Die Kinder hatten es schnell begriffen. "Bist du eigentlich krank", fragte ein Mädchen aus dem Kindergarten eine junge Frau mit Behinderung. "Nein", antwortete sie. "Ich bin ein ganz normaler Mensch." Was die kleine Fragestellerin durchaus beeindruckte. Schon damit war das Ziel der Aktion am Mittwochvormittag auf dem Marktplatz erfüllt. Es ging darum, Inklusion von Anfang an zu vermitteln.

Eingeladen hatte die Lebenshilfe, unterstützt von verschiedenen Initiativen aus Herzogenaurach und durch den städtischen Behindertenbeauftragten Wolfgang Jörg. Die Aktion fand im Vorfeld
des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen statt. Da geht es rund um den kommenden Samstag überall in Bayern darum, auf die Situation von Menschen mit Behinderungen und ihren Familien aufmerksam zu machen und sich für die gleichberechtigte Teilhabe aller einzusetzen.

"Wenn Kinder frühzeitig lernen, mit Unterschieden umzugehen, macht sie das stark für die Zukunft", heißt es hierzu in einer Pressemitteilung der Herzogenauracher Lebenshilfe. Und wenn sie schon von klein an den Kontakt mit behinderten Menschen als etwas völlig normales erachten, also die frühzeitig Inklusion gelernt und gelebt wird, "dann entstehen Barrieren im täglichen Umgang gar nicht erst", sagt Pressesprecherin Julia Grubmüller.

Sie war gemeinsam mit Mitarbeiterinnen der Offenen Hilfen der Lebenshilfe und von der Gruppe "Herzo inklusiv" vor Ort. Alle gaben umfassend Informationen zum Thema, außerdem war ein Spieleparcours aufgebaut. Hier konnten sich die Besucher in der Geschicklichkeit üben; es ging um die visuelle, auditive und taktile Wahrnehmung und Motorik. Zum Beispiel musste mit dem Stift eine kurvige Strecke nachgefahren werden, allerdings im Spiegel. "Das ist ganz schön schwer, das kann ich dir sagen", fand nicht nur der sechsjährige Paul.

Besonders eingeladen waren Herzogenauracher Vorschulkinder. Die Tagesstätte St. Martin und das Don-Bosco-Kinderhaus nahmen die Einladung an. Vertreten war auch Annette Batz, eine Reha-Lehrerin für Sehbehinderte. Mit einer Simulationsbrille ausgestattet, konnte der Untergrund per Stock abgetastet werden. Auch das trug dazu bei, die Sinne zu schärfen und das Bewusstsein zu schaffen für die Probleme, die Menschen mit Behinderungen im Alltag haben. An den einzelnen Stationen waren zehn Angehörige des OBA-Rates eingesetzt, also Aktive der Offenen Behindertenarbeit. Diese Menschen mit geistiger Behinderung leiteten die Kinder durch den Parcours.

Gerade in Herzogenaurach geschehe im Bereich der Inklusion schon eine Menge. Darauf verwies Ulrich Wustmann, der Aufsichtsratsvorsitzende der Lebenshilfe. Denn Inklusion müsse richtig verstanden und dürfe nicht einfach verordnet werden, sondern müsse wachsen. Dazu halten die "Offenen Hilfen" der Lebenshilfe passende Angebote bereit. Man wendet sich damit an die Menschen mit Behinderungen, gleich welchen Alters, ebenso wie an die Eltern oder Betreuer. Da geht es unter anderem darum, dass Beratungen gegeben werden, auch schlicht um bürokratische Hemmnisse zu nehmen. Aber man steht auch aktiv zur Seite, informiert über aktuelle Themen, wie die geeigneten Wohnformen oder auch das Verliebtsein und die Sexualität. Da sagte Ute Meindel, die Leiterin der Offenen Hilfen in Herzogenaurach.

Gesucht werden auch immer wieder interessierte Bürger, die ehrenamtlich mitwirken möchten. Beispielsweise soll es ermöglicht werden, dass man mit einem behinderten Menschen die Freizeit verbringt, quasi im 1:1-Kontakt. Damit können auch die Familien entlastet werden.

Seit 2016 gibt es in Herzogenaurach eine Gruppe, die sich "Herzo inklusiv" nennt. Auch deren Arbeit möchte das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung verbessern. Vertreten sind darin mehrere Einrichtungen und Initiativen, wie die VHS oder die Stadtbücherei, die beide am Infotag zugegen waren. Da geht es vor allem um Freizeit- und Kulturangebote, wie Annika Lang erläuterte. Die Projektbeauftragte der Lebenshilfe für die Inklusion macht darauf aufmerksam, dass man die Angebote auf der Internetseite www.herzogenaurach.de/herzoinklusiv finden kann.