Eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten bekam ein Student aus Mittelamerika, der sich einer sexuellen Nötigung schuldig gemacht hatte. Dabei hatte es zuerst ausgesehen, als ob er viel mehr zu befürchten hätte. Hatte Staatsanwalt Stephan Schäl doch eine Vergewaltigung angeklagt. Nur um Haaresbreite entging der junge Mann der Gefängniszelle.
Wein und Rum
Es ist Mitte Februar und Wochenende in Bamberg. Irgendwann in den frühen Morgenstunden kommt eine Gruppe junger Leute vom Discobesuch zurück. Man hat schon einiges intus. Aber ein Absacker geht noch. Also lädt die 25-jährige Romy F. (Name geändert) alle noch zu sich nach Hause ein. Mit dabei auch der Freund eines Freundes - jener gleichaltrige Julio N., der sich wegen der dann folgenden Vorfälle nun vor dem Schöffengericht wiederfand. Es gibt Wein und Rum, "eine gefährliche Mischung", wie der Angeklagte zugeben musste. Schließlich legen sich alle vom Tanzen und Trinken erschöpft nieder.
Doch an Schlaf ist für einige nicht zu denken. Immer wieder versucht Julio N. sein Glück bei einer der jungen Frauen. Er kann die Finger nicht bei sich behalten. Sogar einen Mann "fasst er unten an". Nur ein Freund der Wohnungsmieterin Romy F. verhindert wortreich, dass diese den Störenfried vor die Tür setzt. Die Nachsicht würde Romy F. später noch teuer zu stehen kommen. Jedenfalls schläft sie mit ihrem Freund im eigenen Bett ein, während Julio N. im Nebenzimmer auf dem Sofa liegen bleiben soll. Was er aber nicht tut. Als Romy F. aus dem Tiefschlaf aufschreckt, liegt Julio N. plötzlich neben ihr und hat die Hand zwischen ihren Beinen. Ihre Jogginghose und ihren Slip hat er vorsorglich schon einmal heruntergezogen. "Ich war irritiert und geschockt," so die Mediengestalterin im Zeugenstand. Sie habe dann geschrien und die Hand weggeschlagen. Dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. "Es dauerte wenige Sekunden," bestätigte auch Julio N., der wegen des Prozesses inzwischen von seiner Lebensgefährtin mit dem gemeinsamen dreijährigen Kind verlassen wurde.
Der von Maximilian Glabasnia (Bamberg) vertretene Angeklagte räumte die Vorwürfe bis auf ein entscheidendes Detail ein. "Ich habe mich hinreißen lassen und habe sie in sexueller Absicht berührt. Ich kann aber nicht sagen, ob ich mit dem Finger in ihr war." An der Frage, ob einer oder mehrere seiner Finger in sie eingedrungen waren, eine aus juristischer Sicht beischlafähnliche Handlung, oder ob er sie "nur" mit der Hand im Intimbereich angefasst hatte, entschied sich, ob es sich um eine Vergewaltigung oder die weniger schwere sexuelle Nötigung handelte.
Das eine hätte ihn einige Zeit hinter Gitter gebracht, beim anderen bestand auch die Möglichkeit der Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung. Das ebenfalls betrunkene Opfer des Übergriffs jedenfalls konnte sich nicht mehr erinnern, ob es zum Äußersten gekommen war. "Die Grenze zur Vergewaltigung ist nur knapp verfehlt," kommentierte Amtsrichterin Marion Aman.
Situation ausgenutzt
Zugute kam Julio N., dass Romy F. während der Tat keine Schmerzen verspürte, hernach keine Verletzung ersichtlich und eine psychologische Behandlung nicht notwendig geworden war. Auch "eine glaubhafte Entschuldigung" (Richterin Aman) half: Ihr bei der Verarbeitung der traumatischen Geschehnisse, ihm zu einer milderen Strafe. Zudem hat der junge Mann beruflich beste Aussichten. Zu seinen Lasten ging, dass er die Situation der schlafenden Romy F. ausgenutzt und bereits eine Vorstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen 2015 auf dem Kerbholz hatte. Nicht zu einer niedrigeren Strafe führte seine alkoholbedingte Enthemmung. "Sie waren betrunken, wussten aber immer noch, was Sie taten," so Staatsanwalt Schäl. Der Rausch erkläre einiges, entschuldige aber nichts. Die Anregung Schäls, dem Angeklagten 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit aufzuerlegen, damit er noch einige Zeit an sein Fehlverhalten denkt, griff das Schöffengericht auf.