Otto Pröls hat ein historisches Dokument dem Verein Forum Alte Synagoge Mühlhausen übergeben, der es in sein Archiv übernommen hat. Es handelt sich um den Entlassungsschein von Albert Schloß aus dem Konzentrationslager Theresienstadt, der auf den 15. August 1945 datiert ist.
Albert Schloß (geb. 1878 in Ermreuth) heiratete am 22. Juni 1907 Emma Löwenthal und zog zu seiner Frau in ihren Heimatort Mühlhausen . Die Eheleute betrieben dort gemeinsam einen Tabakhandel in der Hauptstraße 15. Seit 1924 war Schloß Mitglied des Vorstands der Jüdischen Kultusgemeinde.
Nachdem im Zuge der Novemberpogrome 1938 auch in Mühlhausen die jüdischen Geschäfte und Wohnungen verwüstet worden waren, konnten sich die verbliebenen 33 jüdischen Mühlhausener in ihrem Heimatort nicht mehr sicher fühlen.
Albert und Emma Schloß zogen daraus die Konsequenzen und zogen am 20. Juni 1939 in die Anonymität der Großstadt nach Frankfurt. Möglicherweise hatten sie dort Verwandte, bei denen sie unterkommen konnten. In ihrer Wohnung im Sandweg 79 durften sie aber nicht bleiben und wurden schließlich in ein sogenanntes „Judenhaus“ in der Elkenbachstraße 16/I eingewiesen.
Von dort aus wurde das Paar in die Frankfurter Großmarkthalle getrieben, die zur ungestörten Abwicklung der Deportationen umfunktioniert worden war. Am 1. September 1942 erfolgte mit dem Transport XII/2 und den Transportnummern 497 und 498 die Verschleppung nach dem Ghetto Theresienstadt. Die Fahrt in Viehwaggons zusammen mit 1110 weiteren Deportierten dauerte einen ganzen Tag.
Die Eheleute Schloß wurden in das Gebäude Q603 eingewiesen und lebten, Männer und Frauen getrennt, in drangvoller Überbelegung, er in Zimmer Nr. 2 und sie in Nr. 4.
Am 21. Januar 1943 verlor Albert Schloß seine Ehefrau durch „Gangrasia senilis (Altersbrand)“, wie es in der noch erhaltenen Todesfallanzeige aus Theresienstadt heißt. Solche Diagnosen wurden ohne konkrete Untersuchung erfunden, um den Anschein einer ordentlichen medizinischen Versorgung zu erwecken. Noch zwei weitere Jahre vegetierte Herr Schloß unter schwer vorstellbaren Umständen weiter, bis am 8. Mai 1945 sowjetische Truppen das Lager befreiten.
Typhus grassierte
Dass Schloß aber nach der Befreiung, wie sehr viele Lagerinsassen auch, weiter in Theresienstadt interniert blieb, ergab sich aus der Notwendigkeit, die Ausbreitung einer grassierenden Typhusepidemie zu verhindern. Für eine große Anzahl der Überlebenden gab es keine Freiheit mehr: Geschätzt 3000 Menschen rafften der Typhus oder andere Krankheiten noch hin.
Für Albert Schloß kam nach seiner Genesung der Tag der Abreise am 15. August 1945. Daraus lässt sich schließen, dass er sehr krank gewesen war. Den Sturm der Gefühle, den Begleitschein entgegenzunehmen, wird kaum jemand nachvollziehen können. Zu seiner Trauer um die am 21. Januar 1943 gestorbene Ehefrau Emma kamen seine Einsamkeit und die Angst vor der Zukunft. All das wird seine Freude über die wiedergewonnene Freiheit überdeckt haben.
Zurück zum Ort der Deportation
Im Begleitschein ist die (unrichtige) Information enthalten, dass er seit dem 15. September 1942 (als Häftling) in den Bestand des Lagers aufgenommen worden war. Richtig ist aber, dass der Deportationszug XII/2 am 1. September an der Markthalle Frankfurt abgefahren war und tags darauf Bauschowitz erreichte, den Bahnhof des Lagers.
Die viersprachig abgefasste Bescheinigung über die Entlassung diente gleichzeitig als Passierschein für den erleichterten Kontakt mit Militär- und Zivilbehörden. Schließlich musste der Entlassene die sowjetisch kontrollierte Grenze nach Bayern überqueren und sich ab dort im amerikanischen Sektor bewegen. Grundsätzlich wurden Entlassene an den Ort ihrer Deportation zurückgebracht, im Fall von Albert Schloß also nach Frankfurt.
1946 kehrte er als einziger Jude seiner Gemeinde nach Mühlhausen zurück. Aus Berichten von anderen Überlebenden lässt sich ersehen, wie wenig willkommen die jüdischen Heimkehrer in der alten Heimat waren, wie schwer es ihnen von Behörden und Bevölkerung gemacht wurde, ihre Rechte geltend zu machen und wieder an das anknüpfen zu können, was ihnen gewaltsam entrissen worden war.
Albert Schloß hatte das Glück, in der benachbarten Familie Pröls enge Freunde und tatkräftige Unterstützer zu haben. Der Zwangsverkauf seines Hauses wurde rückgängig gemacht, ein Verfahren, das ihm sicher noch einiges an Zumutung abverlangte. In seinem Haus konnte er noch bis zu seinem Tod am 23. Juni 1953 leben. Seine letzte Ruhestätte fand Albert Schloß auf dem jüdischen Friedhof von Bamberg.