Ob das nicht schon ein Anzeichen erheblicher Anpassungsstörung war? Statt in den Biergarten war eine erhebliche Menge Coburger ins Kino Utopolis gekommen, um einen schrägen Film zu sehen, "Impressionen Anpassungsgestörter". Als selbige bekannten sich einmal mehr die Coburger Ahmet Özer und Johannes Titze, denen Kinobesitzer Oskar Heublein auch noch solch ein herausgehobenes Forum gewährte, im Verein mit der von Volkshochschule und Utopolis getragenen KinoInitiative Coburg.
Fragen Sie nicht, was die beiden im Eigentlichen sind, jedenfalls treiben sie schon ein paar Jahre lang ihr merkwürdiges (Un)Wesen, mit Nähmaschinen auf der Straße, und Shows in Kneipen und in der Reithalle, unter einem sogenannten Label namens Radio Influenza. Musik, Musik ist immer dabei, von ihnen selbst gemacht, diesmal auch ganz wichtig als entscheidender Rhythmusgeber.
Sitzen in diesem etwa einstündigen Film zwei Typen einander gegenüber, Ahmet und Hannes selber, in ihrem zusammengeschusterten Studio im Wohnhauskeller, und tun gar nicht so, als seien sie wer anders. Das Gepräch ist selbstverständlich voll konstruiert, wir wollen doch keine weitere illusionistische Vernebelung, die beiden wollen doch helfen gegen den Wahnsinn dieser Welt.


Tanzende Pfeile

Ahmet nölt herum, all diese Verrohung draußen, er brauche Hilfe, wozu sei denn ein Freund wie Hannes da, eine Richtung. Die kriegt er von dem im Film- und Fernsehgeschäft Tätigen, in Form eines kleinen Filmchens mit nichts als bunten tanzenden Pfeilen. Vor dem doch tatsächlich auch noch ein Typ mit leuchtenden Pfeilen herumscharwanzt, also real jetzt, so richtig, im Kino.
Was soll'n das? Ahmet zeigt sich nicht geholfen. Der gutwillige Hannes versucht's weiter. Vielleicht braucht Ahmet eine Frau. Anlass für eine wunderschöne Filmspielerei mit tauchendem, schwimmenden Frauenkörper, der vervielfältigt kaleidoskopartig in immer neuen abstrakten Formen aufblüht. Fantastisch.
Doch so leicht ist dem Maschinenbauer, Kernbohrer, Cowboy und sonstig Verstörten nicht zu helfen, weshalb wir in den Genuss weiterer witziger, künstlerisch ambitionierter, aber nicht überkandidelter Kurzfilme kommen. Die spielen einmal in Istanbul, wo Ahmet geboren, aber nicht aufgewachsen ist, was also auch nichts nützt, und dann in verschiedenen Formen in Coburg, was Oskar Heublein am Schluss zu dem Lob brachte, alle Achtung, das sei nicht nur ein professionelles Werk aus null Budget, sondern auch eine Liebeserklärung an Coburg.
Es kommt, wie es nicht anders kommen kann; es ist eine sehr witzige, ironische, rappende Musiksession mit den beiden Gestörten in herrlichen Verkleidungen, die Erleichterung bringt. Und damit die Besucher auch noch was davon haben, hat das "Institut für Bewältigungsstrategien" (die Designerin Ute Kempter) einen Beratungsstand aufgebaut, wo es für wievielgeldihrauchgebenwollt Mittelchen gegen das Weh zu kaufen gibt.
Verrückt ist vor allem auch, dass diese herrlich delirierende Form der Wirklichkeitsbewältigung in nur einem halben Jahr aus Improvisation, also reiner Spinnerei, eigentlich nur für dieses eine Event geschaffen wurde. Wenn das kein künstlerischer Enthusiasmus ist.