Ekkehard Roepert

Kreis Forchheim — Thomas Gügel, Maler- und Stuckateur-Meister aus Heroldsbach, rüttelte die 30 Teilnehmer am Runden Tisch Asyl mit dieser Geschichte auf: Im Betrieb werden händeringend Azubis gesucht. Ein Deutscher unterschreibt einen Vertrag, doch tritt er die Ausbildungsstelle erst gar nicht an. Ein junger Afghane unterschreibt ebenfalls. Er will unbedingt arbeiten und spricht gutes Deutsch. Doch er soll abgeschoben werden; daher wird die Ausbildungserlaubnis widerrufen. Thomas Gügel und seine Gesellen sind empört und sind sich einig: Das darf nicht sein!
Die Caritas lud Flüchtlinge, sowie ehrenamtliche und professionellen Asyl-Helfer ein, um sich mit den Landtagsabgeordneten Michael Hofmann (CSU) und Thorsten Glauber (FW) über das Thema Integration und Arbeitsmarkt zu verständigen.
Die afghanischen Flüchtlinge Rafiullah Momand, Sadegh Mesbahzadeh und Asadollah Nazari erzählten von den Widrigkeiten, in der deutschen Arbeitswelt zu bestehen. "Ich habe ein Jahr gekämpft, unser Problem ist die Arbeitserlaubnis", sagte Sadegh. "Ihm wird unterstellt, dass er bei der Klärung seiner Identität nicht mitwirkt", erläuterte Clarissa Witzlinger vom Integrations-Point der Awo. Die Behörde in Bayreuth lehne teilweise sogar offizielle Papiere aus Kabul ab, weil sie in englischer Sprache ausgestellt seien, berichtet Clarissa Witzlinger. Die Behörden seien zudem nicht behilflich, die Geburtsurkunde (sogenannte Tazkira) zu beschaffen. Es werde lediglich behauptet, dass es möglich sei - und immer wieder würden neue Bedingungen gestellt, die die Beschaffung verhinderten.


Blutende Betriebe

"Es gibt Betriebe, die bluten aus", warnte Michael Wunder (IHK Bayreuth). Auch er beklagte, dass es oft an "einem Zettel hängt", der die Ausbildung eines Flüchtlings verhindere.
"Wer die Chance hat, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, dem sollten wir es einräumen", forderte MdL Thorsten Glauber. Und plädierte dafür, die "Graubereiche besser auszuschöpfen". Damit gab er jenen Recht, die sich wie Atila Karabag (SPD Forchheim) dafür einsetzten, "pragmatisch die Ausbildung auch jener Flüchtlinge zu unterstützen, die noch keine Aufenthaltserlaubnis haben". Langfristig müsse aber ein Einwanderungsgesetz her, sagten Karabag und die Ex-Europaabgeordnete Wilmya Zimmermann (SPD) unisono.
MdL Hofmann räume ein: "Die Instrumente, den Mangel an Fachkräften zu beseitigen, greifen nicht." Aber der CSU-Abgeordnete warnte davor, deshalb den Fachkräftemangel durch das Thema Asyl beheben zu wollen. Wie Michael Wunder (IHK) sagte Hofmann, dass die Flüchtlinge bestenfalls zu einer "Abfederung des Fachkräftemangels" beitragen könnten. Vor allem dürfe die Forderung nach raschen Asylverfahren nicht gegen das "Sicherheitsbedürfnis des Staates" ausgespielt werden, beharrte Hofmann. Bei der Identitätsprüfung sei nun mal ein "strenges Vorgehen" sinnvoll.
Peter Ehmann, (Kreis-Geschäftsführer der Caritas und Mitarbeiter im Bamberger Asyl-Zentrum), moderierte den Runden Tisch Asyl. Er warnte ebenfalls vor "Blauäugigkeit". Der Staat dürfe sich weder von der Not der Flüchtlinge, noch vom Fachkräftemangel erpressen lassen. "Der Staat muss schauen: Wem gebe ich die Erlaubnis zu arbeiten." Zugleich betonte Ehmann, er könne "die Wut und den Ärger" jener Helfer verstehen, die persönliche Beziehungen zu Flüchtlingen hätten und für sie bürgten.
Dieser Ärger wurde am Runden Tisch spürbar. "Wir reißen uns den Arsch auf, um zu helfen und bekommen immer wieder zu hören, es geht nicht", wetterte Clarissa Witzlinger, die die uneinheitlichen Maßstäbe in den Behörden beklagte. MdL Hofmann hielt entgegen: Die Fälle seien auch nicht beliebig vergleichbar - daher gebe es "unterschiedlich pragmatische Arbeitsweisen."
"Wir drehen uns im Kreis, weil Rechtsräume nicht definiert werden", kritisierte der ehrenamtliche Helfer Dieter Ulmer (Forchheim). Er erzählte die irritierende Geschichte eines jungen Afghanen, der "freiwillig" zurück wollte. Ulmer begleitete ihn nach München - und selbst die Mitarbeiter der afghanischen Botschaft hätten mit Unverständnis reagiert: Warum willst du zurück, im Land ist Krieg?


"Sermon der Bescheide"

Ulmer klagte die Verfahren an, die dazu führten, dass "die Leute in den Unterkünften verelenden". Speziell in Oberfranken sei aus dem "Sermon der Bescheide" der Verhinderungswille der "harten Beamten" geradezu herauszulesen. Ulmers Bitte an die Verwaltung: "Stärkeres Clustering, um vergleichbare Fälle schnell abzuhaken." Thomas Leitsch (Flüchtlingshilfe Obertrubach) pochte ebenfalls auf Pragmatismus: Warum soll sich das Sozialsystem mit den Flüchtlingen beschäftigen, wenn es doch Bürgen gebe, die deren Eignung zur Integration und Arbeit bestätigten?
Sich die "Freiheit des Denkens" durch die "Stimmung gegen die Flüchtlinge kaputt machen zu lassen", davor warnte Pfarrer Enno Weidt (Dekanat Forchheim): "Wir müssen die Ermessens-Spielräume nutzen, sonst wird es unwürdig für die Flüchtlinge."
Auch Peter Ehmann verwies auf ein Schreiben von höchster Stelle aus Bayreuth, das auffordert, die Ermessens-Spielräume zu nutzen. Pastoralreferent Dietmar Denzler sagte: "Identität ist nicht ein Blatt Papier."
Eine gute Behandlung der Flüchtlinge verändere ihre Identität; und sie auszubilden, sei "nebenbei die beste Art der Kontrolle".
MdL Glauber machte Mut, die Grauzonen auszuloten und nicht schwarz-weiß zu entscheiden: "Die Auslegung der Gesetze lässt viele schöne Schattierungen zu. Den Graubereich zu Gunsten der jungen Menschen anzuwenden, das fehlt mir."