Die Tagespresse "hat die Verpflichtung, nicht nur die Ereignisse, wie sie sich zugetragen haben, zu berichten, sondern auch den Eindruck, den sie auf die Zeitgenossen machten". Hehre Worte, die der Advokat von Auer da im Münchner Schwurgericht am 23. Juli 1868 vortrug. Verhandelt wurde gegen den Redakteur Ernst Zander, der der Majestätsbeleidigung angeklagt war. Er hatte die Ausstellung eines Bildes in München genutzt, um im Volksboten vom 28. Dezember 1867 Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha als Feigling und Verräter zu schmähen.

Zander musste infolge des Prozesses sechs Monate Festungshaft in Kronach absitzen. "Zander hat hier Fake News verbreitet", sagt der Coburger Historiker Christian Boseckert. Zander hatte behauptet, Ernst II. habe an der Schlacht von Langensalza im Juni 1866 gar nicht teilgenommen. Aber er war anwesend, "wie sein Tagebuch und das Tagebuch des Gothaer Hofs bestätigen", erläutert Boseckert. Allerdings war Ernst nicht der Feldherr auf dem Hügel, als der er sich darstellen ließ. "Ich habe aber Zeugenaussagen gefunden, die eidesstattlich erklärten, dass sich Ernst mit seinem Pferd auf diesem Hügel befand. Auch hier also eine Doppeldeutigkeit."

Dieses Wort verwendet Boseckert im Zusammenhang mit Ernst II. oft. Ernst sei der erste deutsche Medienherzog gewesen, der Zeitungen und Publikationen gezielt für sich nutzte, Journalisten zu sich einlud und Homestories gewährte, sagt er. Es gab also nicht nur kritische Stimmen wie die von Zander. "1855 bis 1865 wird Ernst II. 27 Mal in der ,Gartenlaube‘ genannt, alle anderen Fürsten kommen zusammen sechs Mal vor, Wilhelm I. nie", fasst Boseckert zusammen.


Wer schreibt, der bleibt

Friedrich Hofmann, Chefredakteur der Gartenlaube (und gebürtiger Coburger) rezensierte Ernsts Lebenserinnerungen, die 1887 erschienen, äußerst wohlwollend. In diesem Buch rechtfertigte Ernst auch, warum er Memoiren vorlegte: Er wollte über das Bild mitbestimmen, das sich die Nachwelt von ihm machen sollte.

Herzogin Alexandrine trug ihren Teil zu diesem Bild bei. Zur Silberhochzeit 1867 ließ sie eine Hauschronik für Ernst fertigen. Eins der Blätter zeigt ihn als erfolgreichen Fuchsjäger, sie blickt bewundernd zu ihm auf. Auch wenn es ein privates Geschenk war, so sollte diese Hauschronik auch der Außendarstellung dienen, ist Silvia Pfister überzeugt, die Leiterin der Coburger Landesbibliothek. Das Album gehört in den Bibliotheksbestand und ist derzeit in München ausgestellt.

Die Beziehung von Ernst und Alexandrine beschäftigt den Historiker Boseckert ebenfalls - weil sie schwer durchschaubar ist. Die Ehe blieb kinderlos, Ernst II. hatte etliche Mätressen und erkannte auch einige illegitime Kinder an. Aber Ernst und Alexandrine verbrachten viel Zeit miteinander und schrieben einander viel. Erhalten blieb aber nur Alexandrines Korrespondenz mit den übrigen Familienmitgliedern. Die 50 Pakete mit Briefen an und von Ernst musste der damalige Archivar nach Alexandrines Tod eigenhändig in der Ehrenburg verbrennen, berichtet Alexander Wolz, Leiter des Staatsarchivs.


"Mein Ernst"

Alexandrine nennt ihren Gemahl in ihrer Chronik ständig "mein Ernst". Der Tod geliebter Jagdhunde und Pferde nimmt in den Aufzeichnungen freilich fast so viel Platz ein wie das Ableben naher Verwandter, über Ernsts Jagderfolge schreibt sie mehr als über seine politischen Bestrebungen im Sinne einer nationalen deutschen Einheit. Aber seine Erfolge kommen vor: "Den 9. Oktober wird der Prinz von Preussen zum Regenten ernannt, das Ministerium Manteuffel tritt ab, Fürst Hohenzollern wird Minister. Die Bemühungen des Herzogs für eine liberale und deutsche Politik in Berlin scheinen Früchte zu tragen", notiert Alexandrine für das Jahr 1858.

Zur Reichseinheit 1871 war es da noch ein paar Jahre hin. "Ernst hat sich immer als Vater der deutschen Einigung inszeniert", sagt Boseckert. Aber eine Revolution des Volkes wollte er nicht - und das trug ihm 1861 eine Schmähschrift seines ehemaligen Sekretärs Karl Bollmann ein. Die wurde aber nicht sehr bekannt, weil Ernst II. seine Kontakte zu Zeitungshäusern nutzte, um Berichte über das Büchlein zu verhindern, wie Boseckert sagt.

Dafür, dass Ernst sich als größer inszenierte, als er war, gibt es einige Indizien, wie das Bild von der Schlacht bei Langensalza oder das vom Einzug von Ernsts Truppen in Paris. Dass es sich dabei nur um die Nachhut der preußischen Truppen handelte, geht aus der Darstellung nicht hervor. Ernst nutzte die Medien, die ihm zur seiner Zeit zur Verfügung standen: Zeitungen, Bücher, Bilder. "Er würde sich in unserer heutigen Zeit mit Internet, Facebook, Instagram pudelwohl fühlen", meint Boseckert. Doch am Ende sei ihm seine Popularität auch lästig gewesen. "Er beklagte, dass er nirgendwo hingehen könne, da man ihn sofort erkennen würde."