Taugt ein Museum als Theater? Dass ein Museum zumindest Assoziationen an ein Puppentheater wecken kann, beweist eine neue Präsentation im Glasmuseum in der Rosenau. Denn im Zentrum der Schau mit Arbeiten der Keramik-Werkstatt "Lehm & Lehm Lassen" stehen verspielte bis fantastische, detailreich gestaltete Marionetten aus Keramik.
Schon der Name mutet ein wenig verspielt an. "Lehm & Lehm Lassen" - hinter dieser Sprachspielerei verbirgt sich eine ganz und gar ungewöhnliche Werkstatt, die Ende der 1970er Jahre im Umfeld des Glaskünstlers Erwin Eisch gegründet wurde.
Dieser Keramikgruppe unter Leitung von Robert Strini, der die technische Ausstattung koordinierte, und Peter Kobbe, die sich als Selbstverwirklichungsprojekt verstand, gehörten damals Kinder und Jugendliche an.
Diese Kinder und Jugendlichen im Alter von fünf für 15 Jahren stammten aus dem Umfeld der Glashütte in Frauenau. Unter professioneller Anleitung und unter professionellen technischen Bedingungen konnten sie insgesamt drei Jahre lang ihre Kreativität erproben und entfalten - von 1977 bis zur Auflösung der Werkstatt 1980.
Viele Jahrzehnte schlummerten seitdem die so entstandenen Objekte weitgehend unbeachtet in Frauenau in Lagerhallen oder auf dem Boden einer Scheune - bis Sven Hauschke als Leiter des Glasmuseums im Herbst 2016 eine Anfrage erhielt von Katharina Eisch, einer Tochter von Erwin Eisch, die in jungen Jahren Mitglied jener ungewöhnlichen Keramikwerkstatt war. Hauschke war sehr angetan von dem Angebot, die Arbeiten aus jener Keramikwerkstatt in die Keramiksammlung des Glasmuseums zu integrieren.
Die Präsentation im Studioraum im Obergeschoss des Glasmuseums zeigt nun mit einer Auswahl der Objekte auf verblüffend vielfältige und qualitativ erstaunliche gelungene Weise, wie sich mit Hilfe von Ton Kreativität entdecken und entfalten lässt. Im Zentrum der Auswahl von Marionetten und weiteren figürlichen Arbeiten steht ein mehrteiliger Altar, der das biblische Geschehen rund um die Kreuzigung Christi ohne Tabus aus Sicht von Kindern und Jugendlichen zeigt.
In Zeiten von Harry Potter sehe das fast schon wie Mainstream aus, sagt Hauschke: "Damals aber war das die fantastische Sicht von Kindern." Bei den Betrachtern lösten die Keramik-Marionetten Ende der 70er Jahre durchaus gemischte Reaktionen aus, sagt Hauschke. Im katholischen Niederbayern tauchte sogar der Vorwurf der Blasphemie auf.
Die Arbeiten aus der Keramikwerkstatt "Lehm & Lehm Lassen" sind aus Hauschkes Sicht sehr charakteristisch für den bewusst antiakademischen Ansatz der Glashütte Frauenau im Umfeld von Erwin Eisch. Pure Anarchie aber herrschte keineswegs in der Gruppe jener Kinder und Jugendlichen. Zwar gab es keinerlei stilistische Vorgaben, wie die Objekte zu gestalten seien. Aber von Anfang an wurde auf Qualität Wert gelegt mit dem Ziel, ausgewählte Arbeiten anschließend zu verkaufen.
Zudem fanden die Marionetten durch eigens geschriebene Theatertexte und daraus entstehende Aufführungen beispielsweise in Regensburg den Weg in die Öffentlichkeit. Daran erinnern auch zwei große Keramikmasken, die im Glasmuseum auf unübersehbare Weise aufmerksam machen auf die Präsentation im Obergeschoss. Denn Restaurator Heiner Grieb hat für diese beiden Masken maßgefertigte Holzgestelle gebaut und mit Anzügen ausstaffiert. So werden aus diesen beiden Masken stumme Beobachter eines faszinierenden Keramik-Marionetten-Theaters.
Ganz bewusst hat Sven Hauschke die Auswahl an Marionetten und figürlichen Arbeiten nicht Ausstellung, sondern Präsentation genannt. Denn noch harrt der übernommene Bestand der Keramikwerkstatt der wissenschaftlichen Aufarbeitung. "Vielleicht wird daraus mal eine Disseration", gibt sich Hauschke optimistisch, dass die jetzt im Glasmuseum gezeigten Arbeiten Interesse finden werden.
Ausstellungs-Tipp Keramiken der Werkstatt "Lehm & Lehm Lassen", 4. Mai bis 16. September, Europäisches Museum für Modernes Glas, Schlosspark Rosenau in Rödental.
Öffnungszeiten täglich von 9.30 bis 13 Uhr und 13.30 bis 17 Uhr, Pfingstmontag geöffnet
Hintergrund Das Europäische Museum für Modernes Glas präsentiert Keramiken der 1977 im Umfeld von Erwin Eisch gegründeten Werkstatt "Lehm & Lehm Lassen".
Dabei verstand sich die von dem amerikanischen Bildhauer und Keramiker Robert Strini eingerichtete und von Peter Kobbe geleitete Werkstatt als freies Selbstverwirklichungsprojekt, dessen origineller Name gleichsam Programm war.
Aus der Übernahme eines Teils des ehemaligen Werkstattfundus werden erstmals seit knapp vierzig Jahren ausgewählte Objekte der damals aus Kindern und Jugendlichen bestehenden Keramikgruppe sowie Werke von Robert Strini und Peter Kobbe gezeigt. Im Mittelpunkt stehen phantasievolle Marionettenfiguren, die in eigens verfassten Theaterstücken zum Leben erweckt wurden. Die Figuren stehen für einen eigenen, zeitlosen Kosmos und liefern neben ihrer künstlerischen Qualität auch einen spannenden Einblick in die Lebenswelt von Jugendlichen.
Die Keramiken der Werkstatt, zu denen auch ein mehrteiliger Altar gehört, entstanden in einem professionellen Umfeld mit hohem technischen Anspruch und wurden seinerzeit in der Galerie "Tonsalon" neben dem Glasmuseum Frauenau zum Verkauf angeboten.
Sprachspielerei
Schon der Name mutet ein wenig verspielt an. "Lehm & Lehm Lassen" - hinter dieser Sprachspielerei verbirgt sich eine ganz und gar ungewöhnliche Werkstatt, die Ende der 1970er Jahre im Umfeld des Glaskünstlers Erwin Eisch gegründet wurde.
Kreative Spielweise
Dieser Keramikgruppe unter Leitung von Robert Strini, der die technische Ausstattung koordinierte, und Peter Kobbe, die sich als Selbstverwirklichungsprojekt verstand, gehörten damals Kinder und Jugendliche an.Diese Kinder und Jugendlichen im Alter von fünf für 15 Jahren stammten aus dem Umfeld der Glashütte in Frauenau. Unter professioneller Anleitung und unter professionellen technischen Bedingungen konnten sie insgesamt drei Jahre lang ihre Kreativität erproben und entfalten - von 1977 bis zur Auflösung der Werkstatt 1980.
Jahrzehnte lang gelagert
Viele Jahrzehnte schlummerten seitdem die so entstandenen Objekte weitgehend unbeachtet in Frauenau in Lagerhallen oder auf dem Boden einer Scheune - bis Sven Hauschke als Leiter des Glasmuseums im Herbst 2016 eine Anfrage erhielt von Katharina Eisch, einer Tochter von Erwin Eisch, die in jungen Jahren Mitglied jener ungewöhnlichen Keramikwerkstatt war. Hauschke war sehr angetan von dem Angebot, die Arbeiten aus jener Keramikwerkstatt in die Keramiksammlung des Glasmuseums zu integrieren.
Mehrteiliger Altar
Die Präsentation im Studioraum im Obergeschoss des Glasmuseums zeigt nun mit einer Auswahl der Objekte auf verblüffend vielfältige und qualitativ erstaunliche gelungene Weise, wie sich mit Hilfe von Ton Kreativität entdecken und entfalten lässt. Im Zentrum der Auswahl von Marionetten und weiteren figürlichen Arbeiten steht ein mehrteiliger Altar, der das biblische Geschehen rund um die Kreuzigung Christi ohne Tabus aus Sicht von Kindern und Jugendlichen zeigt.
Ist das Blasphemie?
In Zeiten von Harry Potter sehe das fast schon wie Mainstream aus, sagt Hauschke: "Damals aber war das die fantastische Sicht von Kindern." Bei den Betrachtern lösten die Keramik-Marionetten Ende der 70er Jahre durchaus gemischte Reaktionen aus, sagt Hauschke. Im katholischen Niederbayern tauchte sogar der Vorwurf der Blasphemie auf.
Hoher Qualitätsanspruch
Die Arbeiten aus der Keramikwerkstatt "Lehm & Lehm Lassen" sind aus Hauschkes Sicht sehr charakteristisch für den bewusst antiakademischen Ansatz der Glashütte Frauenau im Umfeld von Erwin Eisch. Pure Anarchie aber herrschte keineswegs in der Gruppe jener Kinder und Jugendlichen. Zwar gab es keinerlei stilistische Vorgaben, wie die Objekte zu gestalten seien. Aber von Anfang an wurde auf Qualität Wert gelegt mit dem Ziel, ausgewählte Arbeiten anschließend zu verkaufen.
Keramik-Masken
Zudem fanden die Marionetten durch eigens geschriebene Theatertexte und daraus entstehende Aufführungen beispielsweise in Regensburg den Weg in die Öffentlichkeit. Daran erinnern auch zwei große Keramikmasken, die im Glasmuseum auf unübersehbare Weise aufmerksam machen auf die Präsentation im Obergeschoss. Denn Restaurator Heiner Grieb hat für diese beiden Masken maßgefertigte Holzgestelle gebaut und mit Anzügen ausstaffiert. So werden aus diesen beiden Masken stumme Beobachter eines faszinierenden Keramik-Marionetten-Theaters.
Wissenschaftliche Aufarbeitung
Ganz bewusst hat Sven Hauschke die Auswahl an Marionetten und figürlichen Arbeiten nicht Ausstellung, sondern Präsentation genannt. Denn noch harrt der übernommene Bestand der Keramikwerkstatt der wissenschaftlichen Aufarbeitung. "Vielleicht wird daraus mal eine Disseration", gibt sich Hauschke optimistisch, dass die jetzt im Glasmuseum gezeigten Arbeiten Interesse finden werden.
Rund um die Keramikschau im Glasmuseum
Ausstellungs-Tipp Keramiken der Werkstatt "Lehm & Lehm Lassen", 4. Mai bis 16. September, Europäisches Museum für Modernes Glas, Schlosspark Rosenau in Rödental.Öffnungszeiten täglich von 9.30 bis 13 Uhr und 13.30 bis 17 Uhr, Pfingstmontag geöffnet
Hintergrund Das Europäische Museum für Modernes Glas präsentiert Keramiken der 1977 im Umfeld von Erwin Eisch gegründeten Werkstatt "Lehm & Lehm Lassen".
Dabei verstand sich die von dem amerikanischen Bildhauer und Keramiker Robert Strini eingerichtete und von Peter Kobbe geleitete Werkstatt als freies Selbstverwirklichungsprojekt, dessen origineller Name gleichsam Programm war.
Aus der Übernahme eines Teils des ehemaligen Werkstattfundus werden erstmals seit knapp vierzig Jahren ausgewählte Objekte der damals aus Kindern und Jugendlichen bestehenden Keramikgruppe sowie Werke von Robert Strini und Peter Kobbe gezeigt. Im Mittelpunkt stehen phantasievolle Marionettenfiguren, die in eigens verfassten Theaterstücken zum Leben erweckt wurden. Die Figuren stehen für einen eigenen, zeitlosen Kosmos und liefern neben ihrer künstlerischen Qualität auch einen spannenden Einblick in die Lebenswelt von Jugendlichen.
Die Keramiken der Werkstatt, zu denen auch ein mehrteiliger Altar gehört, entstanden in einem professionellen Umfeld mit hohem technischen Anspruch und wurden seinerzeit in der Galerie "Tonsalon" neben dem Glasmuseum Frauenau zum Verkauf angeboten.