Ab Herbst 1917 nahmen in der Region Forchheim-Ebermannstadt die Sorgen zu, sich im bevorstehenden Winter noch mehr als bisher einschränken zu müssen. "Die städtische Bevölkerung ist verstimmt durch die große Verteuerung der wichtigsten Lebensmittel", berichtete die Regierung von Oberfranken bereits Anfang Oktober nach München.
Vor allem die Arbeiterschaft litt unter der Mangelwirtschaft. Im Oktober sah sich der Forchheimer Magistrat gezwungen, in Nürnberg "165 Paar Schuhe für unbemittelte Kinder" zu bestellen.
"Die Stadt wird die Kosten hiefür einstweilen vorschießen", heißt es in dem entsprechenden Beschluss, "Ersatz soll der Stadt aus zu sammelnden freiwilligen Spenden geleistet werden".


Für ärmere Familien

Im Januar 1918 erhielten "ärmere Familien", die bei der letzten Verteilung leer ausgegangen waren, auf Antrag "unentgeltlich Ersatzsohlen" (Holzsohlen). Die "Errichtung öffentlicher Wärmestuben" dagegen lehnte der Magistrat ab. Die Schulen sollten aber abfragen, "welche Schulkinder zu Hause keine warmen Zimmer haben". Je nach Bedarf sollten dann "einige Klassenzimmer auch außerhalb der Schulzeit geheizt werden, so dass die Kinder bei der Kälte dort ihre Aufgaben erledigen und sich aufhalten können".
In Ebermannstadt warb der Bezirksamtsvorstand Karl Stucky für die freiwillige Zeichnung sogenannter "Kriegspatenversicherungen". Einmalige Spenden würden nicht ausreichen, argumentierte er. Dazu sei "die Zahl der durch den Krieg vaterlos gewordenen Kinder" zu groß. Die "gutsituierten Teile der Bevölkerung" sollten durch die Zahlung regelmäßiger Beiträge für "bedürftige Kriegswaisenkinder" eine Art Lebensversicherung abschließen, um auf diese Weise ein kleines Kapital "zur Ausbildung für einen geordneten Beruf" zu ermöglichen. Ob diesem Aufruf tatsächlich Bürger nachgekommen sind, lässt sich nicht überprüfen.
Anfang des Jahres 1918 wurde Butter knapp. Als Ersatz wurden Margarine und Butterschmalz angeboten. Im Forchheimer Umland wurden wie in Rettern, Kauernhofen oder auch in der Fränkischen Schweiz mehrere Landwirte zu Geldstrafen verurteilt, weil sie ihrer Verpflichtung, Butter und Milch zu liefern, nicht nachgekommen waren. Das wiederum veranlasste den Vorstand des Ebermannstädter Bezirksamtes zu der Androhung, "Gesuche um Zurückstellungen und Urlaub" vom Kriegseinsatz nur dann weiterzuempfehlen, "wenn der Gesuchsteller bezw. der betreffende Haushaltungsvorstand seiner Lieferungsschuldigkeit an Vieh, Milch, Butter, Fett usw. in vollem Umfange nachgekommen ist".


Geheimschlachtung in Egloffstein

Andererseits boomte der Schwarzmarkt. In Egloffstein war bereits im November 1917 eine "Geheimschlächterei" ausgehoben worden, die in großem Umfang Fleisch frei verkaufte. "Kein Wunder", kommentierte der Ebermannstadter Wiesent-Bote, "wenn heutzutage noch so oft von markenfreien, fetten, aber sehr teueren Leckerbissen, die in gewissen Wirtschaften in Städten verabfolgt werden, erzählt wird".
Tatsächlich wurden am Forchheimer Bahnhof immer wieder illegal erworbene Lebensmittel beschlagnahmt, wie am 9. Januar 1918, als die Polizei zwei Kisten mit "Gänsen, Butter, Käse, Dürrobst und Walnüssen" in Verwahrung nahm. Überhaupt scheint es am Bahnhof sehr turbulent zugegangen zu sein, wie ein Leser im Forchheimer Tagblatt monierte.
Er beobachtete beim Halt eines aus Bamberg ankommenden Zuges "ein Drängen und Stoßen", dass Frauen und Kindern unmöglich machte, auszusteigen. "Nicht genug damit, kletterten so und so viele einfach von außen durch die Fenster in die Waggons und ließen sich von den bereits Eingestiegenen durch die Fenster hineinziehen; auch Frauenzimmer schämten sich nicht, das zu tun. Fürwahr ein anwiderndes ekelhaftes Bild."
Militärisch aber schien sich die Lage zu bessern. Ab Mitte Dezember 1917 ruhten die Waffen an der Ostfront. Die Friedensverhandlungen mit der russischen Revolutionsregierung zogen sich zwar noch bis März hin, doch immerhin war eine Front bereinigt.


"Der Friede pocht an die Tür"

"Der Friede pocht schon an die Tür", hieß es im "Neujahrsgedicht 1918" auf der Titelseite des Wiesent-Boten: "Er wagt sich zaghaft jetzt herfür, / Er kommt vom fernen Osten, / Wir halten durch und stehen frei / Im neuen Jahr mit alter Treu / Auch auf dem fernsten Posten."
Allerdings entsprach der Diktatfrieden, den Deutschland den Russen aufzwang, nicht den Vorstellungen, mit denen der amerikanische Präsident seit April 1917 und jetzt wieder im Januar 1918 für eine neue Friedensordnung und die Demokratie warb. Hindenburg und vor allem Ludendorff wollten weder auf die im Osten gewonnenen Gebiete verzichten noch die im Westen besetzten Gebiete räumen und schon gar nicht die Monarchie aufgeben.
Das wollte auch Karl Stucky nicht. In Ebermannstadt hatte er bei der Feier des 70. Geburtstags Hindenburgs im Oktober 1917 es als eine "Anmaßung" Wilsons bezeichnet, "sich in die innenpolitischen Angelegenheiten des Deutschen Reiches einzumischen". Dagegen müsse man sich energisch wehren.


Salbungsvolle Würdigungen

Auf seinen Vorschlag hin wurden daraufhin "Huldigungstelegramme an Seine Majestät den König von Bayern und an Seine Majestät den Deutschen Kaiser abgesendet". Ihrer beiden Geburtstage im Januar 1918 gedachten die beiden Forchheimer als auch die Ebermannstadter Lokalzeitung mit salbungsvollen Würdigungen auf der Titelseite. Mit großem Pomp wurde im Februar 1918 die goldene Hochzeit des bayerischen Königspaares gefeiert: Gedenkgottesdienste fanden statt, in Forchheim wurden die Häuser beflaggt und "jedes Schulkind erhielt das Bildnis des Königspaares und ein Täfelchen Chokolade".
Die monarchischen Feiern standen im krassen Gegensatz zu der Streikbewegung, der Arbeiterschaft, die von Berlin aus ganz Deutschland mit der Forderung nach "Frieden und Brot" erfasste. 42 000 Arbeiter gingen am 27. und 28. Januar 1918 allein in Nürnberg auf die Straße und forderten "einen baldigen Frieden, eine durchgreifende Reform des Wahlrechts, Aufhebung des Belagerungszustandes und bessere Ernährungsmöglichkeiten."
Nach dem Bericht des oberfränkischen Regierungspräsidenten beteiligten sich vor allem auch Jugendliche aus dem Bezirk Höchstadt an den Streiks in Nürnberg und Fürth. Er hatte sich schon Anfang des Jahres über den negativen Einfluss beklagt, den die von der "Arbeiterschaft hauptsächlich gelesenen Zeitungen" ausübten.
Gemeint waren die drei sozialdemokratischen Zeitungen - die "Fränkische Tagespost" aus Nürnberg, die "Fränkische Volkstribüne" aus Bayreuth und die "Oberfränkische Volkszeitung" aus Hof. Sie waren es, die ab Anfang 1918 immer stärker die Politisierung betrieben, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden und einen Frieden "ohne Annexionen und Kontributionen" herbeizuführen - ähnlich wie der amerikanische Präsident Wilson es forderte.