Hochwasserkatastrophen mehren sich. Den Menschen bleiben nur Minuten, um die durch Sturzfluten entstehende Gefahr abzuwehren. „Über die Medien kann man die Informationen in Echtzeit erhalten“, sagt Hans Junginger, der Ingenieur der Firma Spekter aus Herzogenaurach. Die Firma hat mit der Uni Erlangen ein Starkregenfrühwarnsystem entwickelt, damit Gemeinden und Bürger diese wertvollen Minuten zum eigenen Schutz erhalten.
Dieses Warnsystem stellte Junginger in der Neunkirchner Bauausschusssitzung vor. Schon seit 2016 nehme das Thema Starkregen an Fahrt auf. Vom bayerischen Umweltministerium war die Firma Spekter mit der Klärung der Frage beauftragt worden, warum diese Ereignisse gehäuft auftreten.
Junginger erklärt, dass man die Ausuferungen der Flüsse berechnen kann. Aber: „Der Starkregen aus der Topografie kommt neu hinzu.“ Das Wasser suche Wege zum Bach und in die Senke. Die Überflutungsgefahr ist da. Und: „Die Gewitterzelle bildet sich anders als früher“, so Junginger. Sie bleibe an einer Stelle und regne eine Menge ab. „Diese Mengen können von keiner Kanalisation aufgenommen werden“, sagt der Planer.
Bisher kurze Vorwarnzeit
Erhöhte Eingänge und Lichtschächte, aber auch Regenrückhaltebecken seien für ein Jahrhunderthochwasser (HQ 100) ausgelegt. Doch das reiche für die Starkregenereignisse nicht. „Es geht deshalb bei der Vorbereitung um Zeitgewinn“, erklärt Junginger. Die Vorwarnzeit sei sehr kurz, abhängig von der Lage und wie schnell das Wasser in die Infrastruktur ablaufe und dort zur Überflutung führe.
Wie der Ingenieur deutlich macht, bleiben vom Beginn des Niederschlags bis zur Überflutung zwischen 45 Minuten und eine Stunde. Zwar zeige die App des Deutschen Wetterdienstes ( DWD ) mit der grün-blauen Grafik, wo es regnen werde. Wie viel Regen falle, sei jedoch nicht bekannt. Das werde nun gekoppelt mit dem Frühwarnsystem, welches misst, wie viel Wasser von der Wolke ankommen wird.
„Deshalb empfehlen wir mehrere Regensensoren. Sie sind sturmtauglich, wartungsfrei und liefern genaue Daten“, betont Junginger. Auch Kanalsensoren gehören zu dem Starkregenfrühwarnsystem.
Wenn nun für Neunkirchen eine Überflutung erkannt wird, sendet das System Pushnachrichten über die App, SMS oder E-Mail. „Das System ruft alle Benutzer an, so dass auch mitten in der Nacht informiert wird, wenn niemand mehr eine SMS liest, um handeln zu können“, erklärt der Ingenieur. Die Bürger können ebenfalls über diese App erfahren, dass sie Rollos und Fenster schließen müssen.
Das gesamte Gewässereinzugsgebiet in Neunkirchen wird im System einbezogen. Das ist der Brandbach als Hauptbach und die Gewässer, die zufließen wie der Haarbach, der Sendelbach oder Weilersbach. In fünf Warngebiete wird der Markt Neunkirchen eingeteilt.
Doch was bringt das Frühwarnsystem in der Realität für die Bevölkerung Neunkirchens? Wenn man das schlimmste Szenario, eine Sturzflut mitten in der Nacht, betrachtet, wollte Werner Kruckow (Grüne) wissen. „Wir gewinnen zehn bis zwanzig Minuten und rufen in der Leitstelle an, damit sie auf die Sirene drückt“, so Bürgermeister Martin Walz ( CSU ).
Als erstes könnten dann sofort die Hochwassersperren positioniert werden, bevor die Feuerwehren zu den ersten Einsätzen zum Kellerauspumpen in Privathauhalten gerufen werden.
Kosten bei 75.000 Euro
Ganz billig ist das System aber nicht. Es kostet 75.000 Euro, die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf 6000 Euro. Im Haushalt sind für das Frühwarnsystem bereits 50.000 Euro vorgesehen. Weshalb Betriebskosten? „Wir mieten uns in einem großen Rechenzentrum ein, die Funkübertragung, die Softwarepflege, Gatewaykosten, die Übertragung zu den Apps“, zählt Junginger auf.
Günstig sei es nicht, doch viel Schaden könne abgewendet werden, meinte Walz. „Mit all den Warnmöglichkeiten für die Bevölkerung stellt sich die Frage, ob es uns das nicht wert sein sollte“, betonte Walz.
Erwin Urban, der Vorstand der Neunkirchner Achsenfabrik, der seine neue Produktionshalle vorstellte, dankte dem Markt für das Frühwarnsystem. „Es ist auch für das Gewerbe wichtig. Solche Regenereignisse können einen Betrieb tagelang lahmlegen.“
Die Verwaltung wird nun mit der Firma Spekter Details und Standorte ausarbeiten, und dem Marktgemeinderat dann ein fertiges Konzept auf den Tisch legen. Noch in diesem Jahr soll das System seine Arbeit beginnen.