Der evangelische Kindergarten Friedenskirche in Kitzingen feiert am 16. Juni sein 70-jähriges Bestehen mit einem großen Fest. Wie hat sich die Arbeit im Kindergarten in sieben Jahrzehnten verändert? Ein Gespräch mit Kindergartenleiterin Kathrin Stamm, Stellvertreterin Irene Müller und Pfarrer Michael Bausenwein als Kindergartenträger.
Kathrin Stamm: Eine der wesentlichsten Veränderungen war die Einführung der Krippen. Bei uns gab es 2009 die erste Gruppe.
Eine richtige Entscheidung?Stamm: Ja, und eine wichtige. Das System Familie hat sich verändert. Oft arbeiten die Eltern heute, müssen Beruf und Familie unter einen Hut bringen . Dazu braucht es die Krippenbetreuung.
Erschwert der höhere Betreuungsaufwand die Arbeit im Kindergarten?Stamm: Krippen sind eine große Herausforderung für die pädagogische Arbeit. Aber sie sind auch eine Bereicherung für uns. Kleine Kinder haben andere Bedürfnisse als die größeren. Das öffnet ganz andere Blickwinkel.
Irene Müller: Wir hatten die ganze Dokumentation nicht. Die Beobachtungsbögen zum Beispiel, die braucht jemand, der schon lange im Beruf ist, eigentlich nicht. Auch Elterngespräche oder andere Gespräche müssen viel aufwändiger dokumentiert werden. Und früher war der Krankenstand nicht so hoch. Das Problem gibt es in allen Kindergärten.
Lässt sich aus dem Krankenstand folgern, dass es zu wenig Personal gibt?Stamm: Wir haben einen guten Personalschlüssel, und wenn alle da sind, ist es okay. Aber der Schlüssel ändert sich ja zunächst nicht, wenn eine Kraft krank wird. Sie wird erst aus dem Schlüssel genommen, wenn sie mehr als 42 Tage ausfällt. Ein Personalschlüssel entspricht nie der Realität, weil Fehltage nicht eingerechnet werden.
Wie viele Mitarbeiterinnen gibt es im Kindergarten Friedenskirche?Stamm: Wir sind 17 Kräfte, vier davon in Vollzeit. Wir betreuen etwa 100 Kinder in drei Kindergartengruppen und einer Krippengruppe. Mehr können wir nicht aufnehmen, trotz langer Warteliste.
Müller: Früher waren wir nur Vollzeitkräfte. Die erste Teilzeitkraft beim Träger durchzusetzen, war schwierig. Heute sind Teilzeitkräfte in Kindergärten normal.
Ist es schwierig, Mitarbeitende zu finden?Pfarrer Michael Bausenwein: Ja, gutes und qualifiziertes Personal zu finden, ist nicht leicht – jemanden, der die Arbeit mit Kindern von Herzen macht und als Berufung sieht.
Stellen Sie auch Männer ein?Bausenwein: Wir hatten immer wieder Erzieher. Sie werden gut akzeptiert, auch von den Eltern.
Stamm: Nur momentan ist leider kein Mann da. Erzieher sind wertvoll, weil sie einen anderen Blickwinkel mitbringen.
Manche Leute behaupten, Kinder seien schwieriger geworden. Wie sind Ihre Erfahrungen?Stamm: "Schwieriger" hört sich so negativ an. Die Lebensumstände von Kindern haben sich ja geändert. Die Eltern sind berufstätig, manchmal im Schichtdienst, bei anderen Kindern gibt es Sprachbarrieren – das ist manchmal nicht einfach für die Kinder. Dazu kommt die veränderte Mediennutzung. Wir haben einfach andere Zeiten.
Und die Eltern: Ist es mit denen schwieriger als früher?Stamm: Auch darauf gibt es keine pauschale Antwort. Aber man kann vielleicht sagen, dass manche Eltern verunsichert sind. Die Schwiegerleute sagen: Mach das so. Das Fernsehen sagt: Mach es anders. Und der Podcast von einem angeblichen oder echten Fachmann gibt wieder andere Ratschläge. Das kann leicht überfordern. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Das Bauchgefühl der Eltern geht verloren.
Stamm: Als ich klein war, hieß es: Jetzt ist Schlafenszeit! Dann mussten sich alle hinlegen und schlafen. Oder es wurde vor 25 Kindern ein Buch vorgelesen. Dann saßen alle mehr oder weniger still da, und nur die Hälfte hat zugehört.
Müller: Jetzt sage ich: "Ich lese ein Buch vor. Wer von den Wichteln und Riesen hat Lust zuzuhören?" Die Kinder können viel mehr selbst entscheiden als früher, was sie machen wollen. Wir legen viel Augenmerk auf die Freispielzeit.
Bausenwein: Das merke ich auch, wenn ich die Kinder im Garten spielen sehe: Es ist so wertvoll, Kind zu sein. Deshalb ist es wichtig, ihnen Freiraum zu geben.
Bausenwein: Unsere Kinder sind vorwiegend aus der Siedlung, aber auch aus anderen Stadtteilen, in denen es keine Krippe oder zu wenige Krippenplätze gibt. Aber es sind Kinder aller Konfessionen und Nationalitäten; da gab es noch nie eine Priorisierung.
Und im Kindergartenalltag?Stamm: Die Kirche, die ja auf dem gleichen Gelände ist, und Pfarrer Bausenwein gehören zum Kindergarten einfach dazu. Er kommt einmal die Woche zu uns, wir beten, wir feiern alle christlichen Feste. Die Kinder und Eltern finden das schön, das merken wir an den Rückmeldungen.
Bausenwein: Es geht ja auch um gesellschaftliche Standardwerte. Ohne die kommt man nicht aus, wenn man zukunftsfähig sein will. Die Kindergartenarbeit ist da elementar wichtig, sie ergänzt die Arbeit in den Familien.
Stamm: Nein. Wir haben ein gutes, professionelles Miteinander, eine offene Kommunikation und schätzen uns sehr. Wir haben eine gute Basis und bekommen nichts übergestülpt.
Bausenwein: Einmischen wäre der falsche Begriff. Mir sitzen ja Fachleute gegenüber, die sich mit ihrer Arbeit auskennen. Unsere Zusammenarbeit ist sehr von Vertrauen geprägt und sehr konstruktiv.
Andere kirchlichen Träger ziehen sich zurück, geben ihre Kitas ab. Ist das für Sie auch eine Option?Bausenwein: Nein, unsere Gemeinde denkt nicht darüber nach. Unser Kindergarten ist uns sehr viel wert.