In der Weltkulturerbestadt Bad Kissingen, wo einst zahlreiche jüdische Hotels, Sanatorien, Arztpraxen, Geschäfte und nicht zuletzt eine der größten Synagogen Bayerns das Stadtbild prägten, lädt die Volkshochschule am Sonntag, 9. November, um 15 Uhr zu einem besonderen Konzert unter dem Titel „Ich hebe meine Augen auf –Wiederentdeckung verlorener Schätze. Werke eines jüdischen Komponisten“ ein. Veranstaltungsort ist der Rossini-Saal, Am Kurgarten 8.
Die Wahl des Termins ist kein Zufall: Der 9. November ist historisch schwer belastet – Mahnung und Erinnerung an Diskriminierung, Ausgrenzung und den Bruch jüdischen Lebens in Deutschland, heißt es in der Pressemitteilung der Volkshochschule.
In Bad Kissingen tritt am gleichen Tag jedoch ein Zeichen des Gedenkens und der kulturellen Wiederbelebung auf: mit Musik, die einst – in Folge nationalsozialistischer Verfolgung – in Vergessenheit geriet.
Wer war Salomon Jadassohn – und was zeichnet seine Musik aus? Salomon Jadassohn (1831–1902) war ein deutscher Komponist, Pianist, Musiktheoretiker und Pädagoge jüdischer Herkunft. Geboren in Breslau, studierte er ab 1848 am Konservatorium Leipzig und später privat bei Franz Liszt in Weimar. Wegen seines jüdischen Glaubens war ihm jedoch der Weg zu kirchlichen Musikämtern verwehrt – stattdessen wirkte er unter anderem am Chorgesang der Leipziger Synagoge und spezialisierte sich auf Komposition und Lehre.
Jadassohn veröffentlichte über 140 Werke: darunter Symphonien, Kammermusik, Lieder und theoretische Schriften wie seine mehrbändige Musikalische Kompositionslehre. Seine Musik ist geprägt von einem melodischen Stil, starker kontrapunktischer Technik und harmonischer Tiefe – Einflüsse von Mendelssohn, Wagner und Liszt lassen sich nachverfolgen. Obwohl er zu Lebzeiten Anerkennung genoss – insbesondere als Lehrer – sind viele seiner Kompositionen heute kaum zu hören. In den letzten Jahren jedoch erleben sie eine kleine Renaissance.
Beim Konzert in Bad Kissingen steht sein Sextett op. 100 im Mittelpunkt – für zwei Pianisten (vierhändig an einem Flügel) und Streichquartett. Ergänzt wird das Programm durch Werke von Moritz Moszkowski, Camille Saint-Saëns und das eindrucksvolle Klavierquintett in f-Moll von César Franck.
Die deutsch-ukrainische Pianistin Anna Victoria Tyshayeva übernimmt den Part am Flügel. Sie ist künstlerische Leiterin des internationalen Klavierfestivals Eppstein und wurde vielfach ausgezeichnet. Begleitet wird sie vom Franck Piano Quintet: Michel Gershwin und Igor Mishurisman (Violinen), Anastasiya Mishurisman (Bratsche) und Dmitrij Gornowskij (Cello). Als Special Guest wirkt Prof. Grigory Gruzman am Klavier insbesondere für den vierstimmigen Einsatz am Flügel mit. Er ist Leiter internationaler Meisterkurse und in Fachkreisen als Interpret weltweit bekannt.
Alle Musikerinnen und Musiker bringen internationale Bühnenerfahrung und Leidenschaft für Kammermusik mit – sie versprechen ein intensives Hörerlebnis, das weit über das Gewohnte hinausgeht, so die Mitteilung.
Ein Beitrag zur lokalen Geschichte
Bad Kissingen war einst Stadt jüdischer Vielfalt. Ein Drittel der Kurgäste zu Beginn des 20. Jahrhunderts war jüdisch. Viele der Gebäude, in denen diese Kultur sichtbar war, sind heutzutage zerstört oder werden zu anderen Zwecken genutzt. Die einstige Synagoge ist heute nur noch virtuell rekonstruierbar. Aktiv erhalten bleibt jüdisches Leben in Einrichtungen wie dem Benni-Bloch-Heim, einem koscher geführten Hotel, und im Jüdischen Bethaus innerhalb des Jüdischen Gemeindehauses. Auch der Jüdische Friedhof vor Ort wird als historisches Zeugnis jüdischen Lebens gepflegt und als Erinnerungsort bewahrt.
Die Volkshochschule und Kulturschaffende der Stadt wollen laut Pressemitteilung mit dieser Veranstaltung einen Beitrag leisten: Geschichte hörbar und lebendig zu machen. „Musik kann Geschichte vermitteln, wo Worte oft zu wenig sind“, erklärt Peter Weidisch, Kulturreferent der Stadt Bad Kissingen. „Wenn wir Komponisten wie Salomon Jadassohn aufführen, holen wir ein Stück verdrängter Kultur zurück in die Gegenwart – und geben ihr einen Platz in unserem heutigen Bewusstsein.
Tickets sind erhältlich in der Tourist-Information Arkadenbau, direkt im Kurgarten, täglich von 9.30 bis 12.30 Uhr und 13.30 bis 17.30 Uhr, oder online unter: badkissingen.eventim-inhouse.de.
Die Jüdischen Kulturtage Bad Kissingen sind eine Veranstaltungsreihe von Stadt und Landkreis Bad Kissingen. Sie werden in der Regel alle drei bis vier Jahre gemeinsam mit einer Vielzahl örtlicher Veranstaltungspartner durchgeführt.
Das Programm der nunmehr 9. Auflage der Jüdischen Kulturtage Bad Kissingen umfasst 26 Veranstaltungen. Das Gesamtprogramm gibt es unter vhs-kisshab.de/juedische-kulturtage. red