Friedrich Rückert fasziniert die Menschen im Landkreis Haßberge auch noch 150 Jahre nach seinem Tod. Das zeigte sich auch bei einer speziellen Exkursion, die jetzt anlässlich dieses Jubiläums stattfand. Das Wetter war ideal für einen "Wanderspaziergang" auf den Spuren des großen Dichters durch den Wald. Das sahen knapp 60 Personen ebenso, die sich alle am Gereuther Schloss getroffen haben, um mit Kreisheimatpfleger Günter Lipp aus Frickendorf durch den Wald zu spazieren.

Ziel des knapp zweistündigen Ausflugs war das Waldstück "Glasholz" oder auch "Gereuther Tannen" zwischen Gereuth und Wüstenwelsberg. Dessen Geschichte ist untrennbar mit der Geschichte des Gereuther Schlosses verbunden. Schließlich war der Schlossherr derjenige, der im Dorf und dessen unmittelbarer Umgebung das Sagen hatte. So war es auch Philipp Ignatius Carl Anton Reichsfreiherr von Greiffenclau, der 1797 noch den Auftrag zur Erstellung des Landschaftsgartens am Glasholz gegeben hatte.

"Glasholz", so erläuterte Lipp, "hat nichts mit Glas zu tun". Glas bedeutete im Althochdeutschen auch einen tieferen Geländeeinschnitt, von einer Mulde bis zu einer Schlucht. Jetzt kann wir noch so manchen kleinen Rest des damaligen Landschaftsparks sehen. Dieser orientierte sich am englischen Gartenstil der gerade groß in Mode war. Dabei sollte der Mensch die Natur nur noch unterstützen, nicht mehr komplett seinem Willen unterwerfen, wie das in der vorherigen Gartenmode noch en vogue war.


Weite Aussichten

Was man sich heute kaum noch vorstellen kann, sind die Ausblicke, die damals aus diesem Waldstück möglich waren. "Der Wald war eben erst jung gepflanzt, die Bäume noch nicht so hoch, da konnte man noch alle Ausblicke genießen" erläuterte der Kreisheimatpfleger. Zudem waren in dem damaligen Landschaftspark Gedichte zur Volksbildung auf Tafeln angebracht, da die Greiffenclau verfügt hatten "Sonntags ist es auch den Landleuten erlaubt, hier ein Vergnügen zu suchen."


Teehaus im chinesischen Stil

Dazu kamen zahlreiche Gebäude, Kleindenkmäler, Brücken, Pyramiden, Sinnsteine, Felsen, Grotten, Steinbrüche, Äcker, Quellen, Wege, Teiche Sümpfe, Anhöhen, Ruhebänke, Sonnenschirme usw.. Vieles davon ist mittlerweile verschwunden.

"Sogar ein chinesisches Teehaus hat es hier gegeben. Stellen Sie sich das einmal vor, ein chinesisches Teehaus in Gereuth" beeindruckte Lipp seine Zuhörer. Auf der Wanderung besuchte die Gruppe, die sich zeitweise angenehm wie beim Wandertag in der Schule fühlen konnte, vier der noch verbliebenen Kleindenkmäler.
Den Theresienstein zu dessen Entstehung es mehrere Geschichten gibt, den Einsiedlerstein an dem nie ein Einsiedler gelebt hat, die Rückertsteine und den Tanzplatz.


Hintergrund ist nicht bekannt

Der Sinn und Zweck der Rückersteine, ehemals neun, jetzt nur noch sieben, zylinderförmige Steine ist auch dem findigen Geschichtsforscher Günter Lipp nicht bekannt. "Vielleicht dienten sie einer Art Reise-nach-Jerusalem-Spiel" spekulierte der Heimatforscher augenzwinkernd. "Das hätte den charmanten Effekt, dass die Herren den Damen galant vom Stein helfen konnten."

Am Tanzplatz schließlich, wo sich in den Jahren 1812/13 immer wieder Donnerstags die Söhne und Töchter des gehobenen Bildungsbürgertums und des Adels aus der Umgegend auf Einladung der Greiffenclau trafen, traf auch der junge Dichter Friedrich Rückert auf die noch wesentlich jüngere Agnes Müller, seine erste "große" Liebe. Dort, in einer Art "Natur-Diskothek" wie Günter Lipp beschreibt, trafen die beiden 1812 bei Tanz und Spiel aufeinander. "Ob es wirklich die große Liebe war, wissen wir nicht, gefunkt hat es aber sicher." Agnes Müller war 15, Rückert 24. "Und hier auf dem Tanzplatz erlitt Agnes einen Blutsturz, bald darauf starb sie." Vermutlich hatte sie an Schwindsucht oder Tuberkulose gelitten, einem damals weit verbreiteten Krankheitsbild. Ob des Todes der schönen Maid war Rückert tief bestürzt.
Diese und viele andere Geschichten gab Lipp bei der interessanten Wanderung durch den noch recht jungen Wald zum Besten. Doch es gab auch zahlreiche Möglichkeiten, sich untereinander zu unterhalten. Sicher werden auch einige der Teilnehmer die ihnen nun bekannte Strecke im Kreis der Familie oder von Freunden nochmals ablaufen, um die Eindrücke zu vertiefen und mit ihren Lieben zu teilen.