Der als "Poet des Dombergs" bestens bekannte Alois Albrecht schlägt zu, wenn man es so sagen will. Der frühere Generalvikar des Erzbistums Bamberg hat für das Heinrichsfest 2018 das Werk "Kirche sind wir alle" geschrieben, und zwar im Auftrag der Geistlichen Gemeinschaften im Erzbistum. Anlass ist der sogenannte Strukturprozess, der nach dem Anliegen der Geistlichen Gemeinschaften auch spirituell begleitet werden soll. Prälat Albrecht hat ein durchaus provokantes Kirchenstück geschaffen - es liegt der Redaktion vor. Premiere ist am Freitag, 7. Juli, um 18 Uhr im Dom, in dem die einzelnen Passagen auch farblich in Szene gesetzt werden. 
Martin Neubauer, Prinzipal des Brentano-Theaters, sowie seine Schauspielkolleginnen Nadine Panjas und Eva Steines übernehmen die Sprecherrollen. Musikalisch begleitet wird das Stück von der NGL-Band "Kailas" (Ebermannstadt) und der Flötistin Leoni Winkler. Am Sonntag, 8. Juli, wird um 14 Uhr das Opus in der Dom-Krypta noch einmal aufgeführt. Wir sprachen vorab mit Alois Albrecht.
Sie haben sich an die Seite des Johannes auf Patmos ("Geheime Offenbarung des Johannes" - NT) gesetzt und wie er ein "Mahnbuch" geschrieben. An wen richtet es sich?
Alois Albrecht: Der Text ,Kirche sind wir alle' richtet sich an die Gemeinden im Erzbistum Bamberg in ihren verschiedenen Situationen, in denen sie heute leben. Ich will eigentlich eher einen "Weckruf" oder einen "Mutmacher" schreiben. Ich will versuchen, die Gemeinden aufzuwecken und einzuladen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Ich will sie aufwecken dazu, dass sie nicht immer nach ,oben', zum Bischof oder zum Ordinariat, schauen und von dort Hilfe in ihrer derzeitigen Situation erwarten. Die Gemeinden sollen sich selbst als Kirche ernst nehmen. Sie sollen sich als das wichtige ,Unten' erkennen. Denn es wird darauf ankommen, ob in unserer jetzigen Situation die Christen und Christinnen in den Gemeinden begreifen, dass sie als Getaufte für das Weiterbestehen der Kirche vor Ort verantwortlich sind und diese Verantwortung auch miteinander wahrnehmen und gestalten dürfen und sollen.
"Organisation und Struktur machen keine Kirche" heißt es in Ihrem Stück. Wie beurteilen Sie dann den sogenannten Strukturprozess im Erzbistum Bamberg?
Der Organisationsprozess an sich hat gute Gründe. Aber es sollte allen Beteiligten und Betroffenen bewusst sein, dass er Zweck und Mittel ist, nicht Ziel. Ziel ist immer noch und immer wieder mehr Glaube, mehr Hoffnung und mehr Liebe. Ziel meines Stückes ist es, den Gemeinden und den Gläubigen ein gesundes Selbstverständnis ihrer Eigenverantwortung für ihr Kirchesein vor Ort anzusagen und sie spüren zu lassen, dass Jammern nicht weiterhilft, sondern dass es gilt, sich für das Evangelium als Botschaft für das Leben (des eigenen und der ganzen Welt) begeistern zu lassen, sich dafür mit anderen zusammen in die Pflicht nehmen zu lassen in der eigenen Gemeinde und damit Kirche zu leben in den jeweiligen Stadtvierteln und in den Dörfern. Die Kirche muss vor Ort lebendig bleiben.
Ziel meines Stückes ist es auch, deutlich zu machen, dass die Gemeinden und Gläubigen bei dieser Entwicklung von mehr Eigenverantwortung ,unten' nicht alleine gelassen werden dürfen, sondern der Unterstützung und Begleitung von ,oben' (Bischof und Ordinariat) bedürfen. Auch dort bedarf es ein Umdenken weg vom ,weiter so'.
Aus Ihrem Kirchenstück spricht der "zornige alte Mann", der mit den Kirchenoberen hart ins Gericht geht. Wollen Sie den Domberg aus den Angeln heben?
Ich verstehe mich nicht als "zornigen alten Mann". Was den Domberg betrifft, bin ich ja selbst noch einer von denen am Domberg. Ich bin auch kein Revoluzzer - so habe ich es schon in meiner Zeit als Jugendseelsorger einmal formuliert - sondern will ein Reformer sein. Und so bin ich nach wie vor leidenschaftlich jemand, der das Evangelium und Christus in den Herzen der Menschen befestigen und verankern will. Und ich überlege mir mit einem brennenden Herzen, wie das in Zukunft im Erzbistum Bamberg weitergehen soll.
Priester und Seelsorger sind immer weiter von den Menschen entfernt und leben nicht mehr unter und mit ihnen. Was vor Ort geschieht, um die einzelnen Kirchen herum, kann aber nicht darin bestehen, dass nur die kirchlich notwendigen Gottesdienste und Sakramente gefeiert werden. Das Evangelium gehört in alle Lebensbereiche, alle Lebensalter, alle Lebenssituationen und sollte darin wirken. Ohne mehr Menschenfischer, Apostel, Vorläufer und Evangelisten (Priester. Diakone, Seelsorger, Frauen und Männer, haupt- oder ehrenamtlich, geweiht oder beauftragt) wird das nicht gehen. Alle angedachten Fortschritte in dieser Hinsicht werden leider innerkirchlich, sobald sie vorgetragen werden, sofort wieder blockiert, nach dem Motto: ,Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück!' Das macht nicht nur mich, sondern viele traurig und mutlos, gar mancher verlässt das Schiff.
Verstehen Sie dieses Werk als prosaische Summe Ihres reichen Priesterlebens, als eine Art Vermächtnis?
Vermächtnis ist ein großes Wort. Nein, der Text ,Kirche sind wir alle' enthält einfach die Gedanken, die ich mir zum derzeitigen Stand der Kirche von Bamberg im Zusammenhang mit dem Organisations- und Strukturprozess unserer Erzdiözese mache, gefasst als Weckruf und Mutmacher an die Beteiligten und Betroffenen.
Zwei Aspekte sind mir darin wichtig: Einmal: Katholiken in unseren Gemeinden werden sich auf Grund ihrer Taufe weit mehr engagieren müssen für das Leben und die Lebendigkeit ihrer Kirche vor Ort. Wo dieses Leben verdunstet und ausdünnt, wird das Evangelium langsam unsichtbar, bedeutungslos und unwirksam für das Zusammenleben der Menschen. Alle sollten sich bewusst sein, dass für sie gilt: ,Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat' (1. Petr 2,9).
Zum andern: Unsere Kirche ist das Gefäß des Evangeliums. Sie ist dazu berufen, dieses Evangelium jeder Zeit und allen Menschen bereitzustellen, zu bezeugen und zu verkünden. ,So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn dahingab, nicht dass die Welt gerichtet, sondern gerettet wird' (Joh 3,16 und 17). So sehr sich die Kirche auch als Trägerin und Wächterin dieser Wahrheit bewusst sein darf, die Wahrheit des Evangeliums: Christus, Gott, Geist, Liebe und Leben, ist unermesslich weiter und größer und umfassender, himmlischer und ewiger als sie durch die Kirche selbst, durch Katechismus und Kirchenrecht erschöpfend gefasst werden kann. Unsere kirchlichen Oberen sollten den Mut haben, Katechismus und Kirchenrecht für die heutige Zeit und Situation der Kirche weiterzudenken, weiter zu entwickeln und fruchtbar zu machen.
Das Gespräch führte
Marion Krüger-Hundrup.
        Martin Neubauer, Prinzipal des Brentano-Theaters, sowie seine Schauspielkolleginnen Nadine Panjas und Eva Steines übernehmen die Sprecherrollen. Musikalisch begleitet wird das Stück von der NGL-Band "Kailas" (Ebermannstadt) und der Flötistin Leoni Winkler. Am Sonntag, 8. Juli, wird um 14 Uhr das Opus in der Dom-Krypta noch einmal aufgeführt. Wir sprachen vorab mit Alois Albrecht.
Sie haben sich an die Seite des Johannes auf Patmos ("Geheime Offenbarung des Johannes" - NT) gesetzt und wie er ein "Mahnbuch" geschrieben. An wen richtet es sich?
Alois Albrecht: Der Text ,Kirche sind wir alle' richtet sich an die Gemeinden im Erzbistum Bamberg in ihren verschiedenen Situationen, in denen sie heute leben. Ich will eigentlich eher einen "Weckruf" oder einen "Mutmacher" schreiben. Ich will versuchen, die Gemeinden aufzuwecken und einzuladen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Ich will sie aufwecken dazu, dass sie nicht immer nach ,oben', zum Bischof oder zum Ordinariat, schauen und von dort Hilfe in ihrer derzeitigen Situation erwarten. Die Gemeinden sollen sich selbst als Kirche ernst nehmen. Sie sollen sich als das wichtige ,Unten' erkennen. Denn es wird darauf ankommen, ob in unserer jetzigen Situation die Christen und Christinnen in den Gemeinden begreifen, dass sie als Getaufte für das Weiterbestehen der Kirche vor Ort verantwortlich sind und diese Verantwortung auch miteinander wahrnehmen und gestalten dürfen und sollen.
"Organisation und Struktur machen keine Kirche" heißt es in Ihrem Stück. Wie beurteilen Sie dann den sogenannten Strukturprozess im Erzbistum Bamberg?
Der Organisationsprozess an sich hat gute Gründe. Aber es sollte allen Beteiligten und Betroffenen bewusst sein, dass er Zweck und Mittel ist, nicht Ziel. Ziel ist immer noch und immer wieder mehr Glaube, mehr Hoffnung und mehr Liebe. Ziel meines Stückes ist es, den Gemeinden und den Gläubigen ein gesundes Selbstverständnis ihrer Eigenverantwortung für ihr Kirchesein vor Ort anzusagen und sie spüren zu lassen, dass Jammern nicht weiterhilft, sondern dass es gilt, sich für das Evangelium als Botschaft für das Leben (des eigenen und der ganzen Welt) begeistern zu lassen, sich dafür mit anderen zusammen in die Pflicht nehmen zu lassen in der eigenen Gemeinde und damit Kirche zu leben in den jeweiligen Stadtvierteln und in den Dörfern. Die Kirche muss vor Ort lebendig bleiben.
Ziel meines Stückes ist es auch, deutlich zu machen, dass die Gemeinden und Gläubigen bei dieser Entwicklung von mehr Eigenverantwortung ,unten' nicht alleine gelassen werden dürfen, sondern der Unterstützung und Begleitung von ,oben' (Bischof und Ordinariat) bedürfen. Auch dort bedarf es ein Umdenken weg vom ,weiter so'.
Aus Ihrem Kirchenstück spricht der "zornige alte Mann", der mit den Kirchenoberen hart ins Gericht geht. Wollen Sie den Domberg aus den Angeln heben?
Ich verstehe mich nicht als "zornigen alten Mann". Was den Domberg betrifft, bin ich ja selbst noch einer von denen am Domberg. Ich bin auch kein Revoluzzer - so habe ich es schon in meiner Zeit als Jugendseelsorger einmal formuliert - sondern will ein Reformer sein. Und so bin ich nach wie vor leidenschaftlich jemand, der das Evangelium und Christus in den Herzen der Menschen befestigen und verankern will. Und ich überlege mir mit einem brennenden Herzen, wie das in Zukunft im Erzbistum Bamberg weitergehen soll.
Priester und Seelsorger sind immer weiter von den Menschen entfernt und leben nicht mehr unter und mit ihnen. Was vor Ort geschieht, um die einzelnen Kirchen herum, kann aber nicht darin bestehen, dass nur die kirchlich notwendigen Gottesdienste und Sakramente gefeiert werden. Das Evangelium gehört in alle Lebensbereiche, alle Lebensalter, alle Lebenssituationen und sollte darin wirken. Ohne mehr Menschenfischer, Apostel, Vorläufer und Evangelisten (Priester. Diakone, Seelsorger, Frauen und Männer, haupt- oder ehrenamtlich, geweiht oder beauftragt) wird das nicht gehen. Alle angedachten Fortschritte in dieser Hinsicht werden leider innerkirchlich, sobald sie vorgetragen werden, sofort wieder blockiert, nach dem Motto: ,Vorwärts Kameraden, wir müssen zurück!' Das macht nicht nur mich, sondern viele traurig und mutlos, gar mancher verlässt das Schiff.
Verstehen Sie dieses Werk als prosaische Summe Ihres reichen Priesterlebens, als eine Art Vermächtnis?
Vermächtnis ist ein großes Wort. Nein, der Text ,Kirche sind wir alle' enthält einfach die Gedanken, die ich mir zum derzeitigen Stand der Kirche von Bamberg im Zusammenhang mit dem Organisations- und Strukturprozess unserer Erzdiözese mache, gefasst als Weckruf und Mutmacher an die Beteiligten und Betroffenen.
Zwei Aspekte sind mir darin wichtig: Einmal: Katholiken in unseren Gemeinden werden sich auf Grund ihrer Taufe weit mehr engagieren müssen für das Leben und die Lebendigkeit ihrer Kirche vor Ort. Wo dieses Leben verdunstet und ausdünnt, wird das Evangelium langsam unsichtbar, bedeutungslos und unwirksam für das Zusammenleben der Menschen. Alle sollten sich bewusst sein, dass für sie gilt: ,Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat' (1. Petr 2,9).
Zum andern: Unsere Kirche ist das Gefäß des Evangeliums. Sie ist dazu berufen, dieses Evangelium jeder Zeit und allen Menschen bereitzustellen, zu bezeugen und zu verkünden. ,So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn dahingab, nicht dass die Welt gerichtet, sondern gerettet wird' (Joh 3,16 und 17). So sehr sich die Kirche auch als Trägerin und Wächterin dieser Wahrheit bewusst sein darf, die Wahrheit des Evangeliums: Christus, Gott, Geist, Liebe und Leben, ist unermesslich weiter und größer und umfassender, himmlischer und ewiger als sie durch die Kirche selbst, durch Katechismus und Kirchenrecht erschöpfend gefasst werden kann. Unsere kirchlichen Oberen sollten den Mut haben, Katechismus und Kirchenrecht für die heutige Zeit und Situation der Kirche weiterzudenken, weiter zu entwickeln und fruchtbar zu machen.
Das Gespräch führte
Marion Krüger-Hundrup.