Klaus-Dieter Stolper

Die witzige Pointe zu Beginn: Durch ein Versehen wandelt sich der „Madrigal“-Chor nach seiner Gründung zum „Marginal“-Chor … und bleibt dabei!

Im Höchstadter Konzert freilich geschieht ein „Retro“ – zumindest was die Programmliste angeht: Madrigalsätze der englischen Ensemble-Kunst des 16. und frühen 17. Jahrhunderts (Tallis, Dowland, Bennet, Campion) dominieren und werden von einem respektablen Publikum überaus herzlich aufgenommen.

Zarte Miniaturen

Madrigale sind inhaltlich zarte, innige Miniaturen; sie wollen keine Klangmassen; sie brauchen sensible Ausdeutung der Texte, eine fein geführte Lautstärkedosierung, perfekte Intonation und Balance der Stimmen, eine behutsame Zeichnung der melodischen Linien. Dies auch, wenn Nachahmer späterer Epochen (im Konzert : Brahms , Reger. Mendelssohn, Clements, Gies) nach neuer Klanglichkeit streben.

Der Marginalchor erfüllt fast all diese Ansprüche weit über das gängige Chorniveau hinaus: Sicher auch das Verdienst des Chorleiters Jörg Neubauer. „Sein“ Chorklang ist angenehm aus dem Piano entwickelt; mit kleinster, gleichwohl suggestiver Gestik lenkt er seine Truppe. Gelegentlich greift er zur Gitarre, überträgt damit dezent und stilsicher die ursprüngliche Lautenbegleitung.

Das Thema „Sehnsucht“ leuchtet der Chor ganz in der eher intimen, besinnlichen, auch larmoyanten Seite aus. Allerdings kommt dabei der emphatisch bewegte, dann eben auch mal sehr herbe Aspekt der Sehnsucht zu kurz. Hier könnte das Programm eine ermunternde Bereicherung erfahren.

Zupackende Spielkunst

Mehr als Klangkontrast zum Chor: Die Geigerin Monica Sardón Hidaldo, am Klavier versiert begleitet von Konzertinitiatorin und Chor-Altistin Helen Gibson. Die Beiträge der spanischen Violinistin (unter anderem die berühmte Massenet-Meditation) zeugen von südlich zupackender Spielkunst und überspringender Auftrittspräsenz. Ihren Solobeitrag, das Adagio aus der g-moll-Sonate Joh. Seb. Bachs, besteht sie glänzend vor all den hellhörigen Ohren im Raum: Bach wieder der Prüfstein!

Mit drei erbetenen Zugaben klingt der besinnliche Sommerabend aus; zuletzt mit einem Chorsatz über Eichendorffs berührendes Abendlied: „O du stille Zeit, kommst eh wir“s gedacht“. Andernorts freilich sprudelt die Mittsommernachts-Open-Air-Kultur munter weiter…