Tatort Gräfsblock, am frühen Mittwochvormittag: Zwei ältere Damen, bepackt mit Einkaufstüten, bleiben stehen und grübeln: "Ja, was ist jetzt das?" Ein kleines Kind hingegen überlegt erst gar nicht lange, sondern reißt sich von der Hand seiner Mutter los und greift gleich mal mitten hinein ins weiße Glück: "Schnee!" Im nächsten Moment kommt ein Mann mit seinem Auto vorbeigefahren und kurz, bevor er in die Webergasse abbiegt, hält er an, kurbelt sein Fenster herunter und ruft mit einem breiten Grinsen: "Hey, cool, Winter!"
Kurzum: Es war mächtig was los rund um dieses kleine Häufchen Schnee, das da am Mittwoch plötzlich in der Morgensonne lag. Aber woher, bitteschön, kommt denn mitten im Sommer - noch dazu in einem geradezu tropischen Sommer - Schnee?!
Kuriose Szenen spielten sich ab
"Als ich um 8 Uhr ins Geschäft kam, war er schon da", berichtet eine Mitarbeiterin von Juwelier Böhnlein, vor dessen Schaufenster sich mittlerweile immer mehr kuriose Szenen abspielten: Menschen machten Selfies von sich und dem Schnee, es wurden reichlich Witze gerissen ("Die Schneefallgrenze ist heute aber niedrig!") und Leute wie Pauline Cimander zogen sogar mal kurz ihre Schuhe aus und stiegen barfuß auf den "Mount Gräfsblock". Die Stimmung, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, war super: Alle freuten sich über diese ungewöhnliche Bescherung. Das Rätselraten ging aber natürlich weiter.
Ob der Schnee möglicherweise von einem Kühllaster gefallen ist, der einen umliegenden Gastronomiebetrieb beliefert hat? Kopfschütteln auch im benachbarten Stadtcafé. "Ich bin schon um halb 7 vorbeigekommen und habe mich darüber gewundert", erzählt eine Bedienung. Gleichzeitig äußert sie eine interessante Vermutung: "Vielleicht hat es ja mit diesen Bauarbeiten in der Mohrenstraße zu tun. Da ist ja derzeit nachts einiges los."
Stimmt! Erst in der Mittwochsausgabe hatte das Tageblatt auf Seite 9 noch einmal darauf hingewiesen, dass in dieser Woche Kanäle im Bereich der Mohren-, Löwen- und Hindenburgstraße saniert werden - zum Teil auch nachts, um den dortigen Verkehr nicht unnötig zu behindern. Und Christian Degenhart, der sich Kanalsanierungsfacharbeiter nennt und von einer Spezialfirma aus Freyung-Grafenau kommt, kann dann tatsächlich alles aufklären: "Der Schnee? Der ist von uns!"
Die Spur führt nach Niederbayern
Christian Degenhart erklärt im Gespräch mit dem Tageblatt, dass an mehreren Stellen der besagten Straßen neue Kanäle eingebracht werden. Diese Kanäle würden aber in einem geradezu "flexiblen Zustand" angeliefert, wie er es beschreibt: "Die sind zunächst eher wie Schläuche." Erst nach dem Einbringen in den Untergrund würden sie hart und fest werden. "Wichtig ist deshalb, dass die Kanäle bis zum Einbau gut gekühlt sind", sagt Christian Degenhart und kommt somit zur finalen Antwort: "Deshalb haben wir in einer Mulde ganz viel Kunstschnee um die Rohre gepackt!" Dieser Kunstschnee wiederum stammt von einer Firma aus Gschwendt im Landkreis Straubing-Bogen. Und der Kunstschnee ist offenbar so gut, dass er den weiten Weg von Niederbayern nach Oberfranken unbeschadet und unaufgetaut übersteht - und dass er nach Abschluss seiner eigentlichen Kühlfunktion sogar noch in der Lage ist, vielen Menschen einen Glücksmoment zu bescheren.
Für welchen riesigen Wirbel "sein" Kunstschnee am Mittwoch in Coburg sorgte, hatte der Kanalsanierungsfacharbeiter zunächst gar nicht mitbekommen. Im Gespräch mit dem Coburger Tageblatt kündigt er mit einem breiten Grinsen an: "Wir werden es in den nächsten Tagen noch häufiger ein bisschen schneien lassen!"