Johann Distler knöpft seinen linken Hemdsärmel am Handgelenk auf und krempelt den beigen Stoff nach oben: Der sehnige Oberarm und die untere Schulterpartie des 93-Jährigen kommen nach und nach zum Vorschein. Während die Nadel der Spritze im äußeren Schultermuskel des Bieberbachers verschwindet, verzieht er keine Miene.
Dr. Angelika Springer schiebt den Kolben im Spritzengehäuse nach vorne und ein Gemisch aus Kochsalzlösung und dem Coronoa-Impstoff von Biontech schießt ins Muskelgewebe des Rentners. Ein Pflaster verdeckt die kleine Einstichstelle, Distler rollt seinen Hemdsärmel darüber und knöpft ihn am Handgelenk zu. "Alles in Ordnung", sagt er als sei es eine Randnotiz. "Ich hab' auf dem Fernseher schon viel drüber gesehen und gehört." Die kleinen Falten hinter den Brillengläsern verraten ein Lächeln unter der FFP2-Maske: Johann Distler hat seine Erstimpfung gegen Covid-19 hinter sich.
Mobile Impfung statt Impfzentrum
Er ist einer von 117 Egloffsteinern, die an diesem letzten Januarmontag im Mehrzweckhaus in Affalterthal ihre Injektion bekommen. Alle sind älter als 80 Jahre und nicht mehr mobil. Deshalb wäre ein Besuch im Forchheimer Impfzentrum für sie nur schwer machbar. Das Impfteam kommt also in ihre Heimatgemeinde. Die Verantwortlichen hatten Einladungen an die Betroffenen geschickt und organisierten einen Fahrdienst-Shuttle nach Affalterthal . Sogar ein Feuerwehrauto ist an diesem Montag im Einsatz.
"Es hat eine niedrige Einstiegsstelle und ist relativ geräumig", erklärt Egloffsteins Bürgermeister Stefan Förtsch. In seiner Gemeinde waren die mobilen Impfteams bereits in den Wohnheimen und haben dort die Hochrisikopatienten geimpft . Die 159 über-80-Jährigen aus der Gemeinde seien nach dem Termin im Mehrzweckhaus also weitgehend versorgt, berichtet Förtsch.
Impfstoffknappheit auch im Landkreis Forchheim
Zum Auftakt des landkreisweiten mobilen Impfprojekts in Affalterthal sind Sebastian Weiß und ein Team vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und dem Unternehmen Gesundheit Forchheim (Ugef) fürs Impfen zuständig. Die bundesweiten Engpässe in Sachen Impfdosen machen sich auch bei ihnen bemerkbar: "Ab vorletzter Woche sind die Lieferungen massiv eingebrochen", bedauert Weiß. Nach einem Telefonat mit der Landesregierung war aber schließlich genug Impfstoff für die Egloffsteiner da. "Die Lieferungen werden mehr, aber nicht viel mehr", zeigt sich Weiß vorsichtig optimistisch.
Frischer Impfstoff ist auch deswegen notwendig, weil für den 15. Februar in Affalterthal die Zweitimpfungen geplant sind – auch Johann Distler soll dann wieder dran sein. Für ihn ist die Immunität deshalb so wichtig, weil seine Schwiegertochter auf dem Familienhof im Normalfall viele Gäste empfängt. "Wir bieten Ferien auf dem Bauernhof an. Sobald es wieder losgeht, wollen wir auf der sicheren Seite sein", erklärt Caroline Distler und blickt auf ihren Schwiegervater. Er lebt auf dem Hof und versorgt sich selbstständig – der Kontakt zu den Besuchern lässt sich nicht immer vermeiden.
Registrierung und Anamnese
Am Tag seiner Erstimpfung ist er kurz vor seiner Injektion am Tisch von Heidi Rattel. Die ASB-Mitarbeiterin kümmert sich im Affalterthaler Mehrzweckhaus um die Registrierung und fragt die Impftauglichkeit der Betroffenen ab: "Wurden Sie innerhalb der letzten 14 Tage schon einmal geimpft ? Haben Sie irgendwelche Krankheitssymptome?", fragt sie freundlich und notiert die Antworten sowie weitere Details auf einem Anamnese-Bogen. Drei Meter entfernt bereitet eine Kollegin das Vakzin auf einem Tisch vor – ehe es zur Impfstation fünf Meter links davon gelangt.
Bis die Anwesenden dort ankommen, müssen sie sich etwas gedulden. Die Wartezeiten überbrücken sie auf Stühlen an den Wänden. "So kömmer schön Abstand halten", sagt eine ältere Dame. Auch sie wird am Ende des Tages zu den Geimpften im Landkreis Forchheim gehören.
Forchheim über dem Durchschnitt
Deren Anzahl liege aktuell deutlich über dem bayerischen Durchschnitt, sagt Landrat Hermann Ulm ( CSU ). Am Abend des 24. Januar waren bereits 3400 Hochrisikopatienten aus der Forchheimer Region geimpft . Für Ulm ist das dezentrale Impfen eine Möglichkeit , das Vertrauen der Bevölkerung zu steigern. Er lobt zudem die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde und den Impfteams: "Das läuft wirklich hervorragend."
Für die kommenden Wochen seien Einsätze des mobilen Impfteams in weiteren Gemeinden des Landkreises geplant, ergänzt er. Während er spricht, trifft ein weiterer impfwilliger Egloffsteiner per Shuttle-Service ein. Auf diesen Transport-Service ist Johann Distler nicht angewiesen – seine Schwiegertochter fährt mit ihm zurück auf den Familienhof nach Bieberbach.