Was für ein Duft. Der Wurstkuchen, den ihm Jacqueline Wölfel von der Bäckerei Süßenguth gerade reicht, ist das, was Harald Saul sucht. Wobei: Er sucht nicht nur das Rezept für den Kuchen, sondern auch die Geschichte(n) dahinter. Denn Harald Saul ist gerade dabei, ein Kochbuch über Spezialitäten aus Neustadt und Sonneberg zu schreiben. Präsentiert werden soll die Sammlung mit Rezepten und Geschichten dann beim "Tag der Franken", den im kommenden Jahr die beiden Partnerstädte gemeinsam veranstalten werden.

Der Anstoß fürs Projekt kam vom Sonneberger Bürgermeister Heiko Voigt. Der kennt Saul schon lange, schließlich stammt der Koch nicht nur aus Sonneberg, er ist heute noch mit Koch-Aktionen in vielen Kindergärten Südthüringens unterwegs. Da kennt man sich. Deshalb zögerte Saul beim Vorschlag Voigts für ein solches Buch keine Sekunde und sagte zu.

Nun ist Saul, Jahrgang 1955 und mittlerweile in Greiz daheim, immer wieder in Neustadt und Sonneberg unterwegs. Er sucht nach traditionellen Rezepten, alten Kochbüchern, historischen Fotos und - was für ihn mindestens genauso wichtig ist - Geschichten aus heimischen Küchen und Gasthäusern. Dabei ist sein Fundus schon jetzt nicht schlecht. "Rund 250 handgeschriebene Koch- und Rezeptbücher", schätzt der gebürtige Sonneberger, "habe ich inzwischen zusammengetragen". Dazu kommen noch rund 1000 alte Fotoaufnahmen, die Saul auf seinem Laptop gespeichert hat. Im Sonneberger Stadtarchiv, erzählt Saul, scherze man schon, dass seine heimatgeschichtliche Sammlung in Bezug auf die Südthüringer Küche größer sei als die im Archiv.


Ganz einfach, ganz gut

Obwohl er in seiner Laufbahn auch mit den großen Sterneköchen seiner Branche zusammengearbeitet hat, ist Harald Saul absolut kein Freund der großen Show am Herd. "Einfach und leicht nachvollziehbar" sollte für ihn gute Küche sein. Und, besonders wichtig: "Nur mit einheimischen Produkten." So sei das früher auch schon gewesen, weiß der Koch und Sozialpädagoge aus dem Studium seiner bis zu 120 Jahre alten regionalen Rezeptsammlungen. Man habe das verarbeitet, was hier in der Region gezüchtet und angebaut wurde. So einfach, so gut.
Der Wurstkuchen hier, das Thüringer Rostbrätel in Sonneberg - ein paar Gerichte gibt es schon, die in den Nachbarstädten exklusiven Status haben. Selbst bei den Klößen gibt es kleine, feine Unterschiede, weiß der Koch und Buchautor: In Sonneberg sei der Teig noch eine Spur flüssiger als im Coburger Land, dementsprechend breiter liege der Kloß dann auf dem Teller. Nur bei einer Sache, da lässt Harald Saul keine Diskussion zu: den in Butter herausgebratenen Semmelbröseln. "Auch wenn das findige Gastronomen im Zuge der Arbeitserleichterung anders sehen: Die Brösel gehören in und nicht auf den Kloß", betont Saul - aber er grinst dabei nachsichtig.


Küche - Geschichte aber auch

Als Geheimtipp empfiehlt Harald Saul den Neustadtern, mal das klassische Rezept für Sonneberg Bouletten auszuprobieren. Halb Rinder-, halb Schweinehack, dazu ganz viel gehackte Kräuter und ein kleines bisschen Beifuß. "Wenn das richtig gemacht wird, hat man eine wahre Delikatesse", versichert Saul, dessen Autorenlaufbahn 1997 mit dem "Ostersteinkochbuch" begann und inzwischen über 25 Bücher hervorbrachte.

Spannende Rezepte gibt es Sauls Überzeugung nach in Neustadt und Sonneberg noch mehr als genug. Die Jahrzehnte der aufgezwungenen Trennung haben der fränkischen Küche auch am Fuße des Rennsteigs nicht geschadet, weiß Harald Saul aus seinen Recherchen. Er, der selbst unerfreuliche Erfahrungen mit den DDR-Behörden gemacht hat, kann heute mit einer Portion Schadenfreude bilanzieren: "Auch der antifaschistische Schutzwall hat es nicht verhindern können, dass Großmütter und Mütter ihre guten Rezepte an ihre Enkel und Kinder vererbt haben."

Wenn auch noch ein Jahr ins Land geht, bis das Buch beim "Tag der Franken" der Öffentlichkeit präsentiert wird, weiß Harald Saul schon jetzt, auf was sich seine Leser verlassen können: "Sie bekommen regionale Heimatküche mit geschichtlichem Hintergrund." Mehr Heimat geht wirklich nicht.


Harald Saul - der Koch und seine Bücher

Der Koch Harald Saul wurde 1955 in Sonneberg geboren. Er lernte von 1972 bis 1974 bei der Mitropa Thüringen und arbeitete nach der Wende in verschiedenen Restaurants der deutschen Spitzengastronomie - unter anderem in Trier, München und Nürnberg.

Der Sozialpädagoge Seit 1992 arbeitet Saul als Fachdozent für wissenschaftliche Ernährungslehre. Er hat viele Jahre Kochseminare mit Gefängnisinsassen durchgeführt und vermittelt derzeit mit seiner "Kinder Koch AG" in Thüringer Kindergärten den richtigen Umgang mit Nahrungsmitteln.

Der Autor Schon 1987 wollte Harald Saul sein erstes Buch herausbringen - das Projekt scheiterte aber am Widerstand der der staatlichen Gremien. 1997 brachte er dann das "Ostersteinkochbuch" heraus. Jüngstes Werk Sauls ist "Das Kanzler von Wiese Koch- und Backbuch".

Kontakt Harald Saul, Feldschlösschenstraße 59, 07973 Greiz; Telefon 03661/4578372. Email: harald.saul@web.de