Der eine schreibt ganz konservativ Tagebuch, der andere unterhält einen Blog oder müllt die Facebook-Accounts seiner Freunde voll, mit dem, was ihn gerade umtreibt. Uwe Geisler hat einen anderen Weg gewählt: Er schreibt seit bald 20 Jahren Songs, um sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die ihn bewegen. Ihn und andere.

Das merkte man sofort beim Auftritt seiner Band beim "Kulturpuls". Der Egloffsteiner hat eine eingeschworene Fangemeinde, nicht zuletzt aus seinem Geburtsort Eggolsheim. Ob er von dort fortzog, um den Ozean zu sehen, ist nicht bekannt. Aber in das Bild von den unendlichen Wassermassen presste er seine jugendliche Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit. Und adressierte den viele Jahre später geschriebenen Song an seine Mutter.


Die Mutter im Konzert

Sie war beim Konzert anwesend und freute sich vielleicht noch mehr über das Lied von der alten roten Bank, auf der sie und ihr Mann nun schon seit bald 60 Jahren immer wieder sitzen. Und womöglich von dort aus das musikalische Schaffen des Sohnes beobachten und mit ihm "Zwischenbilanz" ziehen. So heißt auch der Titel seiner jüngsten CD, die er im Eggolsheimer Studio von Safet Aliya aufgenommen hat, mit seinen Musikern Jonas Ackermann am Piano, dem Gitarristen Norbert Pötschel, mit Thomas Geisler am Schlagzeug und mit Andrea Richter, die für den Bass sorgt, selber singt oder zum Saxophon greift.


Das Leid einfacher Menschen

In die Partyszene mag sich Geisler nicht einordnen lassen, setzt er sich doch oft nicht nur mit dem familiären oder persönlichen Umfeld auseinander. 2002 war es der zweite Irakkrieg, genauer: die Bilder des Leides einfacher Menschen. "Schade, dass das immer noch aktuell ist", kommentiert er das Eingangslied des Konzerts und nennt Ländernamen. "Für meine Freunde, die Amerikaner" soll der nächste Song sein. Damals, 2006, wollte Geisler "etwas tiefer schauen, wo es herkommt", und musste retrospektiv feststellen, dass die USA Europa mit den Folgen der "illegalen" Kriege allein ließ.

Nach einem theatralischen Schlagzeug-Intro geht es um die Gier nach Gold und die Sklavenschiffe, die einst den Atlantik überquerten. Doch schwenkt der Blick in die Gegenwart auf die Machtkämpfe um Öl und Energie. Und nochmals an die Amerikaner gerichtet: "Die Urenkel deiner Sklaven führen heute Krieg für dich."


Nah am Kitsch

Über die Zustände der großen Welt zu schreiben, das scheint manchem einfach. Viel subjektiver muss man aber fühlen, will man nicht nur Herz auf Schmerz reimen, sondern die Brüchigkeit von Beziehungen ausloten. So geraten Geislers als Liebeslieder angekündigte Songs eher schmerzlich, auch wenn hier der Songwriter zwischendurch gefährlich nah an den Kitsch driftet. Mit guten alten Rockriffs bremst ihn Gitarrist Pötschel aus.

Bei Currywurst und Bier hat sich Geisler mit einem Penner unterhalten und hat dessen Lebenswunsch, einmal ein Held zu sein, weitergesponnen. Der Mann im Lied kommt ums Leben, als er ein Kind aus dem Feuer retten will. Die Zeitung schreibt über den Toten von einem unbekannten Brandstifter. Diese Ballade ist hörens- und nachdenkenswert, schieben wir doch gar zu gern Menschen in die Ecke, von der wir glauben, dass sie dort verortet sein müssen.


Gut ausbalanciert

Das Programm ist gut ausbalanciert, auch in den musikalischen Nuancen, zwischen dem rebellischen Rock der Jugend und der Rückschau mit und ohne Betroffenheit. Und Partylaune kommt ganz zuletzt auch auf, als Geisler alte Freunde auf die Bühne ruft, die den Text von "Mama, ich möchte den Ozean sehn" fast pantomimisch interpretieren.