Großes Plus des Wirtschaftsstandorts Haßberge ist die breite Mischung aus innovativem Mittelstand, teils weltweit agierenden Großunternehmen und kleinen Handwerksbetrieben. Dazu punktet der Standort im Vergleich zu anderen Regionen durch die Reize der Natur und geringe Lebenshaltungs- und Wohnraumkosten in Sachen Lebensqualität.

Dennoch verliert der Raum Haßberge an Einwohnern und damit potenziellen Arbeitskräften. Handlungsbedarf wurde bei der Regionalkonferenz zur Attraktivität des Wirtschaftsstandortes am Dienstag in Ebern deutlich. Es geht darum, den Schwächen des Landkreises entgegenzuwirken und die Qualitäten deutlich herauszustellen.


Wettbewerb im Schlagschatten

Der Kreis will sich überregional besser positionieren, um der Abwanderung der Jugend und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Es gelte, wie es Landrat Wilhelm Schneider (CSU) formulierte, sich "im Wettbewerb in einer Art Schattenraum inmitten der Zentren Bamberg, Coburg und Schweinfurt" zu behaupten.

Ein Konzept für das Standortmarketing hat der Landkreis bei der Marburger Gesellschaft für angewandte Kommunikationsforschung in Auftrag gegeben. Sie hat im vergangenen Jahr knapp 400 Betriebe mit mindestens drei Beschäftigten befragt, Workshops durchgeführt und Lenkungsgruppen installiert.

Großes Plus der Befragung sind den Angaben zufolge die nicht anonymisierten Daten, so dass die Wirtschaftsförderung gezielt einwirken könne. Bei den Beratungen hat man laut Josef Rother, Prokurist des Marburger Forschungsbüros, vielerlei Wirtschaftszweige abgedeckt. So saß der Landwirt ebenso im Boot wie der IHK-Präsident.


Zwei Regionalkonferenzen

Bei zwei Regionalkonferenzen werden die Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen der Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt. Es gehe um die Zukunft des Landkreises, machte Landrat Schneider deutlich. Eine zweite Regionalkonferenz, zu der ebenfalls wieder alle interessierten Bürger und die Vertreter von Politik, Wirtschaft, Behörden und Bildungseinrichtungen eingeladen sind, findet am, Mittwoch, 7. Februar, im Sitzungssaal des Landratsamts in Haßfurt statt. Beginn ist um 15 Uhr.

Josef Rother riet, bei der Werbung für den Landkreis besonders die dort ansässigen Menschen und Betriebe anzusprechen, um deren emotionale Bindung an die Region zu nutzen. "Binnen- vor Außenmarketing" lautete einer der Slogans bei seiner Präsentation. Ein anderer: "So viel Eigenständigkeit wie möglich, so viel regionale Kooperation wie nötig", denn gewisse Standortnachteile müsse der Landkreis akzeptieren und bei Bedarf den Schulterschluss mit den Nachbarn suchen.


Pros und Contras

Bei der Frage nach der Zufriedenheit hätten die Natur und die Landschaft besonders gut abgeschnitten, auch die Straßenverbindungen oder beispielsweise die Situation der Kinderbetreuung erzielten gute Werte. Negativ stießen die Mängel im Öffentlichen Personennahverkehr und bei der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte auf. Auch die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Forschungseinrichtungen oder die Hotel- und Tagungskapazitäten wurden kritisiert. "Gerade die arbeitsmarktrelevanten Themen", konstatierte Rother. Nachholbedarf bestehe auch bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Er warb für ein "professionelles Informationsmanagement". Und es gelte, die Potenziale im Tourismus besser auszuschöpfen.


Fünf Handlungsschwerpunkte

Rother präsentierte fünf Handlungsfelder, wobei die Themen Lebensqualität und Fachkräfte/Bildung dominant seien, die Bereiche ÖPNV und Mobilität, Digitalisierung und Tourismus "eher dienenden Charakter" hätten. Und er hatte praktische Vorschläge parat, wie man die Erkenntnisse in die Tat umsetzen könne. Die Impulse reichten von gemeindlich angebotenen Gemeinschaftspraxen für Ärzte, über einen Freizeit- und Wissenspark, der dem Königsberger Mathematiker Regiomontanus gewidmet sein könnte, bis zu einem "Lebensqualitätindex". Auch die Ansiedlung einer Hochschule, die Einrichtung sogenannter Pendler-Stationen oder von "Co-Working"-Räumen brachte der Diplom-Geograph ins Gespräch. Alles in allem sei der Landkreis "gut, wenn nicht sogar sehr gut aufgestellt", müsse es aber schaffen, besser zu kommunizieren. Ein Weg dazu sei das Portal wirtschaftsrauum-hassberge.de.


Diskussion

In der Diskussion machte sich Busunternehmer Bernhard Hümmer für das "zarte Pflänzchen Öffentlicher Personennahverkehr" und für ein verstärktes Augenmerk auf den Tourismus stark. Unternehmer Michael Thomé sprach an, dass es im Landkreis Haßberge keinen zentralen Industriestandort gibt, an dem die Abwärme seines Unternehmens ökologisch sinnvoll genutzt werden könnte. Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann hielt dagegen, dass auch dezentrale Kooperationen sinnvolle Ergebnisse bringen könnten, etwa wenn eine benachbarte Gärtnerei die Abwärme einer Firma nutzt. Ein Loblied auf die Lebensqualität im Landkreis sang der ehemalige Leiter der Schreinermeisterschule Ebern, Dieter Stojan. Er lebe seit 34 Jahren hier, "gefühlt wie Gott in Frankreich".