Sigismund von Dobschütz
Mit zwiespältigem Gefühl bleibt wohl manch Leser nach Lektüre des Romans "Der Gott jenes Sommers" von Ralf Rothmann zurück. Immerhin war der vorangegangene, in 25 Sprachen übersetzte Band "Im Frühling sterben" (2015) über die Dramen am Rande der Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges ein Bestseller, weshalb die Erwartungen an diesen Folgeband vielleicht zu hoch waren.
"Der Gott jenes Sommers" beschreibt am Beispiel einer Familie und ihres Umfeldes in Schleswig-Holstein das Alltagsleben in den letzten Kriegswochen 1945 - ein Leben voller Verblendung, Denunziation und Verzweiflung nach dem Motto "Rette sich, wer kann". Die Handlung wird aus Sicht der zwölfjährigen Luisa Norff geschildert, die nach Bombardierung ihrer Heimatstadt Kiel mit Eltern und 19-jähriger Schwester Billie auf das nahe Gut ihres Schwagers Vinzent geflohen ist, eines hochrangigen SS-Offiziers und Ehemann ihrer älteren Halbschwester Gudrun.
Der Alltag auf dem Gutshof geht abseits des Kriegsgeschehens noch seinen üblichen Gang. Nur aus ihrem Fenster sieht Luisa die brennende Stadt. Beim Durchstreifen des Waldes erkennt sie im fernen Barackenlager verhärmte Gestalten - Kriegsgefangene, zum Torfstechen versklavt; nach Kriegsende wird man dort ein Massengrab finden. Flüchtlinge aus dem Osten werden in Nebengebäuden, Ställen und Scheunen auf dem Gutshof untergebracht.
Beeindruckend im Sprachstil beschreibt der 1953 in Schleswig geborene Autor die Lebensumstände letzter Kriegswochen in seiner Heimatregion. Doch wirkt das Erzählte auf ältere Leser etwas abgedroschen. Rothmann verarbeitet bekannte Klischees sowohl in seinen Charakteren als auch in Situationen wie dem Tanzabend in der Prunkvilla des Nazi-Schwagers: Offiziere und SS-Funktionäre, den eigenen Untergang vor Augen, zeigen den Verlust jeglicher Moral. Szenen und die Aufforderung "Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich", ein unter NS-Funktionären zuletzt geläufiges Motto, sind abgedroschen.
Insofern bietet Rothmanns Roman nicht viel Neues. Ein interessanter Baustein ist jedoch der fiktive, von Rothmann kapitelweise eingestreute Bericht des Schreibers Bredelin Merxheim in barockem Deutsch über die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Merxheim lässt inmitten der Kriegswirren eine Kapelle bauen, um seinen nach Brandschatzung, Raub, Mord und Vergewaltigung verzweifelten Mitmenschen im Glauben einen Halt zu geben. Auch Luisa Norff will nach Ende der Schreckensjahre im Kloster Halt finden und Nonne werden: An ihrem 13. Geburtstag ist das Mädchen überzeugt, nach der Ermordung des britischen Piloten, der Hinrichtung des Schwagers, dem Selbstmord des Vaters, dem Verschwinden der Schwester und ihrer Vergewaltigung durch den Schwager das weltliche Dasein in allen Facetten gelebt und erlebt zu haben.
Mit zwiespältigem Gefühl bleibt wohl manch Leser nach Lektüre des Romans "Der Gott jenes Sommers" von Ralf Rothmann zurück. Immerhin war der vorangegangene, in 25 Sprachen übersetzte Band "Im Frühling sterben" (2015) über die Dramen am Rande der Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges ein Bestseller, weshalb die Erwartungen an diesen Folgeband vielleicht zu hoch waren.
"Der Gott jenes Sommers" beschreibt am Beispiel einer Familie und ihres Umfeldes in Schleswig-Holstein das Alltagsleben in den letzten Kriegswochen 1945 - ein Leben voller Verblendung, Denunziation und Verzweiflung nach dem Motto "Rette sich, wer kann". Die Handlung wird aus Sicht der zwölfjährigen Luisa Norff geschildert, die nach Bombardierung ihrer Heimatstadt Kiel mit Eltern und 19-jähriger Schwester Billie auf das nahe Gut ihres Schwagers Vinzent geflohen ist, eines hochrangigen SS-Offiziers und Ehemann ihrer älteren Halbschwester Gudrun.
Der Alltag auf dem Gutshof geht abseits des Kriegsgeschehens noch seinen üblichen Gang. Nur aus ihrem Fenster sieht Luisa die brennende Stadt. Beim Durchstreifen des Waldes erkennt sie im fernen Barackenlager verhärmte Gestalten - Kriegsgefangene, zum Torfstechen versklavt; nach Kriegsende wird man dort ein Massengrab finden. Flüchtlinge aus dem Osten werden in Nebengebäuden, Ställen und Scheunen auf dem Gutshof untergebracht.
Beeindruckend im Sprachstil beschreibt der 1953 in Schleswig geborene Autor die Lebensumstände letzter Kriegswochen in seiner Heimatregion. Doch wirkt das Erzählte auf ältere Leser etwas abgedroschen. Rothmann verarbeitet bekannte Klischees sowohl in seinen Charakteren als auch in Situationen wie dem Tanzabend in der Prunkvilla des Nazi-Schwagers: Offiziere und SS-Funktionäre, den eigenen Untergang vor Augen, zeigen den Verlust jeglicher Moral. Szenen und die Aufforderung "Genießt den Krieg, der Frieden wird fürchterlich", ein unter NS-Funktionären zuletzt geläufiges Motto, sind abgedroschen.
Insofern bietet Rothmanns Roman nicht viel Neues. Ein interessanter Baustein ist jedoch der fiktive, von Rothmann kapitelweise eingestreute Bericht des Schreibers Bredelin Merxheim in barockem Deutsch über die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648). Merxheim lässt inmitten der Kriegswirren eine Kapelle bauen, um seinen nach Brandschatzung, Raub, Mord und Vergewaltigung verzweifelten Mitmenschen im Glauben einen Halt zu geben. Auch Luisa Norff will nach Ende der Schreckensjahre im Kloster Halt finden und Nonne werden: An ihrem 13. Geburtstag ist das Mädchen überzeugt, nach der Ermordung des britischen Piloten, der Hinrichtung des Schwagers, dem Selbstmord des Vaters, dem Verschwinden der Schwester und ihrer Vergewaltigung durch den Schwager das weltliche Dasein in allen Facetten gelebt und erlebt zu haben.