Bestimmt 30 Vögel mit einer "Holle" am Kopf sitzen auf den Wiesen und picken im Gras nach Futter. "Holle" nennt man das Federbüschel, das fröhlich wippt, wenn sich der Vogel bewegt. Was beim Anblick der Vielzahl wie ein Massenobjekt wirkt, ist in Wahrheit ein seltenes Schauspiel und nur noch ein oder zwei Tage lang zu sehen: Kiebitze auf der Durchreise.

Der Jäger und Gräfenberger Stadtrat Hans Derbfuß (CSU) informierte, dass er auf den Wiesen entlang der B2 zwischen Igensdorf und Weißenohe diese in der Region seltenen Vögel erspäht hat. Und tatsächlich sind sie derzeit nicht nur an den Wiesen entlang dieser Bundesstraße zu sehen, sondern auch auf vielen Wiesen von Kunreuth Richtung Gosberg oder im Wiesental.


Projektmanagerin

Auch Julia Dummert, Projektmanagerin des Wässerwiesenprojekts am Landratsamt Forchheim, hat die seltenen Vögel gesichtet: 30 oder 40 Kiebitze auf Wiesen im Wiesental und bei Weingarts. "Wenn sie bleiben, wäre das der Hit", sagt Dummert, die sogleich nüchtern anfügt, dass sie fürchte, die Kiebitze würden nicht bleiben.


Nicht im Landkreis gebrütet

"Bei den Kiebitzen ist ein großer Verlust eingetreten. Sie sind in den vergangenen zehn Jahren immer seltener geworden", informiert Friedrich Oehme vom Bund Naturschutz in Forchheim. Und bisher hätten im Landkreis auch noch keine Kiebitze gebrütet. "Kiebitze sind Wiesenbrüter und sie sind gefährdet", weiß Dummert. Selbst die Wässerwiesen scheinen noch zu wenig geschützter Raum für diese Vögel zu sein. "Die Wässerwiesen haben nicht genug offene Fläche, da sie von Hecken und Bäumen unterbrochen sind", erklärt Dummert.


Sie lieben große Flächen

Kiebitze lieben große, offene Flächen. Flächen, die es wohl eher in der Nürnberger Gegend oder in Höchstadt an der Aisch gibt. Die Kiebitze, die im Landkreis Forchheim Station machen, um aufzutanken, sind auf dem Weg in den Norden. Sie brüten eher an der Nordsee, in Dänemark oder den anderen skandinavischen Ländern. Oder sie ziehen nach Russland, dann aber fliegen sie eine andere Route. Das Land verlassen werden sie wieder im Herbst, um sich auf den Weg in die Sahara, aber auch nach Großbritannien, Irland, nach Spanien und Portugal zu begeben.


Ausbildung zum Berater

Wie bei den Kiebitzen sieht es auch bei anderen Wiesenbrütern aus, die hier vor einigen Jahren noch zahlreich gebrütet haben. Das Bayerische Landesamt für Umweltschutz bietet deshalb Lehrgänge an, sich zum Wiesenbrüterberater ausbilden zu lassen, ähnlich wie dem Biberberater. Die Wiesenbrüterberater arbeiten ehrenamtlich. Zwei gibt es im Landkreis Forchheim. Neben Julia Dummert hat auch Hans-Karl Thiem diese Ausbildung abgeschlossen, um nach Feierabend am Landratsamt ehrenamtlich die Wiesenbrüter zu unterstützen.

Nicht nur die Kiebitze sind gefährdet. Neun Arten an Wiesenbrütern gibt es, der Bestand ist bei allen weit nach unten gegangen. Das Wiesenttal beispielsweise gehörte früher zu den bayernweit bedeutendsten Wachtelkönig-Gebieten. "Bis zu zwölf Paare haben in den 80er Jahren hier gebrütet", weiß die Biologin. Jetzt sind es noch zwei Wachtelkönige.


Späte Rückkehr

Das Problem: Der Vogel kommt relativ spät aus der Sahara zurück. Meist erst im Mai. Wenn er im August die zweite Brut hat, werden die Wiesen meist gemäht. Ideal wären Wiesen in unterschiedlicher Höhe: mit kurzem Gras, halbhoch und hoch. Im kurzen Gras wird nach Futter gepickt, im hohen Gras verstecken sich die Küken.

Und der Wachtelkönig verlässt sein Gelege nicht. Würde der Traktor mit den langen Messern über die Wiese fahren: Der Wachtelkönig würde einfach auf seinem Nest sitzen bleiben. Und selbst wenn die Küken schon geschlüpft wären, hätten sie keine Chance gegen die Geschwindigkeit, mit der die landwirtschaftlichen Maschinen über die Wiesen fegen.


Freilaufende Hunde

Ein anderes Problem sind freilaufende Hunde, die ebenfalls den sogenannten Störungskorridor durchbrechen. Braunkehlchen gibt es im Landkreis noch. Auch sie sind Wiesenbrüter. Doch im Vergleich dazu gab es früher eine breitere Vielfalt mit den Bekassinen oder den Grauammern. Ist eine Art erst einmal weg, ist es sehr schwer, sie wieder anzusiedeln. Die Wiesenbrüterberater tun deshalb alles, damit aus den Braunkehlchen oder Wachtelkönigen kein seltenes Schauspiel wird wie bei den Kiebitzen.


Wiesenbrüterberater

Erste landesweite Wiesenbrüterkartierung 1980; Landesauftrag 1982: "Wiesenbrüterprogramm"; Landesweite Kartierungen 1986, 1992, 1998, 2006, 2014/15; Wiesenbrütermonitoring 1988 bis 2010 in Schwerpunktgebieten; Projektgruppe Wiesenbrüter am Umweltministerium 1993; Projektstelle Wiesenbrüter am LFU (Bayerisches Landesamt für Umwelt) 2013; Biodiversitätsprogramm "2030" der Bayerischen Staatsregierung 2014; Agenda Wiesenbrüter 2015; Präsentation Agenda im Bayerischen Landtag durch Umweltministerium 2015; Start Artenhilfsprogramm Wiesenbrüter 2015; Maßnahmen mit Haushaltsmitteln des Umweltministeriums 2016 und 2017; Ausbildung ehrenamtlicher Wiesenbrüterberater ab 2017


Gefährdet

Die neun Wiesenbrüterarten mit Gefährdungsstatus sind in der Roten Liste (RL) Bayern (von 2016) aufgeführt: Großer Brachvogel (RL 1 - vom Aussterben bedroht), Uferschnepfe (RL 1), Rotschenkel (RL 1), Bekassine (RL 1), Kiebitz (RL 2 - stark gefährdet), Wachtelkönig (RL 2), Braunkehlchen (RL 1), Grauammer (RL 1), Wiesenpieper (RL 1)