Der Übeltäter hört auf den Namen Hymenoscyphus fraxineus. Er ist ein Pilz. In Asien, wo er her kommt, lebt er auf Eschen, ohne einen Schaden anzurichten. Als er nach Europa eingeschleppt wurde, stellte sich schnell heraus, dass es sich hier anders verhält. Der Pilz ist zur Bedrohung für die heimische Esche geworden. Viele befallene Bäume sterben ab. Doch Grund zur Panik sieht Albert Schrenker, Leiter des Forstbetriebs Coburg der Bayerischen Staatsforsten, deswegen nicht.
"Wir sollten ruhig beobachten und in jedem Einzelfall entscheiden, was wir tun", sagt er. Eine solche Entscheidung steht für ihn und seine Mitarbeiter nahe Neershof an. Ein Eschenbestand ist stark befallen - ausgerechnet an einem beliebten Wanderweg. "Wir werden einige Bäume entnehmen müssen, die nahe am Weg stehen", sagt Albert Schrenker. Sicherheit geht vor. Wie leicht die abgestorbenen Eschen brechen, zeigt ein Blick in den Bestand. Etliche Bäume sind schon umgestürzt andere hängen schräg an Nachbarstämmen fest.
Der Pilz befällt im Sommer die Blätter der Eschen. Von dort dringt er in die jungen Triebe vor und schädigt den Baum, der meist abstirbt. Meist. "Wir beobachten, dass einige Bäume den Befall überstehen und sich erholen", sagt Albert Schrenker. Wenn jetzt in den kommenden Wochen die Bäume austreiben, wird sich zeigen, welche noch eine Chance haben. Gefällt werden nur die, die eine Gefahr darstellen könnten.


Totholz nicht ansteckend

Anders als etwa bei einem Borkenkäferbefall in Fichten, können Eschen stehen bleiben, die nach Pilzbefall abgestorben sind. Es geht keine Ansteckungsgefahr mehr von ihnen aus. Als Totholz bieten sie noch einen ökologischen Nutzwert für das Ökosystem Wald. Wo absterbende Eschen zu einer Gefahr werden, weil sie nahe an Verkehrswegen oder belebten Plätzen stehen, wird eine Fällung meist nicht zu vermeiden sein. Bei ausreichender Stärke kann das Holz dann auch noch genutzt werden.


Einige werden resistent

Dass die Esche als Baumart aus unseren Wäldern und Fluren ganz und gar verschwinden wird, befürchtet Albert Schrenker nicht. "Wir wollen nicht auf die Esche verzichten", betont er. Sie soll ihren Platz beim Umbau von Bayerns Wäldern mit Blick auf den Klimawandel behalten. Dabei setzen die Forstleute auf jene Eschen, die - wie auch im Bestand bei Neershof - dem Befall widerstehen. Sie entwickeln eine Widerstandsfähigkeit gegen den Pilz. "Das sind dann die Bäume der Zukunft", sagt Albert Schrenker.
Solange die Esche so unter dem Druck des eingeschleppten Pilzes leidet, bieten sich alternative Baumarten an, die je nach Standort an ihrer Stelle gepflanzt werden können. Schrenker: "Wir haben über 50 Baumarten in Mitteleuropa, da finden sich genug Alternativen."


Keine chemische Keule

Dem befallenen Bestand mit einem Mittel zur Pilzbekämpfung zu helfen, kommt für Albert Schrenker nicht infrage: "Wir sind chemiefrei im Wald, das machen wir nicht."
Die Hoffnung, dass die Esche unseren Wäldern erhalten bleibt, indem sie Resistenzen gegen den eingeschleppten Pilz entwickelt, hat gute Gründe. Sie ist eine Baumart, die gute Naturverjüngung bringt. Das heißt, sie wächst oft, ohne menschliches Zutun auf. Ihr Holz hat eine Reihe von Eigenschaften, wodurch sie sich gut für den Möbelbau eignet. In ihrer Festigkeit ist sie der Eiche sogar überlegen. Trockenes Eschenholz arbeitet so gut wie gar nicht, reißt nicht und verwirft sich nicht. Es lässt sich gut drechseln, beizen und polieren.


Früher noch wichtiger

Als Spezialholz wurde Esche früher in der Wagnerei geschätzt. Viele Fahrzeuge und auch Eisenbahnwaggons wurden daraus hergestellt. Eisenbahnwagen für den Personenverkehr stattete man innen mit Eschenholz aus. Teilweise war die Verwendung dieser Holzart sogar vorgeschrieben. Das führte dazu, dass Eschenholz oft kaum noch zu bekommen war, das auch für Maschinen verwendet wurde.
Stiele für Äxte oder Hämmer, Schaufeln und andere Geräte lassen sich gut daraus fertigen, aber auch Sportgeräte wie Sprossenwände, Barrenholme, Schlitten oder Eishockeyschläger profitieren von der guten Elastizität des Eschenholzes. Im Mittelalter wurden Bogen und andere Kriegsgeräte aus Eschenholz gefertigt. Und noch früher in der Geschichte, zur Zeit der Germanen, spielte die Esche als Weltenbaum in der Mythologie eine große Rolle.
Es gibt also eine Menge Gründe, dafür zu sorgen, dass diese Baumart nicht ganz aus unseren Wäldern verschwindet, sondern aus Überlebendenden der Pilzattacke neue Eschenbestände gestärkt hervorgehen, die zur Vielfalt in unseren Wäldern beitragen.