Dass es zwischen dem Sommer 2016 und Januar 2017 Brand- und Buttersäure-Anschläge im Bamberger Rotlicht-Milieu gegeben hat, steht außer Zweifel. Ihre Beteiligung an zumindest einem Teil dieser Anschläge haben sechs der sieben Angeklagten längst gestanden. Wenn die Große Strafkammer des Landgerichts nun heute ein Urteil verkündet, geht es vor allem um die Frage, wer hinter den Straftaten steckte. Während die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass der 55-jährige Winfried E. (Namen geändert) Initiator der Anschläge war, hat E. eine Beteiligung immer abgestritten. Entsprechend fordert Verteidiger Stefan Tierel einen Freispruch für E., während Staatsanwalt Daniel Heppt auf eine Gesamt-Freiheitsstrafe von sieben Jahren und zehn Monaten plädiert.
Heppt würdigte die Rolle U.s, der "reinen Tisch" gemacht habe und E., aber auch sich und die anderen Angeklagten damit schwer belastete. Die Hauptverhandlung sei wie schon die Ermittlungen anstrengend für alle Beteiligten gewesen und "in ihrer Art einzigartig für Bamberg". E. sei der Hintermann des Bordellbetriebs gewesen, die Anschläge auf die Konkurrenz seien von ihm bis ins Detail geplant worden. Dabei sei er mit hoher krimineller Energie vorgegangen.


Nur unter vier Augen

Insbesondere beim Brandanschlag vom 14. Januar 2017 sei es "mehreren glücklichen Zufällen zu verdanken, dass hier nichts Schlimmeres passiert ist". Hätte etwa ein Polizist, der Anwohner warnen wollte, im dicht verrauchten Treppenhaus die Orientierung verloren, wäre er wohl ums Leben gekommen. U.s Aussage sei mutig. Dass man ihm dafür in Aussicht gestellt habe, nur auf drei Jahre Gesamtstrafe zu plädieren, sei "gar kein so paradiesisches Angebot". Denn dafür sei U. ein hohes Risiko eingegangen. Dessen Ausführungen hält der Staatsanwalt für "punktgenau und detailreich, eine Aussage, die erlebt ist und sich so zugetragen hat". Winfried E. sei immer misstrauisch geblieben, habe nur unter vier Augen mit U. geredet. "Ohne U.s Aussage und die akribische Arbeit der Polizei hätte es diesen Prozess so nicht gegeben", erklärte der Staatsanwalt.
Während er für U. wie versprochen nur eine Gesamtstrafe von drei Jahren forderte, sprach er den anderen Angeklagten eine "Gangster-Mentalität" zu: "Keiner musste überredet werden." Entsprechend forderte er für Sebastian O., Stefan D., Rüdiger D., Benjamin C. und Sven T. - teils unter Einbeziehung von Vorverurteilungen - Haftstrafen von zweieinhalb (Sven T.) bis sechs Jahren und drei Monaten (Sebastian O.).
U.s Verteidiger Alexander Schmidtgall erklärte, sein Mandant habe Aufklärungshilfe geleistet. "Nur durch solche Aussagen kommt man ans Milieu heran." U. hätte nicht den Intellekt, eine erfundene Geschichte ein Jahr lang so aufrecht zu erhalten. Auch wenn er nach außen den starken Mann markierte, habe U. viel Angst vor E. gehabt. "Die Gefahr für ihn ist nach wie vor da", sagte Schmidtgall. Nun wolle U. ein neues Leben führen, von den Drogen und vom Milieu wegkommen. "U. hat nichts verschwiegen und Bamberg damit etwas sicherer gemacht."
Diese Sicht konnten die übrigen Strafverteidiger nicht teilen. Winfried E.s Anwalt Stefan Tierel warf der Staatsanwaltschaft vor, "von Anfang an viel zu ergebnisorientiert" ermittelt zu haben. "Es steht nach wie vor Aussage gegen Aussage. U. sagt, E. hat ihn angestiftet. E. sagt, das hat er nicht. Mehr Detailwissen haben wir nicht." U. sei keineswegs eine Randfigur gewesen, habe eigenständig auch Drogengeschäfte im Kilobereich abgewickelt. "Hier haben sie jemanden, der Mittäter mit der Waffe bedroht, der Zeugen beeinflusst. Wenn Sie dem drei Jahre anbieten, verrät der Haus und Hof." Tierel zog die vom Staatsanwalt genannten Indizien in Zweifel und fragte für seinen Mandanten: "Warum sollte er gerade zu diesem Zeitpunkt mit Revierkämpfen beginnen? Die Geschäfte liefen gut." Entsprechend gebe es begründete Zweifel an der Schuld seines Mandanten, E. sei freizusprechen.
"Rüdiger D. war wissentlich und willentlich nicht an der Brandstiftung beteiligt", erklärte dessen Verteidiger Jahn-Rüdiger Albert. D. sei nur davon ausgegangen, dass er "reingehen und randalieren" solle. D.s weiterer Verteidiger Michael Löwe wies darauf hin, dass sein Mandant "Reue und Schuldeinsicht gezeigt" habe. D.s Verteidiger plädierten auf eine Gesamtstrafe von eineinviertel Jahren auf Bewährung. Auch Stefan D. habe nichts vom Brandanschlag gewusst, erklärte dessen Anwalt Marcus Ladewig. U.s Kokainkonsum habe zu Wesensveränderungen und einer Fehlinterpretation des Verhaltens anderer geführt. D. habe nur auf massiven Druck mitgemacht und sei zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung zu verurteilen.


"Über einen Kamm geschoren"

Für Rechtsanwalt Maximilian Glabasnia ist Benjamin C. "der einzige Angeklagte, der authentisch unter Angst leidet". Unter Einbeziehung einer Vorstrafe plädierte Glabasnia auf fünf Jahre Haft für seinen Mandanten. Sven T.s Verteidiger Benjamin Schmitt hielt der Staatsanwaltschaft Fehlinterpretationen vor und kritisierte, dass "Lobgesänge auf U." angestimmt würden. "Die anderen Angeklagten werden alle über einen Kamm geschoren, mein Mandant war nur an einem Anschlag beteiligt." Schmitt plädierte auf acht Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Sebastian O.s Anwalt Ulrich Gummel wies darauf hin, dass sein Mandant durch frühe Drogenabhängigkeit in die "Schmuddelecke" geraten sei. O. sei in vollem Umfang geständig. Gummel legte es ins Ermessen des Gerichts, eine Strafe zwischen viereinviertel und sechseinviertel Jahren Haft zu verhängen.
Das Urteil soll am Mittwoch um 15 Uhr gesprochen werden.