Der Arbeitsmarkt in Oberfranken hat sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Das hat die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) auf ihrem Kongress "Vorsprung Bayern - Perspektiven des oberfränkischen Arbeitsmarktes" auf Schloss Thurnau deutlich gemacht. Gemeinsam mit Experten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung wurde der oberfränkische Arbeitsmarkt beleuchtet.
So konnte zwischen 2007 und 2017 die Arbeitslosenquote von 7,1 Prozent auf nunmehr 3,5 Prozent verringert werden. Auch die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Arbeitskräftenachfrage erreichen immer wieder neue Höchststände, aber gleichzeitig steht der oberfränkische Arbeitsmarkt vor großen Herausforderungen: Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung und der Digitalisierung sind schon heute spürbar. Weitere Handlungsfelder stellen der nachhaltige Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit und die Integration Geflüchteter in Ausbildung und Arbeit dar.
Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt aus München stellte fest: "Die Arbeitslosenquote von 3,2 Prozent markiert den besten März-Wert in Bayern, der je gemessen wurde. Der Arbeitsmarkt in Bayern ist ein Leuchtturm für ganz Deutschland und zeigt sich in allen Regionen, auch in Oberfranken." Gerade die Arbeitslosigkeit von Frauen und Jugendlichen sowie die Langzeitarbeitslosigkeit konnten im letzten Jahrzehnt spürbar gesenkt werden. Brossardt: "Die ausgezeichnete Arbeitsmarktlage in Bayern und Oberfranken ist aber nicht einfach vom Himmel gefallen. Dahinter steckt in erster Linie der Erfolg der hier ansässigen Unternehmen. Durch nachhaltige und innovative Wertschöpfung schaffen und sichern sie Arbeitsplätze auf hohem Niveau."
Wenn die gute Beschäftigungslage so bleiben soll, so Brossardt, brauche man eine beschäftigungsfördernde Wirtschaftspolitik. "Und das heißt vor allem: Alles, was die Arbeitskosten weiter nach oben treibt, muss verhindert werden. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD geht hier in die genau andere Richtung." Der Koalitionsvertrag setze darauf, dass es mit der guten Konjunktur genauso weitergeht wie bisher und das hielt Bertram Brossardt für eine sehr riskante Wette.
Für den Arbeitsmarkt nannte er vier zentrale Herausforderungen: die Sicherung des Fachkräftebedarfs, die Digitalisierung, die Integration der Flüchtlinge und die weitere Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit.
Zur ersten Herausforderung, dem Fachkräftemangel, stellte Brossardt fest, dass in bestimmten Berufen und Regionen heute die Fachkräfte in ausreichender Zahl fehlen: "In Bayern als wirtschaftlich starkem Land und High-Tech-Standort zeigen sich die Engpässe breiter und intensiver." Engpässe zeigten sich vor allem in den technischen Berufen, den Bauberufen sowie dem Gesundheits- und Pflegesektor. Durch den demografischen Wandel sieht der Hauptgeschäftsführer die Gefahr, dass sich das Problem in Zukunft noch deutlich verschärfen wird, denn für Oberfranken werde zwischen 2015 und 2035 ein Bevölkerungsrückgang von 5,1 Prozent erwartet. So verringere sich im Ergebnis vor allem die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, was den oberfränkischen Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen stelle.
Brossardt: "Gegen die sich verschärfende Fachkräftelücke müssen wir mit einer Reihe von Maßnahmen ansetzen. Zunächst gilt, wir müssen Menschen, die arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind, in Beschäftigung bringen oder halten. Von zentraler Bedeutung ist hier ein flexibler Arbeitsmarkt." Weiter nannte Brossardt eine längere Lebensarbeitszeit, die Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine gezielte Zuwanderung.
Was die Digitalisierung der Arbeitswelt angeht, müsse der Rechtsrahmen für Arbeit an die Erfordernisse angepasst werden. "Wir brauchen jedoch eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit, weg von einer täglichen hin zu einer wöchentlichen Betrachtung mit einem maximalen Spielraum von 48 Stunden." Bertram Brossardt abschließend: "Wir müssen verstärkt auf präventive Maßnahmen setzen. Langzeitarbeitslosigkeit darf gar nicht erst entstehen. Die aktuelle Diskussion über die Hartz-IV-Gesetze ist hingegen völlig verfehlt." Und den Vorschlag des Berliner Bürgermeisters zu einem "Solidarischen Grundeinkommen‘" hielt Brossardt für einen Irrweg.
Anschließend zeigte Ralf Holtzwart, Vorsitzender der Geschäftsführung Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, Zahlen, Daten und Fakten zum oberfränkischen Arbeitsmarkt auf. Eine Podiumsdiskussion mit den Landtagsabgeordneten Martin Schöffel (CSU), Klaus Adelt (SPD) und Thorsten Glauber (FW) sowie dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bayern-FDP, Sebastian Körber, Ralf Holtzwart, und Bertram Brossardt rundete den Kongress ab.