• Coburg: "Verkehrsberuhigte Innenstadt" - Grüne wollen Autos weitestgehend verbannen
  • Steingasse, Rückertstraße, Marktplatz und mehr - diese Straßen sind betroffen
  • "Sollten uns das nicht gefallen lassen": Pläne der Grünen stoßen auf Widerstand 
  • "Zusätzlich zum Einkaufen etwas bieten": Stadträtin verteidigt Konzept

Der Kreisverband der Grünen in Coburg hat ein "Sofortprogramm für eine verkehrsberuhigte Innenstadt“ entwickelt. Darin ist unter anderem vorgesehen, die Kurzzeitparkplätze in der Steingasse zu entfernen und Autos – mit Ausnahme von Anwohner- und Lieferverkehr – zu verbannen. Auch andere Straßen sind von dem Konzept betroffen. Dies hat für eine heftige Debatte und zum Teil auch starke Ablehnung gesorgt. Im Netz und vor Ort regt sich Widerstand. Gegenüber inFranken.de verteidigt Stadträtin Melanie Becker die Pläne.

Coburger Grüne planen autofreie Innenstadt  - welche Straßen und Plätze betroffen sind

Die Steingasse soll in Zukunft auf Anwohner- und Lieferverkehr beschränkt werden. So lautet die Forderung der Grünen im Stadtrat. Außerdem sollen demnach alle Kurzzeitparkplätze in diesem Bereich entfernt werden. "Der gewonnene Platz könnte ideal für breite Gehwege und großzügige Außengastronomie genutzt werden, für die es, wie die tägliche Praxis zeigt, hohen Bedarf gibt", heißt es im vorgestellten Programm. Ein Großteil der einfahrenden Fahrzeuge sei sowieso lediglich "reiner (erfolgloser) Parksuchverkehr, der eine völlig überflüssige Belästigung und Gefährdung aller darstellt". 

Zudem sieht das Sofortprogramm eine Sperrung der Rückertstraße für den Durchgangsverkehr vor. Durch eine solche Maßnahme würde "die Aufenthaltsqualität im gesamten Bereich Stein-, Rückert-, Herren- und Grafengasse bis zum Oberen Bürglaß signifikant steigen", heißt es vonseiten der Grünen. Vor allem die Außengastronomie würde davon profitieren. Mit der Sperrung wären ohnehin "keinerlei praktische Einschränkungen für die Auto-Erreichbarkeit von Geschäften und Einrichtungen verbunden". 

Auch der Autoverkehr auf dem Marktplatz während der Wochenmärkte soll in Zukunft verboten werden. "Es ist völlig unnötig, dass Marktbesucher*innen mit dem Auto anfahren, zwei Parkhäuser sind weniger als 200 Meter Fußweg entfernt", teilen die Grünen mit. Man wolle dem "Verkehrs- und Parkrangierchaos" am Mittwoch- und Samstagmorgen deshalb ein Ende setzen. "Eine autofreie Innenstadt macht auch den Wochenmarkt attraktiver. Die Aufenthaltsqualität und auch die Lust, hier ohne Hektik einzukaufen, wird steigen", teilen die Coburger Grünen dazu mit. Darüber hinaus sind auch für die Mohrenstraße, Webergasse, Ketschengasse, Albertsplatz und die Ketschendorferstraße am Klinikum bereits konkrete Maßnahmen geplant.

"Finde es einfach traurig": Betroffene üben heftige Kritik - und befürchten negative Folgen

Der umfangreiche Maßnahmen-Katalog stößt sowohl teils unter Anwohnern als auch im Netz auf heftigen Widerstand. "Sorry, das mal so zu sagen, aber den Grünen hier in Coburg hat es regelrecht ins Hirn ge***en", schimpft eine sichtlich aufgebrachte Nutzerin auf Facebook. Sie sei "mehrfach eingeschränkt" und deshalb auf Parkplätze in unmittelbarer Nähe zum Marktplatz angewiesen. Sie könne nicht einfach "einen Sack Kartoffeln tragen und damit bis zum Bahnhof hochhatschen", erklärt sie.

"Daran denken die Grünen gar nicht. Hauptsache, die bösen Autos raus aus der Innenstadt", ärgert sie sich. Ihrer Meinung nach hätten solche Maßnahmen sogar negative Folgen für die Läden in der Coburger Innenstadt.   "Da werden dann viele Geschäfte zu machen, weil kaum noch Leute da sind, da viele Wege einfach zu weit sind". "Wollt ihr wirklich, dass die Coburger Innenstadt ausstirbt?  Denn so nehmt ihr den Läden ihre Kundschaft weg", heißt es weiter.

Viele andere Nutzer pflichten ihr bei. "Ich finde es einfach traurig, dass für gebrechliche, alte und eingeschränkte Menschen kein Verständnis da ist", schreibt eine andere Nutzerin. Bei anderen überwiegt die Wut. "Ich glaube, wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Die Stadt wird kaputt gemacht", heißt es beispielsweise in einem weiteren Kommentar. 

"Kann kein Argument sein": Grünen-Stadträtin verteidigt Idee

Melanie Becker, Grünen-Stadträtin in Coburg kann die Reaktion indes nicht so ganz nachvollziehen. Eben genau aus diesem Grund, eben weil man die Innenstädte vor dem Aussterben retten wolle, sei es aus ihrer Sicht wichtig, etwas zu verändern. "Man muss das Ganze mal unternehmerisch betrachten. Kein Unternehmer der Welt würde an alten Dingen festhalten, wenn sie nicht den gewünschten Erfolg bringen", erklärt sie. Dass man Autos heute aus den Innenstädten verbannen will, sei "der heutigen Zeit geschuldet". In Zeiten des Onlinehandels müsse man den Menschen in den Städten "zusätzlich zum Einkaufen etwas bieten".

Es sei demnach wichtig, Orte in der Innenstadt zu schaffen, an denen Kinder spielen können, während die Eltern etwa im Café in der Sonne sitzen. "Eine Steigerung der Aufenthaltsqualität in der Stadt schafft dann auch eine Belebung des Einzelhandels", erklärt sie gegenüber inFranken.de. Die angrenzenden Geschäfte und Gastronomiebetriebe hätten demnach "positiv auf unseren ersten Antrag reagiert", wie sie berichtet. "Die freuen sich darauf, vielleicht bald auch mehr Außengastronomie machen zu können", so Becker.

Und auch eine Verschlechterung der Parkplatzsituation sieht die Grünen-Stadträtin nicht. "Durch die Beschränkung der Steingasse gehen keine Parkplätze verloren, weil man dort ja eigentlich sowieso nicht parken darf". Klar, auch ihr sei bewusst, dass die Leute dort regelmäßig parken, um dann in die Stadt zu gehen. "Eigentlich sind das keine richtigen Parkplätze. Streng genommen parken die Leute dort dann illegal", sagt sie. Und das, so Becker, "kann ja schließlich kein Argument sein". Eine Ausnahme gebe es aber dann doch: Den einen Behindertenparkplatz, den es aktuell in der Steingasse gibt, wolle man "um ungefähr 50 Meter verlagern, zum Beispiel vor das alte Puppenmuseum". Dort sollen demnach dann auch gleich noch zwei weitere dazu kommen.