold und anderen Helfern aus ganz Deutschland machte sich der damals Mittzwanziger auf den Weg. Mit sechs Lastwagen im Konvoi durch besetztes Gebiet. 32 Transporte wurden es bis 1995, durch die über 2000 Menschen mit Lebensmitteln versorgt werden konnten. Immer mit dabei: fünf bis sechs Apfelbäume. "Je nach der Empfindlichkeit der Militärs", erklärt Sauer, der so den Friedensgedanken Luthers in bosnischen Boden pflanzte. "Heute würde ich nicht mehr quer durch ein Kriegsgebiet fahren", räumt Sauer ein.


Vorwurf: "Spionage"

Viel fehlte nicht und seine Geschichte wäre bereits in Bosnien zu Ende erzählt gewesen. Serbisches Militär griff den Helfertrupp auf, um ihn vor ein Militärgericht zu stellen. "Wir sind durch serbisches Gebiet gefahren und hatten Fotos gemacht", erinnert sich Sauer. "Dafür hatten wir uns über Umwege aber extra Presseausweise besorgt." Dennoch lautete der Vorwurf "Spionage". Die Wahrscheinlichkeit sei zu diesem Zeitpunkt hoch gewesen, deswegen standrechtlich erschossen zu werden. "Erst drei Wochen zuvor war das UN-Soldaten passiert", so Sauer.

Dass die Helfer nicht ein ähnliches Schicksal ereilte, war letztlich wohl purem Glück zu verdanken. "Als wir gerade aus einem Kastenwagen steigen mussten, um vor Gericht geführt zu werden, kam gerade ein Beobachtungsfahrzeug der UN vorbei. Auf das sind wir wild mit den Armen winkend zugelaufen und haben laut um Hilfe geschrien. Mit Erfolg. Mit den Vereinten Nationen als Prozessbeobachter entließ das serbische Militär die Helfer gegen eine Zahlung von 2000 D-Mark und eine fast 4000 Mark teuren Kameraausrüstung, die sich Tom Sauer von einem Freund geliehen hatte.

Einen positiven Nebeneffekt habe die negative Grenzerfahrung allerdings gehabt, findet Sauer. Er sei seinem christlichen Glauben während den Tagen der Haft ein großes Stück näher gekommen.


Heute Hilfe im Landkreis

Zwei Jahre nach Ende des Kriegs wurde aus der Lebensmittelversorgung für Bosnien eine Lebensmittelversorgung für die Landkreise Kronach und Kulmbach. Ein bisschen sogar aus Trotz. Immer wieder sei ihm gesagt worden, dass doch erst den Menschen vor Ort geholfen werden müsse. Bis zum heutigen Tag betreut der Verein in den beiden Landkreisen Menschen, die aufgrund unterschiedlichster Art in Not geraten sind. Hierzu hat der Verein auch das Haus "Lichtzeichen". Hier können Hilfesuchende umfassende und nachhaltige Hilfe erhalten.